Wieso Rebellion den Einkauf weiterbringt

Wieso Rebellion den Einkauf weiterbringt

Publiziert am Autor: Barbara Stöttinger, Markus Platzer

Hohe Durchschlagskraft ist auch im Einkauf gefragt, will man sich als wertvoller Innovationstreiber und Sparringspartner auf Augenhöhe im Unternehmen positionieren.

Unternehmen müssen sich in immer kürzeren Abständen neu erfinden. Damit diese Transformation gelingt, braucht es Mut, Offenheit und vor allem radikale Ideen von Rebellen, die sich über Konventionen hinwegsetzen, um Innovation zu ermöglichen. Wie Führungskräfte die Rebellen in sich und ihren Mitarbeitenden erwecken können.

Die Meilensteine der Gesellschaft wären ohne Rebellen nie geschehen: das Frauenwahlrecht oder das Ende der Apartheid zum Beispiel. Allerorts gingen Menschen als treibende Kräfte voran, setzten sich leidenschaftlich und mit vollem Einsatz über Konventionen und Normen hinweg. 

Gelebte Innovationskultur heisst aktiv mitgestalten. Das gilt für Unternehmen genauso. Diese sind angesichts des steigenden Veränderungsdrucks gefordert, Prozesse und Geschäftsmodelle von Grund auf in Frage zu stellen – um nicht nur zu adaptieren und zu reagieren, sondern auch die Zukunft mitzugestalten. Nach dem Motto «It’s better to disrupt yourself than to be disrupted» benötigt eine erfolgversprechende Innova-tionskultur zuallererst Menschen, die Glaubens-, Denk- und Verhaltensmuster aufbrechen.

Gerade dem Einkauf als Innovationstreiber im Unternehmen steht eine Prise Non-Konformismus gut an. Damit ist aber keineswegs eine Beschaffung ausserhalb der geregelten Prozesse gemeint.

Der gekonnte Regelbruch 

Dringend notwendige Veränderung ist in Unternehmen nicht immer positiv besetzt und wird oft mit diversen Mitteln verhindert. Es braucht Personen, die bewusst für Irritation, Ärger und Verwunderung sorgen, Dinge tun, die sich andere nicht trauen, und dadurch auch tatsächlich grundlegende Veränderung in Gang bringen – sich über Ideen nett austauschen ist in der Regel zu wenig.

Allerdings ist es mit Offenheit in Unternehmen nicht getan. Eine offene Unternehmenskultur ist die Voraussetzung für Innovation, sie alleine reicht aber nicht. Es braucht Leute, die mutig sind, vorangehen und Dinge ausprobieren, die andere nicht tun würden. Umgekehrt haben Rebellen in einem sehr starren System ohne Offenheit keine Chance. In solchen Kulturen beissen sie sich die Zähne aus. 

Zum Rebellentum gehört der gepflegte Regelbruch – natürlich im legalen Rahmen. Ohne Rebellen, die nicht Regeln gebrochen hätten, würden wir noch auf Bäumen sitzen. Man muss aber nicht unbedingt die formellen Regeln im Unternehmen brechen, um ein Rebell zu sein: Es gibt genügend ungeschriebene Regeln, die Veränderung verhindern. Rebellen brauchen für ihr aufrührerisches Tagwerk allerdings Durchhaltevermögen, ein hohes Energielevel und eine starke intrinsische Motivation.

Sogar strategische Regelbrüche sind legitim. Gerade in grossen Organisationen muss man innerhalb der Regeln spielen und Allianzen schmieden. Doch oft wird unfassbar viel Zeit für politische Spielchen unproduktiv vergeudet. Es wird darüber diskutiert, wer bei wem welche Themen in geeigneter Form positioniert und diese dann auch anspricht. Dann wird auch über vorab zu bauende Sicherheitsnetze debattiert und darüber, wen man  keinesfalls verärgern darf. Man stelle sich vor, all diese Zeit würde tatsächlich produktiv eingesetzt werden – welchen Wettbewerbsvorteil könnten Unternehmen gegenüber ihren Mitbewerbern generieren? Es ist Zeit für radikale Offenheit, um nicht immer mit grossen Augen gen Silicon Valley schauen zu müssen.

