Schlüsseltrends in der indirekten Beschaffung

Schlüsseltrends in der indirekten Beschaffung

Publiziert am Autor: Carsten Vollrath

Seit 2011 sind die indirekten Ausgaben global jährlich um etwa 7 Prozent gestiegen. Trotzdem schenken Unternehmen den indirekten Einkaufskategorien noch immer nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdienen. Dagegen setzt sich bei führenden Einkaufsorganisationen vermehrt ein radikal neues Verständnis über den Beitrag durch, den die indirekte Beschaffung leisten kann.

In den letzten zehn Jahren hat sich die Rolle des Einkaufs deutlich verändert. Der indirekte Einkauf wurde lange Zeit als Verwaltungsaufwand definiert, der für die tägliche Finanzkontrolle und die interne Funktionalität der Einrichtungen und der Mitarbeiter eines Unternehmens erforderlich ist. Heutzutage macht die Komplexität der indirekten Ausgaben diese Funktion jedoch zu einer äusserst interessanten und viel geschäftskritischeren Funktion, als sie ursprünglich definiert wurde. Im Zuge der anhaltenden Branchenkonsolidierung wird heute ein erheblicher Schwerpunkt auf die indirekten Ausgaben gelegt.

Drei zentrale Trends

Man könnte argumentieren, dass der indirekte Einkauf für den Unternehmenserfolg wichtiger ist als der direkte Einkauf, da er zunehmend einen direkten Einfluss auf die kundengetriebenen Gewinne hat. Als Folge haben immer mehr Unternehmen erkannt, dass die globalen indirekten Ausgaben bis zu 50 Prozent des gesamten Mittelabflusses des Unternehmens an Lieferanten betragen können. Mit zunehmendem Anteil am Einkaufsvolumen steigt ihre Bedeutung für die Wertschöpfung eines Unternehmens stetig. Es gibt drei zentrale Trends, die diese Stärkung des indirekten Einkaufs untermauern.

  1. Im Allgemeinen zeigen Unternehmen eine grössere Bereitschaft, bestimmte Geschäftsprozesse /-funktionen wie HR, Buchhaltung, Reisemanagement usw. auszulagern, und dies bietet im heutigen Markt ein grosses Potenzial für Verbesserungen der eigenen Kostenstruktur. Entsprechend steigt der Anteil des indirekten Volumens am gesamten Einkaufsvolumen kontinuierlich.
  2. In der vernetzten Welt von heute ist es wichtig, zu wissen, woher die eingekauften Produkte und Dienstleistungen kommen und welche Vorlieferanten entlang der End-to-End-Lieferkette massgeblich involviert sind. Es ist wichtig, zu wissen, ob ein Unternehmen in der eigenen Supply Chain auf einer Sanktionsliste steht oder ob die Produkte und Materialien in irgendeiner Weise verboten oder eingeschränkt sind. Andernfalls drohen dem Unternehmen unangenehme Bussgelder und Sanktionen.
  3. Infolge der Entwicklungen rund um die vierte industrielle Revolution und die damit verbundene Digitalisierungswelle adaptieren heutzutage produzierende Unternehmen immer schneller, neue und innovative Geschäftsmodelle, die auf umfangreichen und intelligenten Dienstleistungen («Smart Services») basieren und die Sachgüterwelt massgeblich ergänzen bzw. in den Hintergrund rücken lassen. Dieser Tendenz zur «Servitization», schafft einzigartige Mischungen hin zu komplexen Kombinationen aus Sachgütern und Dienstleistungspaketen. In Kombination mit dem anhaltenden Trend zum Outsourcing nicht zum Kerngeschäft gehörende Funktionen verschwimmen die Grenzen zwischen direkten und indirekten Beschaffungen zunehmend.

Für den indirekten Einkauf ist es von zentraler Bedeutung, das sich stark verändernde Angebot bestehend auf komplexen Kombinationen aus Sachgütern und Dienstleistungspaketen genau zu verstehen. Nur mit einem klaren Blick auf die sich drastisch veränderten Marktbedingungen und Lieferantenprofile können die neuen Marktchancen genutzt und Einkaufsvolumen bestmöglich eingesetzt werden.

Erfolgsfaktor «Business Intelligence»

Business Intelligence wird damit zum zentralen Erfolgsfaktor. Damit verbunden sind Investitionen in den Ausbau des indirekten Beschaffungsmarkt-Know-hows sowie in geeignete Analysemethoden und IT-Tools, um erfolgskritische Lieferantenkompetenzen zu erschliessen und langfristig zu sichern. Durch die Nutzung neuer «smarter» Technologie kann der indirekte Einkauf vollständige Transparenz und Kontrolle erlangen. 

