Verhandeln wie ein Stürmer, nicht wie ein Verteidiger

Verhandeln wie ein Stürmer, nicht wie ein Verteidiger

Publiziert am Autor: Michael Oefner

Im Fussball gilt die einfache Regel: Wer keine Tore schiesst, kann nicht gewinnen. Diese Binsenwahrheit gilt auch für Verhandlungen: Wem es nicht gelingt, offensiv zu verhandeln und seine Argumente sicher zu platzieren, kann seine Ziele nicht erreichen.

Tatsächlich ist es im Fussball so: Wer einfach nur versucht, seine Position defensiv zu verteidigen, kann kaum Tore schiessen. Im Gegenteil: Ein kleiner Fehler in der Verteidigung und schon zappelt der Ball im eigenen Netz. Wem es hingegen gelingt, das Spiel in die gegnerische Platzhälfte zu verlagern, der hat beste Chancen, Tore zu schiessen und das Spiel zu gewinnen. Ein guter Verhandler sollte somit eher einem Stürmer als einem Verteidiger gleichen.

Häufig gerät die Beschaffungsseite in Verhandlungen allerdings rasch unter Druck, da es zu wenig gelingt, das Gespräch in die gewünschte Richtung zu dirigieren. Auf der anderen Seite ziehen versierte Verkäufer vielfach geschickt das Gespräch bereits bei der Begrüssung an sich. Und hat die Beschaffung das Heft erst einmal aus der Hand gegeben, haben die Verkäufer leichtes Spiel, ihre Tore zu schiessen, sprich: ihre gewünschten Konditionen durchzubringen.

Ankerpunkt setzen

Darum gilt es aus Beschaffungssicht, den Spiess umzudrehen, in die Offensive zu gehen und alles daranzusetzen, in Verhandlungen das erste Tor zu schiessen. Ganz konkret bedeutet das zum Beispiel, das Startgebot zu platzieren, bevor es der Gesprächspartner tut.

Die Wissenschaft hat längst bestätigt, dass das Startgebot eine psychologische Sogwirkung entwickelt, denn dieses wirkt wie ein Anker, der sicher versenkt wird. Die Chance, dass sich der Endpreis irgendwo in der Nähe dieses Ankers einpendelt, ist sehr gross.

In vielen Verhandlungen bilden eine Offerte oder bestehende Konditionen die Gesprächsgrundlage. Und damit ist der Ankerpunkt gesetzt – aus Beschaffungssicht jedoch leider auf der falschen Seite. Oft ist es daher eine bessere Alternative, dem Lieferanten ganz einfach die gewünschten Konditionen zu nennen und somit die eigenen Vorgaben als Verhandlungsgrundlage zu legen.

Ganz wichtig dabei: Der Ankerpunkt muss unbedingt immer logisch und realistisch erscheinen. Es sollte keinesfalls ein Fantasiepreis wie auf dem orientalischen Basar genannt werden. Auch auffällig runde Beträge können die Glaubwürdigkeit untergraben.

Psychologen aus Saarbrücken, Trier und Lüneburg konnten unlängst einen interessanten Effekt demonstrieren. Sie suchten im Kleinanzeigen-Markt von eBay nach Produkten, die für 200 Euro angeboten wurden. Dann machten sie dem jeweiligen Verkäufer per Mail einen Preisvorschlag.

Dabei war ein verblüffender Effekt zu beobachten: Boten die Käufer in ihrer Mail 120 Euro, mussten sie nach Abschluss der Verhandlung im Schnitt 160 Euro zahlen. Bei einem Startgebot von 125 Euro betrug der Endpreis 152 Euro und bei 121.37 Euro gar nur noch 141 Euro. Je präziser also das Startgebot war, desto besser war das Verhandlungsergebnis.

Eine höhere Präzision steigert somit die Glaubwürdigkeit des Eröffnungsangebots. Allerdings darf diese Genauigkeit auch nicht übertrieben sein. Wer bei einer Verhandlung mit 256'843.17 Franken als Anfangsgebot ins Rennen steigt, macht sich lächerlich.

Fünf Schritte zum Erfolg

Mit den folgenden fünf Schritten gelingt es, den Anker in Verhandlungen sauber zu werfen: 

  1. Bei der Vorbereitung das Startgebot präzis und glaubwürdig festlegen.
  2. Argumente sammeln, die helfen, die Höhe des Startgebots zu begründen.
  3. Im Gespräch alles daransetzen, das eigene Gebot als Erstes zu nennen.
  4. Das Gebot konsequent verteidigen.
  5. Bei Bedarf einen vorbereiteten Trumpf ausspielen, der ein gewisses Entgegenkommen signalisiert, ohne dass substanziell nachgegeben werden muss.

Wer in Verhandlungen diese offensive Strategie verfolgt, darf sich oft über erstaunliche Erfolge freuen.

Offensiv von A bis Z

Offensives Verhandeln beginnt übrigens schon vor der eigentlichen Verhandlung. Ob man den Lieferanten bei sich empfängt oder ob man bei ihm zu Gast ist: Es gilt, vom ersten Moment an einen starken Eindruck zu vermitteln. Bereits beim Handshake und beim Smalltalk sollte man dem Gespräch den eigenen Stempel aufdrücken, um anschliessend mit Schwung in die eigentliche Verhandlung einsteigen zu können.

Und dann gilt es natürlich, gleich das erste Tor zu schiessen. Aber danach bitte immer schön konzentriert weiterspielen, denn wie sagte schon der legendäre Fussballtrainer Bobby Robson: «Die ersten 90 Minuten sind die schwersten.»

Referent Michael Oefner

Über den Autor

Der Kommunikationsexperte Michael Oefner (41) verhilft Firmen und Einzelpersonen zu guten Verhandlungsresultaten (www.talktrainer.ch). Er ist Autor des Rhetorik-Ratgebers «In 20 Schritten zum Redeprofi» (Verlag SKV).

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