Risikoprävention im Einkauf: Priorität Versorgungssicherung

Risikoprävention im Einkauf: Priorität Versorgungssicherung

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Materialknappheit und steigende Preise sind die grössten Risiken, denen Einkäufer ausgesetzt sind. Das ist das Ergebnis der Risikomanagementstudie von Inverto, einer Tochter der Boston Consulting Group. Sorge bereiten auch der zunehmende Protektionismus und der Brexit. Trotzdem betreiben nur gut die Hälfte der befragten Unternehmen ein systematisches Risikomanagement.

Dem Risiko, nicht alle benötigten Waren rechtzeitig beschaffen zu können, gehört mit 65 Prozent auch in diesem Jahr die höchste Priorität der Befragten.

Deutlich gestiegen ist die Sorge um die Preisstabilität: Sahen im Vorjahr 35 Prozent darin ein Risiko, stieg die Zahl aktuell auf 48 Prozent. Offensichtlich ist die Lage auf vielen Beschaffungsmärkten aufgrund der weiterhin guten Konjunktur und der errichteten Handelsbarrieren inzwischen angespannt.

Bei den allgemeinen wirtschaftlichen Risiken dominieren der zunehmende Protektionismus mit 54 Prozent sowie der Brexit mit 45 Prozent. Dies ist gegenüber dem Vorjahr ein fundamentaler Wandel, denn beide Themen wurden damals nur von 17 beziehungsweise 19 Prozent der Befragten als Gefahr wahrgenommen.

Der deutliche Anstieg der Zahlen belegt, dass das Vertrauen in die Politik, Kompromisse zu verhandeln, geschwunden ist.

Darüber hinaus stehen IT-Kriminalität und veraltete digitale Technologien weit oben in der Liste der allgemeinen Risiken. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Zahlen zwar etwas gesunken, doch mit 49 und 45 Prozent fühlen sich immer noch knapp die Hälfte der Entscheider nicht gut aufgestellt.

Gegenmassnahmen ohne Risikoerfassung

Insgesamt sagten 56 Prozent der Befragten, dass in ihrem Betrieb Risiken systematisch erfasst und bewertet werden. Je grösser ein Unternehmen ist, desto wahrscheinlicher ist, dass es ein Risikomonitoring betreibt: 76 Prozent der an der Studie beteiligten Unternehmen mit über einer Milliarde Euro Umsatz tun dies. Von den Unternehmen mit weniger als einer Milliarde Euro Umsatz sind es nur 48 Prozent. Obwohl nur gut die Hälfte der befragten Unternehmen ein Risikomonitoring betreibt, definieren über drei Viertel aller Firmen (78 Prozent) Gegenmassnahmen – so auch 63 Prozent derer, die keine systematische Risikoerfassung haben. Bei den Gegenmassnahmen dominieren klassische Aktivitäten wie regelmässige Lieferantenbewertungen, langfristige Rahmenverträge sowie Dual-Sourcing-Strategien.

Komplexere Strategien, etwa vordefinierte Notfallpläne, Unterstützungsprogramme für Lieferanten oder Hedging, werden von weniger als einem Viertel der Studienteilnehmer genutzt. Hier zeigen sich teilweise deutliche Unterschiede zum Vorjahr: So gelingt es weniger Einkäufern (69 statt 77 Prozent), langfristige Verträge abzuschliessen. Im Gegenzug haben mehr Unternehmen Sicherheitslager aufgebaut (43 statt 35 Prozent).

«Aufgrund andauernder handelspolitischer Konflikte und gravierender Versorgungsrisiken empfehlen wir allen Unternehmen dringend, ein systematisches Risikomanagement einzuführen und frühzeitig Gegenmassnahmen zu definieren», rät Philipp Mall, der bei Inverto verantwortlich für die Studie zeichnet. 

Brexit kann auch schweizerische Lieferketten stören

«Für unsere Erhebung zum Risikomanagement haben wir deutsch- und englischsprachige Teilnehmer befragt. Es waren auch Schweizer darunter, doch da die Daten anonymisiert erhoben wurden, lassen sich die Ergebnisse nicht für einzelne Nationen zurückverfolgen» sagt Philipp Mall. Aus Gesprächen mit Kunden aus der Schweiz wisse er allerdings, dass sie die Lage weitgehend genauso einschätzen wie das Gros der Befragten, was den Brexit betrifft:

Mall sieht die Herausforderung an einem anderen Ort: «Grossbritannien haben ihre Beziehungen nach dem Austritt bereits vertraglich geregelt. Problematisch werden für schweizerische Unternehmen dann eher die indirekten Auswirkungen eines möglichen No-Deal Brexits, zum Beispiel, wenn EU-Staaten an Lieferketten zwischen Großbritannien und der Schweiz beteiligt sind. Einkäufer sollten diese daher im Detail analysieren.» Ein Risiko, das die Schweiz tendenziell stärker belaste als die Staaten des Euroraums, sei das Wechselkursrisiko. Der Frankenschock 2015 habe das verdeutlicht und auch auf die Agenda der Einkäufer gebracht. Der Einkauf müsse sich hier eng mit der Finanzabteilung abstimmen, um alle Risiken zu bewerten und bei Bedarf Gegenmassnahmen zu ergreifen.

Über die Studie

Inverto befragte für die Studie Ende 2018 knapp 100 Geschäftsführer und Einkaufsleiter aus verschiedenen Branchen über ihren Umgang mit Risiken. Die Fragen behandelten allgemeine Gefahren für die Geschäftstätigkeit sowie konkrete Risiken für den Einkauf. Inverto realisiert die Studie jährlich seit 2013.

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