Die Verwendung technologischer Einkaufslösungen, die Echtzeit-Transparenz für alle Transaktionen auf Wertebuchungsebene bietet, ist der Schlüssel für die kontinuierliche Transparenz und Verwaltung der Ausgaben.

Im Gegensatz zum Gütereinkauf sind für die Bewertung von Dienstleistungen kaum nötige Prozesse und Strukturen vorhanden, um deren Effizienz und Effektivität sicherzustellen. Hierfür ist unter anderem die bei Dienstleistungen spezifische Charakteristik aber auch die unklare Wertzusammensetzung eines solchen «immateriellen Gutes» verantwortlich. Indirekte Einkäufer sind in der heutigen Zeit gezwungen, diese Modelle zu verstehen. Denn nur so lassen sich die für den benötigten Service wirtschaftlichsten Schritte einleiten. 

Der gezielte Ausbau der analytischen Fähigkeiten gepaart mit der oben beschriebenen Business Intelligence ermöglicht erst die geforderte hohe Entscheidungsqualität bei indirekten Beschaffungsvorgängen. Die, gilt umso mehr, da sich viele Geschäftsinnovationen der Lieferanten im Bereich der «Servitization» noch im Aufbau befinden und nicht immer voll ausgereift sind.

«Advanced Value Break Down»-Methode

Die Trends und Optimierungsrichtungen führen zu einem ständig steigenden Anteil – sowie einem signifikant höheren Komplexitätsgrad immaterieller Güter – am Einkaufsvolumen. Daher ist es für den indirekten Einkauf von entscheidender Bedeutung, angemessene Bewertungsverfahren einzuführen, um eine kontinuierliche Qualität der bezogenen Leistungen sicherzustellen. 

Im Gegensatz zu herkömmlichen Ansätzen für Sachgüter gilt es, bei der Dienstleistungsbeschaffung und -erstellung spezifische Charakteristika von Dienstleistungen zu berücksichtigen. 

Ein neuer, systematischer Ansatz beim Einkauf komple­xer Dienstleistungen ist die sogenannte «Advanced Value ­Break Down»-Methode, die in enger Zusammenarbeit von IPG und dem Institut für Supply Chain Management an der Universität St. Gallen, fünf Schweizer Praxispartnern sowie den Schweizer Verbänden procure.ch und Swissmem entwickelt wurde. Diese Methode kombiniert die drei Ansätze «Wert-Management», «Cost-Break-Down» und «Lieferantenmanagement» und verbindet die strukturierte Datenaufbereitung des Lieferantenmanagements mit der Qualitäts- und Kostenbetrachtung des Value-Managements und des Cost-Break-Down-Vorgehens. 

Die vorrangige Hauptzielsetzung ist neben der Datenauswertung ebenso die Normalisierung des Angebotspreises unter Einbeziehung von qualitativen Grössen, wodurch ein Vergleich verschiedener Anbieter und Angebote deutlich erleichtert bzw. überhaupt erst ermöglicht wird. Zudem können an diese Herangehensweise verschiedene leistungsbasierte Bezahlmodelle gebunden werden.  

Fazit

Indirekte Einkaufskategorien spielen heute eine immer wichtigere Rolle für den Erfolg eines Unternehmens. Einkaufsorganisationen, die gezielt in neue Kompetenzen, in Business Intelligence sowie in smarte Technologien investieren und sich die Zeit nehmen, das sich stark verändernde Angebot bestehend auf komplexen Kombinationen aus Sachgütern und Dienstleistungspaketen genau zu verstehen und zu analysieren, werden die indirekten Einkaufskosten signifikant senken, vorhandene Geschäftsrisiken minimieren und vor allem den Wertbeitrag zum eigenen Unternehmenserfolg durch wichtige Wachstumsimpulse für Initiativen zur Geschäftsmodellinnovation des eigenen Unternehmens maximieren.


 


Neues Seminar

Für Führungs- und Fachkräfte aus Einkauf, Produktion oder Finanzen und Controlling, die sich neu mit der Beschaffung von Dienstleistungen beziehungsweise Investitionsgütern beschäftigen oder ihr Wissen diesbezüglich auffrischen wollen, führen wir am 20. und 21. November im Mövenpick Hotel, Zürich-Airport erstmalig das Seminar «Beschaffung von Investitionsgütern und Dienstleistungen» durch. Mehr Informationen erhalten Sie unter: 

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Carsten Vollrath

Carsten Vollrath

Der Ökonom ist CEO der Swiss IPG Partners Group AG, einer international tätigen, vernetzten Denkwerkstatt und Unternehmensberatung mit Hauptsitz in Zürich.