Value Co-Creation im Einkauf: Darauf kommt es an

Value Co-Creation im Einkauf: Darauf kommt es an

Publiziert am Autor: Rony Meier, Axel Thoma

Vom Supply Chain Management wird zu Recht erwartet, dass es gemeinsam mit Lieferanten Mehrwert schafft. Worauf es dabei ankommt – von der Definition von Value über die Partnerwahl und Förderung der Kooperation bis hin zum Wandel im Mindset – zeigt das Beispiel Hoval.

Die Erwartungen an das Supply Chain Management (SCM) steigen. Strategisch und wertschöpfend soll es agieren und die Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens verbessern. Procter & Gamble beispielsweise hat sich zum Ziel gesetzt, mindestens 
50 Prozent der Innovation aus der Zusammenarbeit mit strategischen Lieferanten zu erzielen. 

Die Hoval Gruppe, Komplettanbieter in den Bereichen Heizen, Kühlen und Lüften, ist eines dieser Unternehmen, das erfolgreich den Wandel von einem rein transaktionalen hin zu einem kooperativen, Mehrwert schaffenden SCM vollzogen haben. 

Value umfassend betrachten

Voraussetzung für das Schaffen von Mehrwert ist eine ganzheitliche, präzise und messbare Definition von «Value». Denn Value ist vielschichtig und Attribute wie Preis oder Qualität greifen zu kurz. Hoval hat sich dazu gefragt, wie das eigene SCM die Unternehmensstrategie unterstützen kann. 

Das Ergebnis sind acht Wertreiber (Logistik-Performance, Materialkosten, Prozesskosten, Produktqualität, Innovation, Risikoexposition, eingesetztes Kapital, Lieferantenbasis), jeweils mit Key-Performance-Indikatoren abgestützt, auf deren Basis das Hoval SCM agiert. Dieses klare Verständnis von Value ermöglicht es Hoval, zielgerichtet potenzielle Partner zu suchen, um Mehrwert zu schaffen. Im Gespräch mit diesen können die jeweiligen Wertetreiber besprochen und Ansätze zur Kooperation identifiziert werden.

Die richtigen Partner wählen

Hoval hat die Erfahrung gemacht, dass bei der Wahl des richtigen Partners für Value Co-Creation nicht die Grösse des Lieferanten oder des Geschäfts, sondern das gemeinsame Verstehen, Können und Wollen ausschlaggebend sind. 

Im Lieferantenportfolio zeichnen sich «Strategische Partner» durch eine «Value Stream Orientation» aus, bei welcher der Endkunde und die gemeinsame Lösung zu dessen Bedürfniserfüllung im Vordergrund stehen. Im Unterschied dazu werden «Bevorzugte Lieferanten» tief in die Supply Chain integriert und Produkte ab Pflichtenheft entwickelt. 

Entsprechend dem Portfolio und Kooperationsgrad setzt Hoval unterschiedlich viele Ressourcen zur Entwicklung der Geschäftsbeziehung und Projekte ein. Damit das Lieferantenportfolio nicht eine einseitige Absichtserklärung ist, beurteilt das SCM sich selbst regelmässig aus der Perspektive der Lieferanten mit diesen drei Fragen: Erstens, wie attraktiv ist Hoval als Partner? Zweitens, wie überzeugend ist der gemeinsame Business Case? Drittens, welche Risiken gehe ich in diesem Geschäft (Business Case) mit Hoval ein?

Kollaboration gezielt fördern

Value Co-Creation bedarf kollaborativer Exzellenz. Diese beginnt intern bei der Arbeit im Team und über funktionale und geografische Bereiche hinweg. Konkret bedeutet das, dass die Teams die Business-Prozesse und die Werttreiber verstehen und ein natürliches Verständnis dafür entwickeln, dass kurzfristig opportunistisches Beschaffungsverhalten strategisch nachhaltigen Volumeneffekten und Kostensenkungen entgegenstehen kann.

Sind das beschaffungsinterne Verständnis und die wertgetriebene Zusammenarbeit gereift, gilt es, den «Fit» mit den potenziellen Partnern abzugleichen. Hoval setzt dabei auf ein dreistufiges Template für strategische Kooperationen. Im ersten Schritt werden die Wertetreiber, sowohl für Hoval («was ist für uns wichtig») als auch für den Anbieter («was ist für ihn wichtig») erfasst. Gleiches gilt für die Grenzen und Restriktionen; wann sagen wir als Hoval Nein, wann sagt der Anbieter Nein. Im zweiten Schritt folgt die Definition einer gemeinsamen Kooperations- und Vorwärtsstrategie mit realistischen, messbaren Zielen. Der dritte und letzte Schritt betrifft proaktive Massnahmen, um die Geschäftsbeziehung, das Vertrauen und die Kooperation längerfristig gesund und damit aufrechtzuerhalten. Denn es ist vergleichsweise einfach, eine Kooperation zu starten, aber herausfordernd, diese über die Zeit zu pflegen und zu erhalten.

Ein wichtiges Element dazu ist das Performance Management. Hoval führt mit ausgewählten «Strategischen Partnern» ein täglich aktualisiertes Performance Cockpit, das durch eine gemeinsame Issue-Management-Plattform (JIRA) und eine Wissensplattform (Business-Wiki) ergänzt wird. Anlässlich regelmässiger Management-Meetings werden Projekte, Erfolge, Abweichungen und neue Geschäfte besprochen und, wenn nötig, Massnahmen beschlossen.

