Wie Einkäufer die Regulierungsflut eindämmen
Publiziert am
Beispiel aus der Praxis: Der potenzielle Lieferant von Einkäufer X versucht mit Hilfe seiner Rechtsabteilung, einen Vertrag zu seinen Gunsten zu verändern. X erkennt dank seines rechtlichen Wissens die vehementen Haftungsbegrenzungsabsichten des Lieferanten und gibt frühzeitig zugunsten seines Unternehmens Gegendruck.
Er macht dem Lieferanten deutlich, dass die Haftungsfrage elementar ist, zudem ein Versicherungsnachweis erbracht werden muss, und dass er eine strikte Haftungsreduktion nicht akzeptieren wird.
Sowohl dem Lieferanten als auch seiner Rechtsabteilung wird mit dem klaren Statement von X sofort klar, dass sich dieser Beschaffungsspezialist nicht mit subversiven Tricks abspeisen lässt. Sie verzichten in der Folge unter anderem darauf, auf den eigenen ALB (Allgemeine Lieferbedingungen) zu beharren, da ansonsten mit unangenehmen Konsequenzen zu rechnen wäre, indem die Verhandlungen beispielsweise platzen könnten.
Die rechtlichen Kenntnisse und das klare Verhalten von X können sich auf die strategischen und taktischen Entscheide seines Gegenübers auswirken, wie dieses einführende Praxisbeispiel verdeutlicht.
Horrorszenario für den Rechtsstreit
Der Weg in die Hölle ist mit guten Absichten gepflastert, sagt man. Gute Absichten reichen aber gerade beim Abschluss von Verträgen nicht aus. Es braucht rechtliche, kaufmännische und technische Expertise. Die Gründe für Schäden sind vielfältig. Verfügt ein Unternehmen beispielsweise über keine Allgemeinen Einkaufsbedingungen (AEB) oder ist nicht bekannt, wie diese zum gültigen Vertragsbestandteil werden, hat der Lieferant leichtes Spiel. Es wird ihm mühelos gelingen, seine Allgemeinen Verkaufsbedingungen (ALB) ins Spiel zu bringen. Ein Horrorszenario für die Beschaffung, falls es zu rechtlichen Auseinandersetzungen kommen sollte.
Nicht weniger verheerend verhält es sich, wenn es dem Vertragspartner gelingt, in einer Auftragsbestätigung unbemerkt von der eigentlichen Bestellung abzuweichen. Als Konsequenz droht, dass ein Richter dem Beschaffenden in einem allfälligen Stör- und Schadenfall vorwerfen kann, diese Abweichungen in der Auftragsbestätigung stillschweigend akzeptiert zu haben. Mit der Auftragsbestätigung versucht der Lieferant in aller Regel auch noch einmal seine ALB ins Spiel zu bringen.
Versierte Einkäufer lehnen darum zugestellte Auftragsbestätigungen von vornherein ab und fordern sowieso nie aktiv eine solche ein. Sie sorgen stattdessen dafür, dass die eigene Bestellung vom Vertragspartner bestätigt wird, jedoch nicht in Form einer Auftragsbestätigung, sondern in Form einer unterzeichneten Bestellung. Verfügt der Einkäufer über das entsprechende (strategische) Wissen und über die Verhandlungsmacht, ist es für ihn ein Leichtes, den Vertragsprozess vorzugeben.
Einkäufer als umsichtiger Macher
Der rechtlich geschulte Einkäufer macht sich auch an anderen Stellen als umsichtiger und nutzbringender Macher unentbehrlich. So zeigt er der Logistikabteilung auf, dass eingehende Ware sofort auf offensichtliche Mängel hin geprüft und allfällige Mängel sofort gerügt werden müssen. Er weiss, wie man eine Mängelrüge verfasst, die diesen Namen auch verdient.
Er weist darauf hin, dass es auf die Gewährleistungsfrist ankommt, wenn es bei beschafften Gütern um die Frage geht, ob bei Vorliegen von versteckten Mängeln Gewährleistungsansprüche geltend gemacht werden können. Mit seinen Lieferanten handelt er möglichst lange Gewährleistungsfristen aus. Vor Ablauf der Frist veranlasst er beispielsweise bei grossen Maschinen und Anlagen eine erneute Prüfung auf versteckte Mängel. Er kennt auch die Vorteile des Einsatzes der «Incoterms 2010»-Klauseln und versteht diese richtig einzusetzen.
