Marktausblick #4: Die Nachfrage nach Gütern bleibt vorerst hoch
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Die Massnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus haben unsere Konsumgewohnheit zeitweilig auf den Kopf gestellt. Gegessen wurde während den Lockdowns zu Hause statt im Restaurant oder der Kantine, und statt Kino gab es TV-Abende.
Während der Konsum von Dienstleistungen selbst heute noch teilweise eingeschränkt bleibt, ist der Erwerb von Gütern sogar in der Zeit der generellen Ladenschliessungen dank Liefer- und Abholdiensten möglich gewesen. In den Daten des Projekts «Monitoring Consumption Switzerland» zum Konsumverhalten in der Schweiz ist in allen Dienstleistungskategorien ein ausgeprägter und langanhaltender Einbruch zu verzeichnen. Erst seit den Lockerungen im Mai bewegt sich die Nachfrage im Dienstleistungssektor wieder Richtung «Normalität».
Dienstleistungs- und Güternachfrage
Im Kontrast zu dieser insgesamt äusserst verhaltenen Entwicklung im Dienstleistungsbereich befindet sich die Güternachfrage seit Pandemiebeginn auf einem aussergewöhnlich hohen Niveau – die Ausnahme bilden lediglich die Ladenschliessungen während der beiden Lockdowns.
So erfreuten sich etwa Tablets für den Fernunterricht, Bildschirme für das Home-office und Fernseher für das Heimkino sowie Sportgeräte, Velos, Planschbecken oder Haushaltgeräte besonderer Beliebtheit, was sich in der Importstatistik zeigt (der Grossteil dieser Güter werden importiert). Ebenfalls aussergewöhnlich hoch ist die Güternachfrage in Supermärkten und Tankstellen, konkret diejenige nach Gütern des täglichen Bedarfs. Das sind zum Beispiel die Lebensmittel und Getränke für den Kochabend, der den Bar- und Restaurantbesuch ersetzt.
Die Nachfrage nach Gütern ist derweil nicht nur in der Schweiz ungewöhnlich hoch, sondern in sämtlichen Ländern, die Lockdown-Massnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus ergriffen haben. Eine Folge der weltweit ausserordentlich hohen Güternachfrage bei gleichzeitig geringerem Angebot (zeitweilige Schliessungen oder Beschränkungen in Fabriken, Unterinvestition usw.) und eingeschränkten Transportkapazitäten sind Lieferengpässe und steigende Vorleistungspreise.
Mittlerweile hat die Nachfrage nach Gütern, die während der Pandemie besonders gesucht waren, ihren Höhepunkt bereits überschritten, und die Nachfrage scheint zunehmend gesättigt zu sein. Nun liegt es in der Natur der Sache bei langlebigen Konsumgütern, dass ein Kauf das entsprechende Bedürfnis für eine längere Periode stillt. Es liegt die Vermutung nahe, dass es in diesen Konsumkategorien in den kommenden Monaten und Jahren zu einer Unternachfrage kommen könnte. Als Annäherung an diese Frage können die Entwicklungen um die deutsche Umweltprämie («Abwrackprämie») im Jahr 2009 als Vergleich herangezogen werden. Als Teil eines Konjunkturprogramms während der Finanzkrise wurde damals der Kauf eines Neuwagens mit einer staatlichen Prämie gefördert. In der Folge kam es in Deutschland zu einem starken Überkonsum von PKWs. Weil es sich bei Autos aber um langlebige Konsumgüter handelt und die erhöhte Nachfrage künstlich herbeigeführt wurde, blieb der Konsum in den Folgejahren deutlich unter dem vorherigen Trend zurück.
Mobilität noch nicht normal
Eine ähnliche Entwicklung ist bei einem Grossteil der während der Pandemie stärker nachgefragten Güter auch in der Schweiz zu erwarten. Die Nachfrage dürfte nach Pandemieende und der vollständigen Normalisierung der Mobilität eine Weile unter ihrem historischen Trend verbleiben, womit sich auch das Preisgefüge und die Lieferfristen normalisieren sollten.
Bis zum Ende der Pandemie und der Normalisierung dürfte es aber noch eine Weile dauern. So unterscheidet sich derzeit das Mobilitätsverhalten der Schweizer Bevölkerung, das stark mit dem Konsumverhalten korreliert, immer noch deutlich von der alten Normalität vor der Krise. Besonders markant sind die Abweichungen im ÖV und generell beim Pendeln. Ein Blick in die Länder, die der Schweiz bei Impffortschritt und Lockerungen voraus sind (USA, Israel, Grossbritan-nien), lässt vermuten, dass dies auch noch einige Zeit so bleiben wird.
Die Güternachfrage dürfte den Höhepunkt zwar überschritten haben, sie wird aber wohl bis mindestens Ende Jahr aussergewöhnlich hoch bleiben. Entsprechend bleiben die Lieferfristen lange und die Preissetzungsmacht der Anbieter vorerst hoch. Für 2022 erwarten wir indes eine deutliche Abschwächung der Nachfrage bei gleichzeitig grösserem Angebot, wodurch sich die Lage bezüglich Lieferfristen und Preise entspannen sollte.
Claude Maurer
Der ehemalige Profisportler (er hat die Schweiz an den Olympischen Spielen in Sydney im 49er-Skiff vertreten) ist Chefökonom Schweiz bei der Credit Suisse.