Wie guter Tee – was «Blended Learning» ausmacht
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Neu ist die Erkenntnis ja nicht – wir befinden uns in einem tiefgreifenden technologischen Wandel mit enormen Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft. Die Digitalisierung verändert unsere Arbeitswelt und unseren Alltag. Und damit wandeln sich zugleich auch die Kompetenzanforderungen an die Beschäftigten. Bisher benötigte Tätigkeitsfelder werden überflüssig, neue Berufe entstehen.
Der beruflichen Aus- und Weiterbildung kommt eine entscheidende Rolle zu, um diesen Strukturwandel zu bewältigen und entsprechende Angebote in digital ausgereifter Form an den Markt zu bringen. Damit nicht genug – der Kampf gegen die Verbreitung des Coronavirus hat dem Wandel noch zusätzlichen Schub verliehen. Nahezu unvorbereitet sind nicht wenige Bildungsanbieter mitten in einen massiven digitalen Transformationsprozess hineinkatapultiert worden.
Digitale Strategie für digitale Angebote
Digitale Bildungsangebote müssen jedoch auch auf einer digitalen Strategie aufbauen. Es reicht längst nicht aus, einfach nur bestehende Seminare und Lehrgänge in den digitalen Raum zu transferieren. Es bedarf auch einer veränderten Lehr- und Lernkultur. Klassischer Frontalunterricht als Fernunterricht, sogenanntes «Online Learning» deckt die Anforderungen an eine zeitgemässe Weiterbildung nicht ausreichend ab. Absolventinnen und Absolventen sollten heutzutage zwingend in digitale Lehr- und Lernprozesse miteingebunden werden, aktiv und selbstverantwortlich am Geschehen partizipieren und sich einbringen. Heute spricht man von «Blended Learning».
Erster «Blended Learning»- Lehrgang
Als Bildungsanbieter hat unser Fachverband deshalb schon vor über einem Jahr auf «Blended Learning» gesetzt und mit der Neukonzeption der angebotenen Lehrgänge begonnen.
Als ersten unserer Lehrgänge haben wir den seit Februar 2020 ohnehin komplett neu eingeführten «Spezialistin/Spezialist öffentliche Beschaffung» nach diesem Konzept entwickelt. Der Lehrgang ist modular aufgebaut und kann «in einem Rutsch» oder über mehrere Jahre verteilt absolviert werden. Die Absenz der Absolventinnen und Absolventen vom Arbeitsplatz hält sich in Grenzen.
Was hat Lernen mit Teetrinken zu tun?
Der Ausdruck Blend wird den meisten Teetrinkern geläufig sein. Mit diesem Begriff umschreibt man gemeinhin Teemischungen. Bei der Herstellung eines Blends werden demnach verschiedene Produkte vermischt. Ziel dieses Unterfangens ist es, die unterschiedlicheren Qualitäten und individuellen Geschmacksrichtungen der Teeblätter und Zutaten des künftigen Blends untereinander zu neutralisieren.
Die Blends wurden nicht ohne Grund entwickelt: Die Hersteller können durch das Vermischen verschiedener Sorten jahreszeitliche Schwankungen der Ernte sowie unterschiedliche Qualitäten des Tees ausgleichen und dabei einen konstanten Geschmack gewährleisten, der über einen längeren Zeitraum hinaus gehalten werden kann. Teeliebhaber schätzen die jahreszeitunabhängige Verfügbarkeit solcher Blends und deren geschmackliche Vielfalt. Ganz ähnlich verhält es sich mit «Blended Learning».
Effizienteste Art zu lernen
Was ist also «Blended Learning» genau? Unserer Ansicht nach bietet dieser integrale Ansatz die wohl effizienteste und nachhaltigste Art zu lernen, denn er kombiniert die direkte Unterrichtsteilnahme vor Ort mit ortsunabhängigem gemeinsamem Studium dank virtuellem Klassenraum und Selbststudium. Ganz ähnlich wie Teeliebhaber profitieren auch unsere Absolventen von der Vielfältigkeit dieses Ansatzes.
Eine wichtige und effiziente Zutat ist das Selbststudium. Dieses ermöglichen wir beispielsweise durch unsere Lernvideos. Ein interaktives, in fünf Kurzsequenzen aufgeteiltes dreiviertelstündiges Lernvideo ersetzt vier Lektionen klassischen Präsenzunterrichts. Für unseren ersten Lehrgang haben wir mit den Dozierenden eigens solche Lernvideos entwickelt. Vom inhaltlichen Aufbau bis hin zur Aufnahme und zum Schnitt sind die Videos in Eigenproduktion entstanden. Die Teilnehmenden erlangen dadurch grösstmögliche zeitliche Flexibilität und sie bestimmen ihr Lerntempo selbst, indem sie beispielsweise die Videos mehrmals ansehen. Der Stoff der Videos gilt als behandelt und so muss im Unterricht nur noch bei Bedarf darauf eingegangen werden. Gemäss Rückmeldungen von Seite der Dozenten und der Teilnehmenden funktioniert das bisher reibungslos.
Zusätzliches Selbststudium festigt das neu erlernte Wissen. Auch der gemeinsame Geist im Klassenverband festigt sich innerhalb kurzer Zeit, beispielsweise, wenn Praxisbeispiele im virtuellen Klassenraum oder auch vor Ort besprochen werden. Die gemeinsam genutzte Lernplattform bietet nebst virtuellem Unterricht auch alle Unterlagen zentral zum Download und zum Austausch untereinander an. Genau diese Kombination lässt anfänglich noch bestehende Wissensunterschiede schnell verschwinden.
Für alle Lerntypen geeignet
Blended Learning spricht alle Lerntypen an. Verschiedene Lerntypen erhalten so die Gelegenheit, ihre favorisierte Lernmethode für den grösstmöglichen individuellen Erfolg zu verwenden.
Jemand, der ungern einer anderen Person länger am Stück zuhört und Konzentrationsschwierigkeiten dabei hat, kann zum Beispiel in der Selbstlernphase das Gehörte in kleinen Textbausteinen noch einmal verinnerlichen. Praktisch veranlagte Lernerinnen und Lerner können beispielsweise bei der Ausführung der Lerninhalte in den eigenen vier Wänden ihre Zeit selbst so einteilen, dass sie direkt eine Übung anschliessen.
Fazit
Blended Learning bietet unschlagbare Vorteile wie Ortsunabhängigkeit, Flexibilität und individuelles Lerntempo. Dennoch werden die Teilnehmenden persönlich begleitet, im Gegensatz zum Fernunterricht. Der fehlende soziale Kontakt wird mit dem Präsenzunterricht kompensiert.
Zudem stehen die Dozierenden den Teilnehmenden mittels Chat auf der Plattform für Fragen zur Verfügung. Sie können bei allfälligen Defiziten in puncto Zeit- und Selbstmanagement, Schwierigkeiten in der Akzeptanz der eigenen Verantwortung für den Lernerfolg sowie technischen Problemen insbesondere im Umgang mit ungewohnten Kommunikations- und Kooperationswerkzeugen unterstützen.
Andrea Kuhn-Senn
Die Bank- und Finanzausbildungsexpertin ist seit Mai 2015 Vorstandsmitglied von procure.ch. Sie hat einen betriebswirtschaftlichen Background mit Vertiefung in Wirtschaftsrecht. Andrea Kuhn-Senn ist Inhaberin der Kuhn-Senn GmbH in Davos und beim Bankenberatungszentrum St. Gallen zuständig für International Business Development mit Fokus China.