Trotz Corona – erfolgreicher Export dank smartem Import

Trotz Corona – erfolgreicher Export dank smartem Import

Publiziert am Autor: Fabienne-Alexia Müller, Kaspar Engeli

Für die Schweiz sind die grenzüberschreitenden Handelsflüsse überlebenswichtig. Der Import ist dabei ebenso entscheidend wie der oft diskutierte Export. Denn dem Grossteil an exportierten Produkten geht der Import von Produktionsmitteln voraus. Handel Schweiz und SIPPO haben in einer repräsentativen Umfrage bei über 200 Handelsunternehmungen wichtige Parameter beim Import ermittelt.

Stabile Lieferketten sind auch im Schweizer Handel zentral. Im Lichte der Digitalisierung werden Beschaffungsketten immer effizienter, Schnittstellen entfallen und werden smart. 

Doch globale Lieferketten bleiben verwundbar. Dies hat uns die Coronakrise deutlich aufgezeigt. Trotz zunehmend digitalen Tools kam es in einigen Sektoren zu Lieferengpässen. Während die Lieferketten im Textilsektor praktisch stillstanden und in der Tourismusbranche gar komplett zum Erliegen kamen, boomte im Foodsektor die Nachfrage nach «gesunden» und nachhaltig produzierten Lebensmitteln. 
Dabei sahen sich Importunternehmen mit der Beschaffung von neuen Produkten auf rein virtuellem Weg konfrontiert. In diesem Ausmass unterwartete plötzliche ökonomische und politische Veränderungen stellten in der Schweiz ansässige Unternehmen sowie deren Entscheidungsträger vor neue unternehmerische Herausforderungen.

Was beschäftigt den Schweizer Import? 

Handel Schweiz, der Dachverband des Schweizer Handels, und SIPPO (Swiss Import Promotion Programm) – eine Initiative des SECO, die ein nachhaltiges und integratives Wirtschaftswachstums und die Einbindung der SIPPO-Partnerländer in den Welthandel anstrebt – wollten genauer wissen, wie die Beschaffung konkret abgewickelt wird und welche Rolle die Nachhaltigkeit dabei spielt. Sie lancierten deshalb zwischen Mitte Mai und Mitte Juni dieses Jahres eine Umfrage mit dem Ziel, die aktuellen Herausforderungen und die daraus möglichen Handlungs-
felder zu identifizieren und Themen und zukünftige Fördermassnahmen für den Import auf einer stabilen Faktengrundlage zu entwickeln. 

Dass die Umfrage schliesslich mitten in die Coronakrise fiel, verleiht ihr zusätzliche Relevanz. Der gute Rücklauf und die breite Verteilung der Teilnehmenden auf Branchen und Unternehmensgrössen erlaubt eine Analyse im Sinne einer repräsentativen Umfrage. Über 70 Prozent der Befragten gaben an, dass sie von der Pandemie betroffen sind und deren Auswirkungen vor allem in der Produktion und der Logistik spürbar sind. Betroffen waren hauptsächlich der asiatische Markt sowie der Handel mit den umliegenden Nachbarländern der Schweiz. 68 Prozent der 208 antwortenden Unternehmen beschäftigen weniger als 50 Mitarbeitende, 18 Prozent haben bis 250 Mitarbeitende und 14 Prozent sind Grossunternehmen. Rund die Hälfte der Befragten erwirtschaften einen Umsatz von weniger als 
10 Millionen Franken, knapp ein Drittel setzen bis zu 50 Millionen Franken jährlich um. Fast 60 Prozent der Umsätze entfallen auf den Grosshandel, 16 Prozent auf den Detailhandel und 11 Prozent auf den Dienstleistungsbereich. 

Unterschiedliche Beschaffungskanäle

Bezüglich der Nutzung von unterschiedlichen grenzüberschreitenden Beschaffungskanälen gibt es eindeutige Unterschiede. Informationen über bestehende und neue Produkte werden in erster Linie online beschafft. Besonders für Lebensmittel spielen Fachmessen und Beschaffungsreisen eine Rolle, während Ausschreibungen vor allem bei der Beschaffung von Bauprodukten von Bedeutung sind. Börsen und Auktionen scheinen weniger relevant zu sein. 

