Mit Beratung erfolgreich aus der Krise
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In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren haben viele Unternehmen unterschiedlichster Branchen ihre Lieferketten global ausgerichtet, ihre Kosten mit Single Sourcing und ihre Bestände mit Just-in-Time konsequent reduziert. Umsätze und Gewinne stiegen, an ernsthafte Versorgungsengpässe dachten die wenigsten. Nach dem Corona-Ausbruch ist jedoch spür- und sichtbar geworden, wie wenig widerstandsfähig internationale Lieferketten sind.
Resilienz vor Effizienz?
Viele Unternehmen müssen sich eingestehen, nicht über ein wirksames Supply Chain Continuity Management zu verfügen. Aktuell werden hitzige Diskussionen über einen möglichen Paradigmenwechsel von «Resilienz vor Effizienz» geführt. Es zeigt sich deshalb in Unternehmen schon aus Gründen der Versorgungssicherung vielfach die Notwendigkeit eines aktiven Managements strategischer Lieferketten. Und nicht wenige Unternehmen möchten das möglichst zukunftssicher gestalten und favorisieren einen ganzheitlichen und integrativen Ansatz, der neben der Wirtschaftlichkeit auch ökologische und soziale Aspekte in ein Nachhaltiges Beschaffungsmanagement mit transparenten Lieferketten bis zum Ursprung miteinbezieht.
Frühzeitiges Erkennen von Risiken
Gezielte professionelle Unterstützung durch externe Beratung kann dabei helfen, potenzielle Risiken in der Supply Chain künftig frühzeitig zu erkennen, wirksame Massnahmen dazu zu entwickeln und diese umzusetzen. Externe Beratung kann gerade in der momentanen Situation zweifelslos eine wichtige Ressource für viele Unternehmen, ob Grossunternehmen oder KMU darstellen.
Gerade weil der Bedarf vielfach nicht regelmässig und häufig eintritt, Berater jedoch tief in die Unternehmensstrukturen – wie zum Beispiel Prozessanalysen, Organisationsberatung, Begleitung von Veränderungsprozessen, Coachings, Teamentwicklungen und Konfliktmanagement – eintauchen, ist eine seriöse Auswahl und Entscheidung für ein Beratungsunternehmen umso zentraler.
Dienstleistungseinkauf als Herausforderung
Hinzu kommt – der Einkauf von Beratungsleistungen stellt aus der Sicht Beschaffung aus verschiedenen Gründen eine Herausforderung dar. Denn der Dienstleistungseinkauf unterscheidet sich in vielen Punkten von der Beschaffung von Investitionsgütern, Fertigungsmaterial oder Handelswaren. Die Anforderungen an Berater sind daher für viele Unternehmen oft nicht auf Anhieb klar zu definieren und mit messbaren Kriterien zu erfassen. Umso mehr ist es wichtig, im Falle einer benötigten Beratungsleistung sich vor und während der Beraterauswahl mit den wichtigsten Kriterien kritisch auseinanderzusetzen.
Der klassische Expertenberater
Der Markt kennt dazu verschiedenen Beratertypen und -profile. Welcher ist nun der Richtige? Der klassische Expertenberater (Consultant) oder der systemische Organisationsberater? Wo liegen die Unterschiede?
Der Management Consultant berät die Unternehmensführung in strategischen oder organisatorischen Fragen von der Analyse über die Konzeption bis zur Umsetzung z. B. in Teilbereichen wie Produktion, Beschaffung oder Marketing. Es besteht jedoch die Gefahr, dass solche Empfehlungen nicht umsetzungsgerecht entwickelt werden, wenn die Betroffenen der Organisation zu wenig mit einbezogen werden oder gar isoliert bleiben. Solche Empfehlungen sind dann auch entsprechend schwer oder überhaupt nicht realisierbar. Oft auch der Grund eines Scheiterns ist, dass der Expertenberater den Lead, also die gesamte Verantwortung des Kundenproblems übernimmt (Arzt-Patienten-Verhältnis).
