Nachhaltige Gestaltung der Arbeitsumgebung von morgen
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Die Arbeitswelt hat sich noch nie so schnell gewandelt wie im letzten Jahrzehnt. Die stärksten Auslöser dafür sind die Digitalisierung und der Kulturwandel in den Firmen. Wir können von überall aus arbeiten. Die notwendige Anwesenheit am Arbeitsplatz hat sich dadurch reduziert. Daher wird es immer wichtiger, die Mitarbeitenden dennoch ins Büro zu ziehen, um den Austausch untereinander sowie den Teamzusammenhalt zu fördern. Damit dies funktioniert, muss das Büro im klassischen Sinne jedoch neu definiert werden – es ist nicht mehr reiner Arbeitsplatz, sondern Treffpunkt zur Inspiration, Kollaboration und Interaktion mit den Kollegen.
Wie bringe ich die Mitarbeitenden wieder ins Büro?
Gerade nach einer langen Homeoffice-Phase – wie wir sie im Moment, verursacht durch die Coronakrise erleben – ist diese Frage von zentraler Bedeutung. Die Antwort lautet: Wir müssen attraktive Bürowelten schaffen, die durch ihre Funktionalität verschiedenen Bedürfnissen gerecht werden und gleichzeitig einen Wohlfühlfaktor erzeugen. Hierzu gehört auch die Behaglichkeit, die massgebend durch das Raumklima beeinflusst wird. Neben Faktoren wie Temperatur und Lichtverhältnissen rückt die Raumluftqualität ins Bewusstsein der Nutzer. Bekannt ist, dass uns zu wenig Sauerstoff müde macht und unsere Konzentrationsfähigkeit sinkt. Ein Lüftungskonzept mit CO2-Kontrolle ist mittlerweile «State-of-the-art». Weit weniger in Betracht gezogen wird die Raumluftqualität jedoch hinsichtlich der Schadstoffe. Diese kommen vor allem über die Bauprodukte und die Innenraumausstattung wie Teppich, Wandfarbe, aber auch über die Möbel in die Innenraumluft.
Auswirkung für die Einkäufer
Bei der Gestaltung einer produktivitäts-fördernden, behaglichen und schadstoffarmen Arbeitsumgebung nimmt die Beschaffung von Mobiliar und Innenraumausstattungselementen einen hohen Stellenwert ein. Dabei stellen fehlende Vorschriften und undurchsichtige Inhaltsstoffbeschreibungen die Einkäuferinnen und Einkäufer vor grosse Herausforderungen. Durch die Fülle von Zertifizierungen mit verschiedenen Schwerpunkten ist es kaum nachvollziehbar, welche der Zertifikate welche Nachhaltigkeitsaspekte prüfen. Gleichzeitig wissen viele Hersteller aufgrund langer Lieferketten oftmals selbst nicht genau, was im ursprünglichen Produkt enthalten ist.
Nachhaltige Beschaffung am Beispiel IOC
Das Internationale Olympische Komittee (IOC) hat bei seinem neuen Hauptsitz in Lausanne besonderen Wert auf Nachhaltigkeit und Innenraumluftqualität gelegt. Nicht nur um die bestmögliche Gebäudezertifizierung zu erreichen, sondern auch um den Möbelmarkt für das Thema Nachhaltigkeit zu sensibilisieren, wurde das Mobiliar nach strengsten Kriterien ausgewählt. Folgender Auszug an Kriterien gibt einen Einblick in die Best-Practice-Lösung:
- Nachverfolgung der Lieferkette der einzelnen Teile und deren Inhaltsstoffe mit dem Ziel, die Transparenz der Materialien zu erhöhen
- Nachweis der Materialzusammensetzung und des Anteils von biologisch angebautem Material beziehungsweise Holz mit 100% FSC-Zertifizierungen
- Nachweis von Cradle-to-Cradle-Zertifizierungen
- Aufzeigen von Materialien mit nachweislich geringer Schadstoffemission
- Priorisierung von lokal produzierten Produkten zur Reduktion des CO2-Fussabdrucks. Darüber hinaus wurden prozessbezogene Kriterien wie die Reduktion des Anlieferungsvolumens und das Vermeiden von Plastikverpackung in Betracht gezogen.
Gesunde und kreislauffähige Produkte
Als ein neuer Trend in der Mobiliarbeschaffung entpuppt sich der Einkauf von gesunden und kreislauffähigen Produkten. Konzepte wie «Cradle to Cradle» verfolgen das übergeordnete Ziel, gesunde Produkte zu realisieren und dabei Ressourcen als Wertstoffe für eine zukünftige Wiedernutzung zu erhalten. Produkte werden so gestaltet, dass der Wert über verschiedene Nutzungs- und Renovierungszyklen hinweg erhalten bleibt. Dazu gehören Aspekte wie Flexibilität, Modularität und vor allem Demontagefähigkeit.
Damit dies gelingt, gilt es, die Produkte bis auf die Ebene der Grundsubstanzen zu kennen. In Frage kommen nur Materialien, die im beabsichtigten Nutzungsszenario ungefährlich und hochwertig rezyklierbar sind. Sie werden als technische oder biologische Wertstoffe und Ressourcen quasi als Nährstoffe gesehen. Das Konzept «Abfall» wird dadurch obsolet.
Viele Hersteller bauen auf das Cradle-to-Cradle-Konzept. Das Zertifizierungssystem hat einen holistischen Ansatz und umfasst neben Materialgesundheit und Recyclingfähigkeit auch den Umgang mit Wasser und Energie sowie Sozialstandards.
Neue Beschaffungskonzepte
Cradle-to-Cradle-Produkte sind besonders interessant für die Hersteller, da sie diese wieder zurücknehmen und als Ressourcen für ihre Produktion verwenden können. Dadurch entstehen neue Beschaffungskonzepte wie Leasingmodelle und Rücknahmegarantien.
Während Leasingmodelle bereits bei Teppichen und Innenraumbegrünung angeboten werden, ziehen die Möbelhersteller nun nach. Das Volumen der Möbelbranchen wird in Zukunft sinken und neue Geschäftsmodelle sind gefordert. Case Studies zeigen, dass Leasingmodelle für Hersteller und Nutzer rentabel sind. Christian Hadorn, CEO von Spaceonmove, denkt sogar weiter und glaubt, dass diese weitere Bereiche erobern werden wie den kompletten Facility Management Service inklusiv Flächen.
Die Schnelllebigkeit der neuen Arbeitswelt spielt diesem Geschäftsmodell in die Hände. Neue Möbelkonzepte werden laufend von den Nutzern gefordert und müssen schnell und einfach ausgetauscht werden. Auch die Mietverträge werden lediglich auf fünf Jahre abgeschlossen mit Verlängerungsmöglichkeit auf zehn Jahre. Somit ist auch der Einkauf mit der folgenden Frage konfrontiert: Was bringt es, einen Sitzstehtisch zu kaufen, der 20 Jahre Lebensdauergarantie hat?
Johanna Trüstedt
Als Leading Workplace Consultant beim Beratungsunternehmen Drees & Sommer ist sie für die Entwicklung von human-centered Nutzungskonzepten zuständig und Expertin für gesundheitsförderliche Innenraumgestaltung.
Jennifer Dali
Als Senior Consultant bei Drees & Sommer unterstützt sie Kunden aus der Privatwirtschaft und der öffentlichen Hand bei Organisations- und Prozessoptimierungen sowie im Beschaffungsmanagement. Dabei liegt ihr Fokus auf dem Einkauf von Dienstleistungen und Produkten rund um die Immobilie