Drei Viertel des Schweizer Einkaufs, insbesondere die meisten Kleinst- und Kleinhändler, beziehen ihre Rohstoffe, Halbfabrikate, Produkte und Dienstleistungen im Ausland direkt bei den Produzenten. Von dem Viertel der indirekten Beschaffungen über Zwischenhändler fallen überdurchschnittliche 32 Prozent auf Beschaffungen in der Schweiz. Für die Beschaffung ausserhalb der Schweiz stützt sich der Schweizer Import, wenn überhaupt, auf private Dienstleister in den Bereichen Beratung und Logistik. Vor allem grössere Unternehmen suchen auch Unterstützung beim Branchenverband oder Handel Schweiz. 

Interessanterweise gaben die Befragten an, dass sie zu 18 Prozent aus sogenannten «Risikoländern» einkaufen – aus Ländern also, mit denen SIPPO zusammenarbeitet. Um das Risiko der Beschaffung im Ausland zu minimieren, verlässt sich der Import (unabhängig von der Grösse eines Unternehmens und vom Handelsbereich) stark auf die Empfehlungen Dritter. 

Dass die Transparenz und Integrität der Lieferketten als zweitwichtigstes Kriterium genannt wird, zeigt auf, dass bereits wichtige Schritte in Richtung nachhaltige Beschaffungsketten unternommen wurden. Weitere wichtige Kriterien beim grenzüberschreitenden Einkauf sind bestehende Freihandelsabkommen, Kultur und Sprache sowie das unternehmerische Risiko des Ursprungslandes. Bei Grosshändlern fallen zusätzlich die Transaktionskosten ins Gewicht, aber über alle Gruppen hinweg ist bemerkenswert, dass die Kriterien Lieferzeit, Verfügbarkeit und Preis für den Geschäftsentscheid von geringerer Bedeutung sind. 

Während die Transparenz der Lieferketten also offensichtlich eine wichtige Rolle spielt, äussern nur 36 Prozent der Befragten, dass sie einen Bedarf an Nachhaltigkeitszertifikaten haben. Laut der Umfrage zeigen am ehesten die Kleinunternehmen eine Bereitschaft, die Kosten für solche Nachweise zu übernehmen, wobei diese höchstens 2,7 Prozent der Marge betragen dürfen (bei Grossunternehmen liegt die Grenze bei 1,9 Prozent).

Mehr als ein Drittel der befragten Handelsunternehmen sieht ein Potenzial in der besseren brancheninternen Zusammenarbeit – ausgeprägter im Bereich Lebensmittel als im Bereich Konsumgüter. Dies könnte Vorteile bei Volumen, Kosten und Preis zur Folge haben.

Kontinuität der Faktenerhebung

Nach den Plänen von Handel Schweiz und SIPPO soll diese Beschaffungsumfrage künftig jährlich durchgeführt werden, um das Thema systematisch verfolgen und vertiefen zu können. Über einen längeren Zeitraum kristallisieren sich Tendenzen heraus, die es ermöglichen, griffige Fördermassnahmen zu ergreifen und konkrete Empfehlungen abzugeben. Denkbar ist auch die Einbindung von weiteren Partnern sowie die thematische Verbindung zum jährlichen SIPPO-Import-Forum. 

Fabienne-Alexia Müller

Die SIPPO-Programmdirektorin arbeitet seit sieben Jahren für das vom SECO finanzierte Entwicklungsprogramm. Als etabliertes Handelsförderinstrument der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Entwicklung der Schweiz fördert es sechs Sektoren in elf Entwicklungs- und Transitionsländern. 

Kaspar Engeli

Der Fürsprecher ist seit 1994 in verschiedenen Handelsverbänden tätig, unter anderem im Stahl- und Metallhandel sowie im Bereich Baumaschinen. Seit 2006 ist er Direktor von Handel Schweiz. Dem Dachverband des Handels gehören 33 Branchenverbände mit insgesamt 3700 Unternehmen an.