Studie: wie Einkäufer «Sprints» gewinnen

Studie: wie Einkäufer «Sprints» gewinnen

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Agile Methoden wie Scrum, IT-Kanban und Design Thinking sind in immer mehr Unternehmen bereits gängige Praxis. Die Hochschule Koblenz und Heupel Consultants haben untersucht, wie Einkaufsbereiche mit diesen Herausforderungen umgehen und wo Handlungsfelder, Chancen und Herausforderungen liegen.

Agile Methoden gewinnen in den Unternehmen zunehmend an Bedeutung. Nicht nur in der IT-Entwicklung spielen Methoden wie Scrum, IT-Kanban und Design Thinking eine immer gewichtigere Rolle.
Vor dem Hintergrund der Herausforderungen und Chancen durch Digitalisierung, Globalisierung und Industrie 4.0 wird sich diese Entwicklung weiter verstärken. Gleichzeitig führen verschiedene Prinzipien wie rollierende Planung (Sprint Planning), Auslieferung von Inkrementen (potentially deliverable products) und selbst organisierte Teams zu neuen optimalen Konstellationen, die sich nicht ohne Weiteres mit den tradierten Ansätzen des Einkaufs berücksichtigen lassen (beispielsweise Festpreisproblematik, Werkvertrag).

Relevanz agiler Methoden ist erkannt

Verbreitung und Nutzen agiler Methoden werden seit Jahren wissenschaftlich untersucht. Doch ihr Einfluss auf den Einkauf war bisher nicht Gegenstand einer Studie. Ayelt Komus, Professor an der Hochschule Koblenz, und Heupel Consultants Schweiz nahmen sich der Thematik im Herbst 2016 an. Mittels einer Umfrage untersuchten sie, wie Einkaufsbereiche mit diesen Herausforderungen umgehen und wo Handlungsfelder, Chancen und Herausforderungen gesehen werden.
Als Studienteilnehmer wurden gezielt Fachvertreter des Einkaufs angesprochen. Insgesamt nahmen 160 Personen an der Umfrage teil. Hieraus ergaben sich 50 für die Studie auswertbare Datensätze. Überraschend ist, dass die angenommene zukünftige Bedeutung und die Einschätzung der eigenen «Readyness» stark auseinandergehen.

Wenig Akzeptanz für Veränderungen

Knapp drei Viertel der Befragten erwarten bei der Anwendung agiler Methoden grundlegende Veränderungen für den Einkauf. Mehr als 85 Prozent der Befragten sehen sich als Einkäufer bezüglich agiler Methoden nicht gut aufgestellt. Die «Akzeptanz der Veränderungen bei den Mitarbeitern im Einkauf» wird von den Teilnehmern als die grösste Herausforderung bei der Weiterentwicklung des Einkaufs wahrgenommen.

Die Teilnehmer erwarten bei der «Abstimmung mit den Fachabteilungen» die weitreichendsten Veränderungen. In Bereichen, die Bezug zur Software- oder Produktentwicklung haben, werden dabei die stärksten Auswirkungen erwartet. Für mehr als 60 Prozent der Befragten gleichen sich die Veränderungen und Herausforderungen von Industrie 4.0 und agilen Methoden. Doch nur 6 Prozent der Befragten setzen sich derzeit aktiv und konstruktiv mit den Veränderungen durch agile Methoden auseinander.

Verstehen und Profitieren

Verständnis und Umgang mit agilen Methoden stehen im Einkauf noch am Anfang. Die Initiatoren der Studie empfehlen, sich ein Grundverständnis dieser Methoden anzueignen. Erkenntnisse aus einer verstärkten und frühzeitigen Zusammenarbeit mit den betreffenden Fachabteilungen sollten für den Test neuer Ansätze und schrittweise Anpassungen genutzt werden – an Vertragswerken, der Interaktion mit Lieferanten und den eigenen Einkaufsprozessen.

Zur Studie

Die diesen Frühling veröffentlichten Ergebnisse der Studie «Agiler Einkauf» sind eine wichtige Ergänzung zur von Ayelt Komus 2016/17 bereits zum dritten Mal initiierten Studie «Status Quo Agile» – der mit mehr als 1000 Teilnehmern grössten Untersuchung zum Thema agile Methoden in Europa.

