Nur kleine Lichtblicke für die Industriekonjunktur

Nur kleine Lichtblicke für die Industriekonjunktur

Publiziert am Autor: Sylvia Walter

Trotz weit unter der Wachstumsschwelle liegender Hauptindikatoren gibt es ein paar Lichtblicke für das verarbeitende Gewerbe.

Die Einkaufsmanagerindizes des verarbeitenden Gewerbes in Europa vermitteln noch keine Frühlingsgefühle. Bei den Dienstleistern herrscht hierzulande jedoch Zuversicht.

Starker Franken, kampfeslustige Gewerkschaften, erneute Gefährdung der Lieferketten und ein Haupthandelspartner, Deutschland, dem mal wieder das Etikett «kranker Mann Europas» angeheftet wird: Die verarbeitende Industrie in der Schweiz hatte schon sorglosere Tage. Die missliche Lage der hiesigen Industrieunternehmen wird durch die Entwicklung des Einkaufsmanagerindex (Purchasing Manager’s Index, PMI) deutlich vor Augen geführt.

Bereits dreizehn Monate in Folge notiert der wichtige Konjunkturindikator unterhalb der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Der Wert für den Januar liegt bei 43,1, weit entfernt vom rettenden Ufer bei 50 Zählern und nur 0,1 Punkte über dem Vormonats­niveau. Eine derart ausgedehnte Schwächeperiode war nur während der Coronapan­demie – eine absolute Ausnahmesituation – und während der grossen Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009 zu beobachten.

Wenig Hoffnung bei Subkomponenten

Der Blick auf die Subkomponenten stimmt die Konjunkturbeobachter auch nicht zuversichtlicher. Nach wie vor sind die Auftragsbücher der Unternehmen in der Schweiz dünn, die Subkomponente des PMI zur Produktion fällt sogar erneut unter 40 Punkte.

Der leichte Anstieg der Indizes für die Lieferfristen und für die Einkaufspreise ist auf die Störungen der Schifffahrt im Roten Meer zurückzuführen und somit nicht als positives Signal zu werten.

Noch sind die Entwicklungen im Nahen Osten keine zusätzliche nennenswerte Bedrohung für die Produktion oder gar die Preisentwicklung in der Schweiz. Weder das Inflationsziel der Schweizerischen Nationalbank noch die erwarteten Zinssenkungen im laufenden Jahr werden dadurch bedroht. Im Gegenteil: Die anhaltende Schwäche in der verarbeitenden Industrie deutet an, dass eine geldpolitische Lockerung opportun ist.

Rettungsanker erhofft

Für die Exportnation Schweiz wäre ein Rettungsanker aus dem Ausland wichtig. «Es hätte auch schlimmer kommen können», kommentiert derweil Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank, die den PMI für Deutschland in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik erstellt, schicksalsergeben den aktuellsten Wert des Einkaufsmanagerindex unseres nördlichen Nachbarn.

Das ist nicht der Stoff, aus dem die Träume sind. Bei einem Wert von 45,5 Punkten des Einkaufsmanagerindex im Januar ist die Welt in Deutschland also fast wieder in Ordnung, die Rezession schwächt sich immerhin ab. Das Wachstum in der gesamten Eurozone stagniert seit etwa einem Jahr.

US-Wirtschaft mit mehr Dynamik

Die restlichen Schwergewichte der Eurozone – Frankreich, Italien und Spanien – glänzen auch nicht mit einem Sprung über die ­Expansionsschwelle des PMI, allerdings ­nähern sich Italien und Spanien dieser Grenze zumindest an.

Mit einem Wert von 46,6 für den gesamten Währungsraum ist Euphorie jedoch fehl am Platz. Die Wachstumsschwäche in der Industrie hält also auch im benachbarten Ausland an und beeinträchtigt indirekt die Dynamik in der Schweiz.

Etwas rosiger gestalten sich die Wachstumsaussichten hingegen im entfernteren Ausland. Jenseits des Atlantiks, in den USA, springt der Wert des Einkaufsmanagerindex auf 49,1 Zähler und nähert sich somit der Expansionsschwelle immerhin an.

Von den fünf Subkomponenten, aus denen sich der Gesamtindex errechnet, haben vier zugelegt, allerdings ist der Index zur Beschäftigung auf 47,1 gesunken – darauf wird die amerikanische Notenbank auch weiterhin ein Auge haben.
Dass der globale Industrie-PMI, welcher von der US-Investmentbank J. P. Morgan berechnet wird, auf die neutrale Marke von 50 steigt, ist nicht zuletzt einer Reihe von Schwellenländern zu verdanken.

Nach wie vor führt Indien die Weltrangliste an, doch auch Länder wie Brasilien, Russland und Mexiko überzeugen mit anhaltend hohen Werten über der Expansionsschwelle.

Drohende Rezession?

Droht der Schweizer Gesamtwirtschaft in diesem Jahr eine Rezession? Die Medianprognose von knapp dreissig Ökonomen, die durch die Nachrichtenagentur Bloomberg befragt wurden, gibt Entwarnung. Das hiesige Bruttoinlandprodukt soll 2024 um 1,2 Prozent zulegen, im Schnitt wird die Wirtschaft auf Quartalsbasis etwa 0,4 Prozent wachsen – eine ordentliche Rate.

Wie kann das sein? Tatsächlich entfallen auf die Industrie nur noch etwa 25 Prozent der Gesamtwertschöpfung, knapp 74 Prozent liefert der Dienstleistungssektor, die Landwirtschaft trägt weniger als 1 Prozent bei. Die Serviceunternehmen strotzen derweil vor Zuversicht. Der entsprechende PMI ist im Januar zwar leicht zurückgekommen, liegt mit 54,6 Punkten dennoch komfortabel im Wachstumsbereich.

Zudem ist die Frankenstärke nicht nur Fluch, sondern für manche Unternehmen auch Segen: Zwar geht knapp die Hälfte aller hiesigen Exporte in die EU, doch die Importe der Schweiz kommen auch zu 67,5 Prozent aus diesem Wirtschaftsraum. Und mit einem starken Franken werden die Einkäufe der Unternehmen im Ausland eben auch günstiger. Den Wechselkursvorteil erleben nicht nur die Konsumenten.

Sylvia Walter

Sylvia Walter ist seit 2019 als Redaktorin im Ressort Märkte der «Finanz und Wirtschaft» tätig. Sie schloss das Studium zur Diplom-Volkswirtin an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg im Breisgau ab. Im Anschluss an das Studium arbeitete sie als Beigeordnete Sachverständige bei der Internationalen Arbeitsorganisation in Genf und wechselte danach für ein Jahr an den Uno-Hauptsitz in New York. In den 17 Jahren als Senior Economist bei Swiss Life Asset Managers zeichnete sie mitverantwortlich für die Konjunkturprognosen der Swiss-Life-Gruppe.