Die Kuschel-Diskussionskultur

«Bill Gates wäre in Europa über seine Garage nie hinausgekommen» – ein oft gehörter Spruch, der zeigt, wie relevant eine innova-tionsfreundliche Kultur ist. Zu scheitern, ist gerade im deutschsprachigen Raum ein Stigma. Es herrscht eine Kuschel-Diskussionskultur, die Konfrontation vermeidet und Harmonie sucht. Freude am Diskurs ist jedoch entscheidend, damit Innovation überhaupt gelingen kann.

Von Kollegen und Mitarbeitern Rebellentum zu erwarten, wenn sie so ihre Jobs gefährden, ist der falsche Weg. Es ist Aufgabe der Führungskräfte, selbiges zu ermöglichen. Wichtig ist hier ein guter Mix von unterschiedlichen Meinungen und Fähigkeiten – auch im Hinblick auf Alter, Herkunft, Geschlecht und bunte Lebensläufe. 

An einer rebellen- und damit innovationsfreundlichen Unternehmenskultur sollte über das Employer Branding hinaus gearbeitet werden. Verspricht das Jobinserat mehr, als die Unternehmenskultur hält, zieht man junge Talente an, die sich drei Tage nach Jobbeginn fragen, ob sie im falschen Film gelandet sind. Auf einmal ist von der angepriesenen agilen Unternehmenskultur, dem wertschätzenden Miteinander und den flachen Hierarchien wenig übrig. Diese Talente verlassen das Unternehmen bald wieder.

Der Rebellen-Guide

Rebellen können für die Veränderungs- und Innovationsfähigkeit von Unternehmen von unschätzbarem Wert sein. Wer jedoch mit dem Kopf durch die Wand will, hat sicher nicht die beste Strategie. 

Wir haben einen kleinen Guide zusammengestellt, der Rebellen dabei helfen soll, mit ihren Ideen Gehör zu finden:

  1. Prüfen Sie sich selbst auf Ihren eigenen Antrieb. Wie wichtig ist Ihnen Ihre Idee? Welche Vision haben Sie dazu? Seien Sie sich bewusst, dass Sie einen langen Atem für diverse Diskussionen benötigen. 
  2. Sie wollen eine andersartige Idee durchsetzen? Dann unterlegen Sie diese faktenbasiert und mit (Kenn-) Zahlen. Überzeugen Sie in einer äusseren Form, die den Entscheidungsträgern bekannt ist.  
  3. Suchen Sie sich Sparringspartner und schmieden Sie Allianzen mit Mitstreitern für Ihre Idee. 
  4. Fragen Sie nicht lange um Erlaubnis, sondern legen Sie einfach im Kleinen los: in Ihrem Team, im Rahmen Ihrer Möglichkeiten. Experimentieren Sie, probieren Sie aus, adaptieren Sie bei Bedarf.  Ist die Umsetzung Ihrer Idee von Erfolg gekrönt, berichten Sie davon und überzeugen andere Führungskräfte, es Ihnen gleichzutun. 
  5. Sorgen Sie für Irritation, wo es nötig ist. 
  6. Wenn es die einzige Möglichkeit ist, um Ihr Ziel zu erreichen: Hängen Sie den Erfolg am Ende Ihrem Vorgesetzten um. Das ist zwar «old school», aber besser als keine Veränderung.

Vom Einkäufer zum Innovationstreiber

Gerade – aber nicht nur – in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten ist es für den Einkäufer besonders wichtig, sich seiner essentiellen Rolle im Unternehmen bewusst zu werden: als wertvoller Sparringspartner auf Augenhöhe für Innovationen und neue Ideen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Um diese wichtige Rolle einnehmen zu können, bedarf es manchmal auch einer kleinen Rebellion. 

Barbara Stöttinger

Barbara Stöttinger ist Dekanin der WU Executive Academy und Professorin am Institut für Internationales Marketing Management der WU Wien. Vor ihrer Zeit an der Universität war sie im Marketing eines internationalen Konsumgüterherstellers (Consumer Electronics) und in der Beratung tätig.

Markus Platzer 

Markus Platzer ist international gefragter Coach und Trainer für Führungskräfte und sieht sich selbst als Andersdenker. Er kann auf viele Jahre Führungserfahrung als Topmanager zurückblicken, die er als Speaker und Blogger weitergibt.