Wer digitalisiert, muss anders arbeiten
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Während viele Unternehmen versuchen, dem steigenden Preisdruck entgegenzuwirken, indem sie schlicht günstigere Waren kaufen, wird oft übersehen, welches Einsparungspotenzial sich in der Digitalisierung und Automatisierung interner Prozesse verbirgt.
Effiziente Prozesse sind entscheidend
Wer zeitaufwendige interne Betriebsabläufe zentral über ein digitales Interface steuert oder automatisiert, den gesamten Beschaffungsprozess ohne Papierkram abwickelt oder sogar seinen Maschinenpark in einem einzigen Programm mobil verwalten kann, hat seine Auf- und Ausgaben jederzeit im Blick. Was für einige vielleicht noch wie Science-Fiction klingen mag, lässt sich heutzutage problemlos in die Tat umsetzen.
Fehleranfällige und unauffindbare Papierverträge sind passé, denn die gesamte Beschaffungskette wird digitalisiert, automatisiert und vereinfacht – vom Sourcing über das Lieferanten-, Lizenz- und Vertragsmanagement bis hin zur Rechnungs- und Zahlungsabwicklung. Dadurch kann die Einhaltung betrieblicher, vertraglicher und gesetzlicher Vorschriften leichter sichergestellt werden. So treffen die Mitarbeitenden ihre Kaufentscheidung auf Basis der Vorgaben des Unternehmens und halten alle Beschaffungsrichtlinien automatisch ein.
Die richtige Software ist nicht alles
Sie sehen, die Digitalisierung bietet unglaublich viele neue Möglichkeiten, und genau das ist eines ihrer grössten Probleme. Und so klagen viele Unternehmen weiterhin über ein stockendes Vorangehen der internen Digitalisierungsprozesse.
Die richtige Software auszuwählen, ist zwar ein wichtiger Bestandteil in diesem Transformationsprozess. Doch damit die digitale Implementierung gelingt, müssen selbstredend alle zentralen unternehmensspezifischen Massnahmen und deren Umfang in die Kosten-Nutzen-Rechnung mit einfliessen. KPIs und Roadmaps für etwas zu erstellen, von dem man selber nur begrenztes Know-how hat, ist ein schwieriges Unterfangen. Sind die Optimierungspotenziale aber korrekt beziffert, lassen sich individuelle Massnahmen und deren Umfang sehr viel einfacher bestimmen.
Es empfiehlt sich deshalb, zuerst einen Schritt zurück zu machen, um das grosse Ganze zu sehen und die Verbesserungspotenziale zu erkennen, bevor man die grossen Schritte vorwärts in Richtung Digital macht. Wer seine Prozesse hinterfragt, hat schon viel richtig gemacht.
Doch vergessen Sie den Faktor Mensch nicht! Beziehen Sie Ihre Mitarbeitenden mit ein. Wenn Altbewährtes plötzlich durch digitales Neues ersetzt werden soll, bringt das meist einschneidende Veränderungen mit sich, was nicht selten auf Widerstand in den eigenen Reihen stösst.
Gerade Projekte mit besonders grossem Optimierungspotenzial betreffen selten nur den Einkauf, sondern auch andere Unternehmensprozesse. Deshalb müssen sie abteilungsübergreifend umgesetzt werden. Der Nutzen des Transformationsprozesses sollte deshalb klar von der Unternehmensführung kommuniziert und vorab Change-Prozesse geplant, definiert und kommuniziert werden.
Gemeinsam erfolgreich
Als Beispiel hat das Schweizer Unternehmen Bachem AG zusammen mit uns während der Coronapandemie im Jahr 2020 ihre Prozesse in der Beschaffung und in der Rechnungsabwicklung digitalisiert. Bachem hatte das Problem eines zu hohen Maverick-Spend, Beschaffungsprozesse waren nicht digitalisiert und Lieferanten wurden technisch nicht integriert. Die Vorfreude auf ein User-freundliches System war gross.
Nun läuft der gesamte Einkauf für indirekte Materialien über die Software SAP Ariba. Alles, was bisher manuell beziehungsweise auf Papier abgewickelt werden musste, kann nun elektronisch verwaltet werden. Dadurch wurden Compliance und Kostentransparenz erhöht. Durch implementierte Kataloge konnten volle Transparenz und mehr Kontrolle erreicht und Risiken minimiert werden. Trotz einer restriktiven Timeline aufgrund von Urlaubszeit – in der Lieferanten nur schwer erreichbar waren – war eine rasche und reibungslose digitale Transformation möglich.
Wir begleiteten Bachem anhand der SAP-Activate-Methode und dem SNAP Guidebook durch den gesamten Prozess. In nur 6 Monaten wurde das gesamte Projekt umgesetzt und resultierte in einer Reduktion des Prozessaufwandes um 75 Prozent.
In Vorbereitung auf das Projekt wurden User-Requirements seitens Bachem im Vorhinein im Zuge einer Bachelorarbeit erarbeitet und spezifiziert, wodurch die Anforderungen von Anfang an klar definiert waren und somit massgeblich Zeit eingespart werden konnte.
Change-Management wurde grossgeschrieben. Bachem hat die End- und die Key-User mithilfe von Intranet, Newslettern und «How-to-Do»-Handbüchern gleich zu Beginn abgeholt und somit frühzeitig in den Prozess integriert. Das Management war im Steering Committee immer mit eingebunden und dadurch immer über den aktuellen Stand informiert. Agiles Projektmanagement, klare Kommunikation und Vorfreude beider Seiten auf das Endprodukt haben erheblich zum Erfolg des Projekts beigetragen.
Tipps für Ihr Digitalisierungsprojekt
Unsere top 4 Ratschläge, die wir aus unseren Projekten mitnehmen konnten:
- Anforderungen definieren. Analysieren Sie zu Beginn die Kernprobleme Ihres Einkaufs und definieren Sie aufgrund dessen klare Anforderungen.
- Entscheidungsbereitschaft. Wer zu lange überlegt und zögert, «verpasst den Steilpass». Die Projektleitung der Bachem AG traf Entscheidungen schnell und bedacht und konfrontierte die Lieferanten mit klaren Anforderungen.
- Offenheit für Veränderung. Die Bereitschaft für veränderte Prozesse im Unternehmen ist Voraussetzung. Vorfreude auf ein neues und benutzerfreundlicheres System treibt jedoch das gesamte Projekt erst richtig voran.
- Communication is the key. Effiziente interne sowie externe Kommunikation ermöglichen einen reibungslosen Informationsfluss. Binden Sie alle Beteiligten frühzeitig in den Prozess mit ein.
Wer also konsequent richtig digitalisiert, der kann seinen gesamten Einkaufsprozess von der Anforderung bis zur Zahlung vereinfachen. Dazu gehört nicht nur, die passende Software zu finden, sondern das grosse Ganze zu betrachten, aktuelle Probleme zu erkennen und gezielt Anforderungen zu definieren.
Patrick Sommer
Der Autor hat sein Studium der Wirtschaftsinformatik an der TU Wien absolviert. Seit 2012 ist er bei CNT Management Consulting tätig und am neu gegründeten Standort in Zürich Head of Consulting. Im Projekt mit dem Kunden Bachem AG war er Projektleiter seitens der CNT.