Der 9-Punkte-Plan für Einkäufer

Um den Einkäufern die Möglichkeit zu geben, sich auf die anstehenden Veränderungen vorzubereiten, empfehlen die Studienautoren einen 9-Punkte-Plan für die Agilisierung des Einkaufs:


  1. Grundlagen vermitteln
    : Jeder Mitarbeiter sollte verstehen, wie grundlegend die Veränderung ist, welches die fachliche Grundidee ist, welche grundlegenden Implikationen dies für den Einkauf hat, und dass diese Entwicklungen wertneutral sowohl Chancen als auch Risiken bedeuten.

  2. Spezifische Situation verstehen
    : Eruieren Sie im Dialog mit verschiedenen Unternehmensbereichen, wie und in welchem Umfang die digitale Transformation die Prozesse und die Anforderungen an den Einkauf verändern wird.

  3. Zweckmässige Differenzierung
    : Grundvarianten des Einkaufsprozesses und der Einkaufstrategien sollten unter anderem neben dem zu beschaffenden Gut, beziehungsweise der zu beschaffenden Leistung die tatsächliche Einkaufsmacht, wechselseitige Abhängigkeiten mit dem Lieferanten, sowie die Komplexität und Eignung zur Beschreibung, vorab berücksichtigen.

  4. Eng zusammenarbeiten
    : Agile Methoden leben von kleinen Schritten, kritischer Prüfung und Lernkurven. Dies gilt für alle Bereiche: Produkte, Methoden, Techniken und Technologien. Dies alles basiert auf einer engen und kurz getakteten Interaktion. Beherzigen Sie dies auch bei der Ausrichtung auf dieses neue Thema. Suchen Sie gemeinsam nach einem für Ihre Projekte passenden Weg.

  5. Skills entwickeln
    : Mit agilen Methoden verändert sich die Bedeutung bestimmter Skills in Verhandlung, Vertragsabschluss und Begleitung. Neue Vertragsarchitekturen und Vorgehensweisen müssen entwickelt werden. Entwickeln Sie Lösungsansätze. Üben Sie. Beobachten Sie. Lernen Sie.

  6. Prozesse fit machen
    : Agile Methoden und Industrie 4.0 sind schneller und wertorientierter als klassische Methoden. Agile Prozesse verändern die Rolle und den typischen Schwerpunkt des Einkaufs von einer einmaligen Einkaufsaktivität vor der Leistungserbringung hin zu einer nachhaltigen Begleitung auch während der Leistungserbringung. Stellen Sie sicher, dass Ihre Prozesse in der Beschaffung mithalten können. Schaffen Sie die Basis damit Durchlaufzeit, Steuerungssicherheit und Transparenz in den Prozessen des Einkaufs der Realisierung der Vorteile agiler Methoden nicht im Weg stehen.

  7. Profile der Mitarbeiter reflektieren
    : Überlegen Sie, welche neuen Anforderungen die neuen Prozesse und Erfolgsfaktoren des Einkaufs bedeuten. An vielen Stellen werden veränderte Fähigkeiten und Neigungen an Bedeutung gewinnen. Reflektieren Sie vor diesem Hintergrund die Profile Ihrer Mitarbeiter und Kollegen. Überprüfen Sie die Personalentwicklungsmöglichkeiten und Auswahl-/Förderungs-Kriterien.

  8. Agile Methoden nutzen
    : Agile Methoden haben sich nicht ohne Grund so breit durchgesetzt. Innovative Rechts- und Einkaufs-Abteilungen in Unternehmen nutzen bereits heute die Chancen agiler Methoden und Methodenelemente. Wirklich optimal unterstützen Sie die Beschaffung nur dann, wenn Sie die Vorteile agiler Methoden auch für sich nutzen.

  9. Heute starten
    : Agile Methoden bedeuten die kontinuierliche Weiterentwicklung, kontinuierliche Verbesserung. Es gibt also keinen Grund, nicht bereits heute zu beginnen und den Lernprozess zu starten. Vermeiden Sie Paralyse durch Analyse – gerade im agilen Kontext.

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