Aber auch weitere rechtlich wichtige Verhaltensweisen werfen ein gutes Licht auf seine Arbeit: Potenzielle Vertragspartner lässt er beim Austausch von Informationen eine Geheimhaltungserklärung unterzeichnen. Er sichert für sein Unternehmen die nötigen IP-Rechte, beispielsweise in Entwicklungsverträgen. Und er behält, wenn immer möglich, die Verhandlungsmacht, indem er schwierige Verhandlungspunkte, allen voran Haftungsthemen, zu Gunsten des eigenen Unternehmens regelt, bevor der Lieferant weiss, dass er den Zuschlag für ein Geschäft erhält. Im Wissen darum, dass Diskussionen über solche Themen schwierig werden, wenn der Lieferant bereits weiss, dass er für ein Geschäft bereits gesetzt ist. Vertragsverhandlungen erst nach bereits erbrachter Leistung sind ihm ein Gräuel.
Kommendes Seminar mit Christian Dueblin
Internationale Beschaffung – Rechtliche Grundlagen
17. bis 18. Oktober 2017, 08:45 bis 17:30 Uhr
Mövenpick Hotel, Glattbrugg
Der richtige Werkzeugkasten
Die Realität ist, dass nicht wenige Einkäufer mangels guter eigener Templates nach wie vor Vertragsvorlagen bei ihren Vertragspartnern anfordern. Zu deren grosser Freude, denn diese erhalten dank dieser Verhaltensweise zugleich auch die Information, dass die Beschaffungsabteilung möglicherweise rechtlich nicht „fit“ genug ist. Ein Lieferant etwa wird in solchen Fällen versuchen, sich besondere Vorteile zu verschaffen.
Versierte Beschaffungsmanager jedoch verfügen über eigene Templates, die sie in ihrem Contract-Management-Werkzeugkasten stets griffbereit haben. Es lohnt sich, die unternehmensinterne Rechtsabteilung oder einen externen Fachexperten einzuschalten, damit dieser Werkzeugkasten vorliegt und auch immer «up-to-date» ist. Enthalten sein sollten darin unter anderem:
- Allgemeine Geschäftsbedingungen
- Vorlagen für Bestellungen (purchase orders)
- Non-Disclosure-Argeements
- Letter of Intent
- Einkaufsverträge
- Ein Rahmenvertrag für den Einkauf (für Lieferanten, die wiederholt liefern sollen)
- Ein Werkvertrag
- Die Vorlage einer Mängelrüge
- Die Vorlage einer Mahnung
Diese Vertragstemplates und Sample Letters sowie Checklisten sollten bei der eigenen Rechtsabteilung angefordert werden. Falls diese inhouse nicht verfügbar sind, können viele Vorlagen auch bei procure.ch bezogen werden (Service-Angebot: "Recht und Verträge").
Gute Teamarbeit
Nicht nur der Einkauf, sondern auch die Rechtsabteilung ist gefordert. Ihr muss klar sein, dass man viele Fälle nicht ohne den Beschaffungsexperten erledigen kann, da Einkäufer meist über eine grössere Expertise verfügen, wenn es um die kaufmännischen und technischen Aspekte eines Geschäftes geht.
Schliesslich sollte eine moderne Rechtsabteilung, aber auch externe Rechtsexperten, sich vom wenig geschätzten Gutachterstil lösen und Sachverhalte auch in einem anderen Kontext als nur dem juristischen beurteilen können. Das jedoch bedingt ein unternehmerisches und fachübergreifendes Mitdenken, mit dem Resultat, proaktive Lösungsvorschläge auf den Tisch legen zu können, die dem Unternehmen als Ganzes dienen.
Arbeiten Rechts- und Beschaffungsabteilung Hand in Hand, resultiert für das eigene Unternehmen ein grosser Gewinn – Risiken und Schäden werden minimiert. Dazu bedarf es der richtigen Einstellung der Unternehmensführung und des gegenseitigen Respekts vor der Arbeit der jeweils anderen Abteilung.
Christian Dueblin
Der Autor (Lic. iur., EMBA HSG) ist Unternehmensjurist, Mitherausgeber des Praxishandbuchs "Legal Operations Management" und Dozent bei procure.ch