Beim Mindset ansetzen

Die Entwicklung bei Hoval von einem rein transaktionalen hin zu einem kooperativen, Mehrwert schaffenden SCM fusst auf drei Überzeugungen.

Die Eigenperspektive verlassen: Erst der Blick auf das gesamte Wertschöpfungssystem über interne und externe Organisationsgrenzen hinweg offenbart Möglichkeiten, um zusätzlichen Mehrwert zu schaffen.

Als strategischer Investor handeln: Die kurzfristige, einseitige Profitmaximierung steht nachhaltig Mehrwert schaffenden Partnerschaften im Weg. Es gilt, die richtige Balance zwischen einerseits dem Investieren in «Strategische Partner» und andererseits in die eigene Innovation unter Einbezug bevorzugter Lieferanten zu finden.

Keine falschen Kompromisse: «Win-Win» als Zielbild verleitet oft zu suboptimalen Kompromissen und damit Ergebnissen. Das Ziel von Value Co-Creation ist nicht ein 50/50-Split der Benefits (jeder bekommt ein bisschen mehr), sondern eine massgeblich gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit der Partner in ihrer Kombination. 

Rony Meier

Dipl. Ing. ETH, eMBA HTW, Leiter Einkauf/Logistik Hoval Gruppe; davor bei Hilti und ThyssenKrupp Presta.

Axel Thoma

Dr. oec. HSG, Lehrbeauftragter für Betriebswirtschaftslehre, Universität St. Gallen.

Checkliste

Werttreiber bei Hoval (Performance Cockpit)

Das Hoval SCM agiert auf Basis von acht Werttreibern. Dabei werden diese  entweder über effektive Messgrössen als KPIs definiert und/oder qualitativ über die Messung der Problemlösungsfähigkeit, der Innovationskraft (im Sinne von durchschlagenden Verbesserungs-Ideen) sowie der Nachhaltigkeit der umzusetzenden Massnahmen beurteilt.

  1. Logistik Performance:
    • Wie gut ist die Leistung, um dem Kunden (intern wie extern) die Produkte in der richtigen Zeit, am richtigen Ort, in der richtigen Menge und richtigen Qualität zur Verfügung zu stellen?
  2. Produkt Qualitäts-Performance:
    • Welche Massnahmen wurden ergriffen, um die Qualität der Produkte abzusichern und wie nachhaltig wurden diese implementiert?
    • Welche Handlungsfelder wurden in den letzten Monaten identifiziert und wie wurden die Lessons Learned zu den richtigen Personen transferiert?
  3. Innovation:
    • Wie gross ist die Leistung, die gemeinsame Innovationskraft in wettbewerbsfähige Lösungen umzusetzen?
    • Wie viele durchschlagende Ideen wurden entwickelt, wie viele umgesetzt?
    • Welcher Mehrwert ist dabei entstanden?
    • Die Innovationskraft ist dabei nicht nur in den Kunden-Produkten und -Lösungen zu suchen, sondern auch ganz speziell in den Fertigungstechnologien, welche dann wiederum eine Optimierung der Produkte erst erlauben.
  4. Materialkosten:
    • Welche Massnahmen wurden identifiziert, um die Wettbewerbsfähigkeit der Preise sicherzustellen?
    • Wie sieht der Umsetzungsgrad dieser Massnahmen aus und welche Einsparungen wurden dabei erzielt?
  5. Prozesskosten (Operational Excellence):
    • Wie durchgängig, schlank und effizient sind die gemeinsamen Prozesse?
    • Wo entstehen Reibungsverluste, Fehler und Mehraufwände?
    • Wie hoch ist der Automatisierungsgrad?
  6. Eingesetztes Kapital:  Als Basis für die Performance im Bereich des eingesetzten Kapitals dient die Erarbeitung des gemeinsamen Logistik-Konzeptes. Daraus ergeben sich folgende Kernfragen:
    • Wie hoch ist der Umsetzungsgrad des Logistik-Konzeptes, damit eine nahtlose Versorgung bei optimalem Produktionsablauf und minimaler Lagerhaltung gewährleistet werden kann?
    • Wie ist der Umgang mit Varianten, wie kann die Komplexität minimiert werden?
    • Wie konsequent wird der Ein- und Auslauf der Produkte durchgeführt?
    • Beurteilung der Investitionen in Werkzeuge und Anlagen
  7. Risikoexposition:
    • Als Basis zur Beurteilung des Risikos dient das Lieferanten Audit-Wesen, der Code-of-Conduct sowie die regelmässige, gemeinsame Beurteilung der Wirtschaftslage, der externen Einflüsse sowie von Versorgungsrisiken durch Lieferanten und Unterlieferanten.
    • Alle Risiken werden in einer Risiko-Matrix zusammengefasst und ja nach Risiko-Klasse mit Massnahmen versehen. ​​​​​​​
  8. Performance der Lieferantenbasis: Zu diesem Werttreiber gibt es zwei Dimensionen:
    1. Beurteilung der Performance aller Top-Lieferanten zueinander (Geschäftsorientierung vs. Umsetzungsgrad der Werttreiber).
    2. Beurteilung der einzelnen Partnerschaften im Hinblick auf Strategie, Führung und Zusammenarbeit. Dabei wird auch Review über die oben genannten sieben Werttreiber gehalten und Schlussfolgerungen zu Führung und Zusammenarbeit gezogen. Damit schliesst sich der Kreis der immerwährenden Verbesserungen zu einer Kooperation, welche durch Führung und gegenseitigen Respekt gekennzeichnet ist und nachhaltig Werte generiert.