Weshalb sich Diversität im Einkauf lohnt

Weshalb sich Diversität im Einkauf lohnt

Publiziert am Autor: Christian Heiss, Madalina Gavrila

Diversity nicht unter dem Glassturz, sondern im realen Unternehmensalltag.

Im Einkauf und im Lieferkettenmanagement vernachlässigen viele Unternehmen das Thema «Diversity». Das Zaudern in puncto Diversity-Management führt dazu, dass die Performance vieler Unternehmen in diesen Bereichen noch nicht optimal ist.

Im Einkauf und im Lieferketten-Management vernachlässigen viele Unternehmen das Thema «Diversity». Sie verpassen damit die Chance auf ein besseres Risikomanagement und mehr Wertschöpfung. Zu diesem Ergebnis kommt eine gemeinsame Studie, die Oliver Wyman mit dem Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) im Oktober und November 2021 durchgeführt hat.  
Die Erhebung untersucht die persönlichen Erfahrungen sowie Massnahmen der Unternehmen in Bezug auf Diversity – also Vielfalt mit Blick auf den kulturellen, religiösen oder ethnischen Hintergrund sowie die sexuelle Identität von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Befragt wurden 120 Führungskräfte von Unternehmen im deutschsprachigen Raum. Die Experten mahnen ein rasches Umdenken an: Wer die Diversität der Beschäftigten nicht priorisiere, schwäche die eigene Wettbewerbsposition.

Divers ist besser

Der Krieg in der Ukraine, die Zuspitzung der geopolitischen Situation zwischen 
China und Taiwan, Chipmangel, verspätete Containerschiffe, Cyberattacken auf Transporteure und natürlich auch die Corona-Pandemie haben in den vergangenen Monaten und Jahren aufgezeigt, dass die Funktionen «Einkauf» und «Supply Chain Management» in Unternehmen wichtige Schlüsselpositionen sind.

Angesichts wachsender Beschaffungsengpässe und Lieferkettenstörungen verschieben sich auch die Anforderungen an das Management: Wo lange Zeit das Kostensparen das wichtigste Ziel war, geht es nun zunehmend um Risikomanagement – und dabei auch um kreative Lösungen. Wie aber können Einkäufer und Lieferketten-Manager den neuen Aufgaben gerecht werden? Ein zentraler Ansatzpunkt ist es, die Diversität unter den Beschäftigten zu erhöhen. 
Diversity innerhalb der Belegschaft zu fördern, ist in den letzten Jahren zu einer relevanten strategischen Aufgabe für Unternehmen geworden, auch und gerade in den Funktionsbereichen Beschaffung und Supp­ly Chain.

Eine zunehmende Diversity steigert die Wertschöpfung über Kostenersparnisse hinaus – beispielweise durch eine höhere Innovationsfähigkeit oder einen stärkeren Fokus auf Nachhaltigkeit – und sorgt für eine effektivere Zusammenarbeit. Doch diese Erkenntnis ist in der Breite noch nicht vollends angekommen. So messen auch heute noch 42 Prozent der Befragten Diversity nur eine geringe oder vergleichsweise geringe Bedeutung bei. Ein weiteres Ergebnis: Lediglich 30 Prozent haben ihre Anstrengungen hierfür in den vergangenen drei Jahren erhöht.

Fragt man nach der allgemeinen Einstellung zu Diversity-Themen, beurteilt die breite Mehrheit die Situation bei ihrem Arbeitgeber positiv. So stimmen 97 Prozent der befragten Frauen und 87 Prozent der Männer der Aussage zu, dass Menschen in ihrer Organisation ganz unabhängig von ihrem kulturellen, religiösen, ethnischen oder sozialen Hintergrund Wertschätzung erfahren.

Im Umkehrschluss zeigt sich aber auch: 11 Prozent der Frauen verneinen die Aussage, dass Kolleginnen und Kollegen sich unabhängig von ihrem Geschlecht, sozialen Hintergrund oder ihrer Identität respektieren. Zudem berichten 37 Prozent der Frauen, dass sie bereits Belästigung oder Diskriminierung am Arbeitsplatz erlebt haben. 

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Es offenbaren sich teils deutliche Unterschiede zwischen Anspruch und Wirklichkeit. In vielen Unternehmen besteht erheblicher Aufklärungs- und Handlungsbedarf. Zudem sind Frauen besonders im Supply Chain Management laut der Erhebung stark unterrepräsentiert. Nur 27 Prozent der Unternehmen kommen hier auf einen Frauenanteil von mehr als 40 Prozent, im Einkauf sind knapp zwei Drittel der Mitarbeiter weiblich. Das Management ist in beiden Bereichen allerdings stark männlich dominiert. 

Laut Studie zeichnet sich allerdings ein Umsteuern ab – hin zu stärker divers besetzten Führungsteams. Das sogenannte ­«Sponsorship from the Top», also die gezielte Förderung von Diversität durch das Management, erlebt zumindest einen leicht wachsenden Zuspruch. Dies ist ein guter Weg, um mehr Diversität zu erreichen, denn leitende Angestellte, die als Vorbilder fungieren, sind für Diversity verantwortlich und erhöhen diese in entscheidenden Positionen.

Bislang ist dieses Werkzeug laut Studie allerdings erst bei 22 Prozent der Unternehmen im Einkauf und bei 29 Prozent im Lieferkettenmanagement etabliert. Alle Befragten erwarten in den kommenden drei Jahren nicht nur in dieser Hinsicht mehr Fortschritt, sondern allgemein mehr Diversity-Initiativen für die Gebiete Firmenkultur, Rekrutierung, Karriere-Entwicklung sowie Training und Weiterbildung. 

Dominanz der äusseren Faktoren

Noch dominieren äussere Faktoren als Motivation, Diversität in der Belegschaft zu fördern. 81 Prozent der befragten Manager geben an, dass rechtliche Vorgaben ihre Diversity-Strategie antreiben. Nur 65 Prozent nennen die Aussicht auf eine höhere wirtschaftliche Leistung hierfür als als ­Faktor.

Eine Messung der eigenen Aktivitäten im Unternehmen sollte die Grundlage bilden. Denn wer sein Engagement auf Wirksamkeit überprüft, hat es leichter, die Akzeptanz für mehr Diversity zu steigern. Diversity wird immer mehr zum Wettbewerbsfaktor. Wer hier zögerlich handelt, bremst das eigene Wachstum. 

Expert Talk

Christian Heiss ist einer der Keynote-Speaker am kommenden Expert Talk zum Thema «Diversity im Einkauf» vom 27. September 2022. Detaillierte Informationen zum Event finden Sie unter:

Expert Talk

Wenn Sie am Expert Talk teilnehmen möchten, können Sie sich direkt bei Aline Gautschi (gautschi@procure.ch) anmelden.

Christian Heiss

Der promovierte Maschinenbau-Ingenieur ist Senior-Partner in der globalen Operations Practice beim Unternehmensberater Oliver Wyman in Zürich. Seit über 25 Jahren unterstützt er Transformations- und performance-orientierte Programme, um Einspa­rungen und nachhaltige Veränderungen zu erreichen. 

Madalina Gavrila

Die Leiterin der Studie ist Ingenieurin mit Masterabschluss und Engagement Manager in der globalen Operations Practice bei Oliver Wyman in München. Sie berät insbesondere Unternehmen aus der Automobil- und Fertigungs­industrie.