Warum der 3-D-Druck den globalen Einkauf verändert

Warum der 3-D-Druck den globalen Einkauf verändert

Publiziert am Autor: Michelle Flück

Vorbei sind die Zeiten, als Schuhe von Hand gefertigt wurden. Inzwischen setzen Sportschuhhersteller immer häufiger auf 3-D-Drucker. Das bringt beachtliche Konsequenzen für den Einkauf mit sich, denn die Machtdominanz verlagert sich zu den Zulieferern, wie Michelle Flück am Beispiel des Weltmarktführers Nike aufzeigt.

Ob ein Unternehmen heute erfolgreich ist, hängt auch davon ab, wie gut es gelingt, das richtige Produkt zum richtigen Zeitpunkt und Preis auf den Markt zu bringen. Game Changer wie die additive Fertigung eröffnen neue Markpotenziale, verändern die industrielle Produktion und definieren deshalb auch die Spielregeln oder gar die gesamten Rahmenbedingungen in Einkauf und Beschaffung neu (Strukturen, Prozesse und Managementpraktiken).

Diesen Entwicklungen können sich selbst internationale Sportschuhhersteller nicht verschliessen. Auch der in Portland, Oregon, ansässige Weltmarktführer Nike nicht. Das Unternehmen hat das erste 3-D-gedruckte Textilobermaterial «Flyprint» zur Marktreife gebracht. Nike setzt dabei auf TPU-Filamente, die in mehreren Schichten entstehen. TPU steht für thermoplastisches Polyurethan, ein Kunststoff. Die daraus entworfenen Schuhe sind atmungsaktiv, bieten weniger Reibungswiderstand und sind wasserabweisend. Grundsätzlich funktioniert die Herstellung des Materials wie bei jedem 3-D-Drucker. Ein TPU-Faden wird von einer Spule abgewickelt, geschmolzen und in verschiedenen Lagen aufeinandergelegt. Dadurch, dass das Plastik weich ist, halten die Verbindungen sofort.

Einfluss auf die globale Einkaufsstrategie

Meist fokussieren sich Studien und Fachartikel auf die technischen Vor- und Nachteile des 3-D-Drucks. Eher selten wird dessen Einfluss auf die globale Einkaufsstrategie betrachtet. In einem vierstufigen Ausblick zeige ich auf, wie sich die Beziehung zwischen Nike und seinen Lieferanten verändern wird, wie die globale Machtverteilung neu erfolgen wird und wie sich die Supply Chain dementsprechend wandeln wird.

Stufe 1: traditionelle Fertigung

Die traditionelle, meist manuelle Produktion von Sportschuhen, vorwiegend in Niedriglohnländern, wie sie heute bekannt ist, führt heute zu hohem Profit für Nike. Gleichzeitig besteht aber auch ein geringeres Beschaffungsrisiko, da Nike mehrere unabhängige Hersteller hat, die ihrerseits viele Lieferanten haben. Wenn ein Hersteller nicht wie gewünscht liefert, ist es nicht schwierig, auf einen neuen Lieferanten umzusteigen.

Dies führt zu einer deutlichen Käuferdominanz, die Nike ausnützt, indem Nike einen Verhaltenskodex für alle seine Auftragnehmer und ihre jeweiligen Lieferanten durchsetzt. Trotzdem setzt Nike jedoch auch auf eine strategische Partnerschaft und hilft deren Produktionsprozesse zu verbessern. Customization ist jedoch nicht möglich, was zunehmend zum Problem wird.

Stufe 2: Prototyping mittels 3-D-Druck

Auf Stufe 2 experimentiert Nike mit Materialien und verschiedenen Technologien. Da eine Grossserienproduktion noch nicht möglich ist, wird der 3-D-Druck hauptsächlich für das Prototyping eingesetzt, womit die Entwicklungszeit verkürzt und die Markteinführung beschleunigt wird. Für Nike würde es jedoch zu viele Ressourcen erfordern, alle erforderlichen Kompetenzen für die Herstellung eines 3-D-Druckers und die dazugehörenden Rohmaterialien zu entwickeln, weshalb starke Partnerschaften mit 3-D-Drucker- und Rohstofflieferanten aufgebaut werden müssen. Obwohl erst im Prototyping gebraucht, gibt es für die Zukunft ein sehr grosses Potenzial und dementsprechend einen Wettlauf um das geistige Eigentum an neuen Innova­tionen. Nike ist dementsprechend neu einer Lieferantendominanz unterlegen. Daher muss Nike strategische Beziehungen mit kooperativer Forschung und Entwicklung eingehen, mit dem Ziel, einen First-Mover-Vorsprung gegenüber den Mitbewerbern zu erlangen.

Stufe 3: grossflächiger 3-D-Druck

Auf Stufe 2 war die traditionelle Fertigung noch entscheidend für den Erfolg des Unternehmens, dies ist auf Stufe 3 nicht mehr der Fall. Der 3-D-Druck wird nun kundenspezifische Schuhe einfach drucken können. Es ist davon auszugehen, dass mit Innovationen die Preise für Materialien und Drucker sinken und mehr Anbieter auf den Markt kommen. Allerdings wird es wahrscheinlich immer noch nur wenige Unternehmen geben, die 3-D-Drucker mit den entsprechenden Anforderungen liefern können. Folglich, ist ein Leasingvertrag der Drucker, in dem Lieferanten für die Wartung verantwortlich sind, wahrscheinlich, was zu einer Lieferantenabhängigkeit führt. Andererseits, während es früher schwierig war, die Nachfrage der Schuhe zu prognostizieren, müssen auf dieser Stufe nur die benötigten Rohstoffe vorhergesagt werden. Da alle Rohstoffe von einigen wenigen Lieferanten in grossen Mengen bezogen werden können, wird Nike eine Käuferdominanz über diese Lieferanten haben.

Stufe 4: Kunde als Mikrohersteller

Sobald das 3-D-Drucken so weit verbreitet ist, dass die Kunden zu Hause einen eigenen 3-D-Drucker besitzen und die Drucker jedes erdenkliche Objekt drucken können, benötigt Nike keine Produktionsstätten mehr und ist nicht mehr für die Beschaffung von Rohstoffen und Druckern verantwortlich. Zu diesem Zeitpunkt wird der Einkauf für Nike von geringerer Bedeutung sein, denn Nike wird nur noch die digitale Datei des Schuhs, die als Vorlage fürs Selbstdrucken dient, an den Kunden verkaufen.

Fazit

Je nach Stufe sind neue Lieferanten von Bedeutung, wobei sich das Machtverhältnis von einer Käufermacht zu einer hohen Lieferantenmacht und zurück zu einem Mix aus Käufer- und Lieferantenmacht entwickelt. Wenn die Technologie so weit fortgeschritten ist, dass die Verbraucher ihren eigenen 3-D-Drucker besitzen, wird die Beschaffung, wie sie heute bekannt ist, für Nike oder ein anderes Unternehmen jedoch nicht mehr relevant sein.

Michelle Flück

Die Autorin ist Studentin im Master Management-Business Analytics an der HEC Lausanne. Der Artikel ist eine Zusammenfassung des Papers «How 3D printing changes the sourcing activities of an athletic footwear company», verfasst im November 2018 an der Copenhagen Business School.