Der Prozessberater
Die Prozessberatung (Systemische Organisationsberatung) hingegen hat den Ansatz, Veränderungs-, Lern- und Entwicklungsprozesse von Organisationen und Teams zu initiieren und zu begleiten. Dazu ist und bleibt der Auftraggeber von der Auftragsklärung ab am gesamten Prozess beteiligt. Der Prozessberater definiert mit ihm die relevanten Problemstellungen, übernimmt jedoch nicht Verantwortung für das Problem. Das heisst, er entlässt den Kunden nicht aus seiner Verantwortung, sondern integriert die Betroffenen der Organisation als Beteiligte in den Veränderungs- und Lernprozess. Er bietet somit Hilfe zur Selbsthilfe und verfolgt das Ziel, dass der Kunde durch den Entwicklungs- und Lernprozess nachhaltig befähigt wird, künftige Veränderungen selbst erfolgreich und eigenverantwortlich „an die Hand“ zu nehmen.
Erfolg durch Konvergenz beider Profile
In den letzten Jahren hat sich eine stete Konvergenz zum «sowohl als auch» durchgesetzt. Unternehmen mit Beratungsbedarf fordern nach wie vor klassisches Expertenwissen (Ist-Analysen und tragfähige Konzepte) und wünschen anschliessend eine Umsetzungsbegleitung, in der die Organisation einen nachhaltigen Lern- und Veränderungsprozess erfährt – und das aus einer Hand. Das wird wohl auch für die kommenden Herausforderungen während und nach der Corona-Krise nicht anders sein.
Checkliste
Wie nun den „richtigen Berater“ finden? Stellen Sie in Ihren Gesprächen mit potenziellen Beratern eine Auswahl von Fragen zu den nachstehenden acht Themenkreisen und würdigen Sie die Antworten kritisch.
- Erfahrungen: Welche Projekte mit Referenzcharakter wurden vom Berater in den letzten drei Jahren erfolgreich durchgeführt? Welche Kompetenzen waren dazu notwendig? Wie viel Erfahrung hat der für das Projekt vorgesehene Berater? Fragen Sie auch danach, welche Projekte nicht erfolgreich oder wunschgemäss verliefen, und warum? Fehler zuzugeben und daraus zu lernen ist ein gesundes Zeichen für Ehrlichkeit, Integrität und Intelligenz Ihres künftigen Partners.
- Qualifikation der Mitarbeitenden: Welche Qualifikation und Ausbildung hat der Berater? Verfügt der Berater sowohl über eine fachliche (betriebswirtschaftliche / technische) Ausbildung als auch über eine anerkannte beraterische Ausbildung (Organisationsentwicklung, Supervision, Coaching)? Stellt er im Erstgespräch die «richtigen» Fragen?
- Persönlichkeit: Welche Persönlichkeitsmerkmale hat der Berater, passen diese zu uns? Passt die Kultur des Beratungsunternehmens bzw. die «Chemie des Beraters» zur eigenen Firmenkultur? Erweckt der Berater Vertrauen? Kann er zuhören, sich auf die Situation einlassen?
- Ethikstandards: Hat sich die Unternehmung in irgendeiner Weise zu ethischem Verhalten verpflichtet (Mitglied in einem anerkannten Berufs- oder Branchenverband)?
- Beratungs-Selbstverständnis: Besteht ein eigenes Beratungsverständnis (Expertenberatung / Systemische Organisationsentwicklung / Menschenbild)? Können wir uns damit identifizieren? Stellen Sie die Frage nach der Art und Weise, wie der Berater das Projekt beginnen würde, wie er die Mitarbeitenden in den Kontext einbeziehen wird.
- Kapazität/Flexibilität: Sind die erforderlichen Ressourcen vorhanden, und werden diese garantiert? Ist eine Ausdehnung der Kapazitäten möglich, falls das Projekt erweitert wird? Wird verbindlich zugesagt, welche Person für das Projekt zur Verfügung steht?
- Referenzen: Welche Referenzkunden hat das Beratungsunternehmen für dieses oder ein ähnliches Projekt vorzuweisen? Darf kontaktiert werden? Gibt es evtl. ein Parallelmandat mit einem potenziellen Interessenskonflikt?
- Honorar/Abrechnung: Wird über den Honorarsatz transparent gesprochen (Struktur)? Wie wird abgerechnet (monatlich, nach Meilensteinen oder Projektende)?
Peter Hutzler
Der Geschäftsführer der hutzler consulting gmbh ist Experten- und Prozessberater für strategisches Beschaffungsmanagement. Als Dozent hat er Lehraufträge von Fachhochschulen und Fachverbände, unter anderem auch von der procure.ch.