Wenn die Firma und nicht das Produkt zur Marke wird
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Im Detailhandel ist der Kontakt und die Betreuung von relevanten Schlüsselpersonen im Entscheidungsprozess vielfach deutlich wichtiger als z.B. das Markenimage oder das Preis-Leistungs-Verhältnis eines Produktes (vgl. Schäfer, 2010). Daraus kann geschlossen werden, dass viele Kunden nach wie vor grossen Wert auf einen entsprechenden Support, Beratung und Serviceleistungen legen, wobei das Markenimage bei vielen Produkten kaum bis gar nicht zum Tragen kommt.
Ist es denn tatsächlich so, dass die Marke der Produkte und deren Image in diesem Fall wenig bis gar nicht relevant ist?
Als Beispiel für den Umgang mit fehlenden Marken wurde die Firma JOHO Baukeramik GmbH im Rahmen einer Masterarbeit untersucht. Die Firma in Bremgarten ist als Kleinunternehmen im Baukeramikmarkt tätig, welches aufgrund seiner Marktnähe und Beratungskompetenz seit über 30 Jahren erfolgreich im Markt unterwegs ist.
Als Kunde kommen einem bei der Auswahl von keramischen Bodenbelägen nicht unbedingt als erstes die gängigsten Marken in den Sinn. Wenn die stolzen Hausbesitzer nach den schönen Platten in der Stube gefragt werden, werden diese nicht antworten: «dies ist eine Ariostea Basaltina antracite 60x60». Er wird eher sagen «die Platte ist von JOHO». Dies löst im Beschaffungsmanagement den Druck aus, das Sortiment sowohl nach Ästhetik wie auch Preis- Leistung zu beschaffen und weniger nach Merkmalen einer entsprechenden Markenwelt Ausschau zu halten. Es liegt dann am Verkauf und Vertrieb durch geschickte Kombination eine solche Welt für die Kunden zu schaffen.
Dies bietet für den Detailhandel die Chance in die Bresche zu springen und sich selber quasi als Marke zu positionieren; die Ware wird aufgrund der Markenabwesenheit als Produkt des Einzelhändlers wahrgenommen. Bei vielen Produkten wie zum Beispiel dem Mikroprozessor in einem Computer oder Wasserleitungen welche in der Wand verbaut werden, sind die Hersteller und Marken nur in den wenigsten Fällen für die Laien sichtbar.
Aufgrund einer Befragung bei Experten und Kunden ist erkennbar, dass das Schaffen einer eigenen Marke als Einzelhändler mittels wertvollen Erfahrungen der Mitarbeitenden gelingen kann. Die Beratung der Kunden die daraus folgt ist zudem ein wesentlicher Beitrag zum Kundenerlebnis und muss unter allen Umständen erhalten und gepflegt werden.
Durch dieses Alleinstellungsmerkmal, – vielleicht auch auf eine Region eingeschränkt – differenziert sich die Unternehmung von den Mitbewerbern. Das Ausschöpfen der Erfahrung in Form einer guten Beratung und Serviceleistungen ist primär der ausschlaggebende Punkt sich eine eigene Marke und, damit verbunden, ein positiver Auftritt zu verschaffen. Insbesondere dann, wenn die Marke der Produkte nicht über einen hohen Bekanntheitsgrad verfügen und auch nicht erkennbar sind.
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Eine grosse Frage stellt sich im Hinblick darauf, wie nun ein solcher «Markenwert» in monetärem Erfolg ausgewiesen werden kann. Aus der Theorie kann abgeleitet werden, dass mit einer exzellenten Beratung, zu einem grossen Teil durch Mund-zu-Mund-Propaganda, neue Kunden gewonnen werden können. Weiter kann gefolgert werden, dass die Erfolgsquote für einen Geschäftsabschluss durch eine gute Beratung um einiges gesteigert werden kann. Diese Werte in monetärem Erfolg auszudrücken ist nach wie vor äusserst schwierig.
Nur wenige Hersteller, deren Produkte visuell nicht erkennbar sind oder zu wenig Fläche für den Aufdruck eines Logos aufweisen, stellen sich den Herausforderungen eine Marke zu etablieren. Geberit als Beispiel hat es geschafft, obwohl visuell nicht erkennbar, sich einen Namen mit ihren Produkten zu verschaffen. Dies über die Kundengruppe der Sanitärinstallateure welche von Geberit beraten und in der Verwendung der Produkte geschult werden. In der Vergangenheit schaffte es beispielsweise auch Intel, der bekannte Chiphersteller, sich mit dem Slogan «Intel inside» als Marke zu positionieren.
Für viele weitere Produkte bietet sich dem Detaillhandel eine grosse Chance sich mit hochstehender Beratung bei den Kunden einen immateriellen Mehrwert zu schaffen und sich selber als Marke zu positionieren.
Quellenverzeichnis:
Schäfer, A. (2010). Bauzulieferer-Industrie, Quo Vadis? Herausforderungen und Handlungsoptionen. Düsseldorf: Partner OC&C Strategy Consultants.
Michael Fuchs
Der Geschäftsführer von Fuchs Development ist Dozent bei procure.ch. Michael Fuchs hatte Einblick in nahezu alle Bereiche der industriellen Lebensmittelherstellung, Supply Chain Management, Logistik, Planung und insbesondere in der Ausarbeitung und Umsetzung von weiterführenden und begleitenden Geschäftsprozessen.