Marktausblick #1: Fortsetzung verzögert sich!
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Die vom Bundesrat erlassenen Massnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus von Dezember und Januar wirken; die Fallzahlen sind gesunken, ebenso die Neuhospitalisierungen und Todesfälle.
Die neuen Mutationen bereiten aber Sorgen und es ist nicht ausgeschlossen, dass es zu einer dritten Welle kommt. Entsprechend ist davon auszugehen, dass die Massnahmen erst dann deutlich gelockert werden, wenn genügend Personen geimpft sind.
Die Zulassung eines zweiten Impfstoffes und die Beschleunigung der Impfungen sind wichtige Schritte und bald sollte ein dritter Impfstoff dazukommen. Lieferverzögerungen stellen demgegenüber Risiken für einen raschen Fortschritt dar.
Impfkampagne ist entscheidend
Es ist unklar, wann der Zeitpunkt erreicht sein wird, an dem die Impfkampagne Wirkung zeigt. Denkbar ist, dass dies bereits der Fall sein wird, wenn ein Grossteil der Risikopersonen geimpft ist. Zumal der hohe Wirkungsgrad der Impfungen Ansteckungen von Risikopersonen erfolgreich verhindert.
Wir gehen derzeit davon aus, dass im März die ersten Lockerungen kommen. Normalität wird aber erst im Sommer wieder herrschen.
Wirtschaft leidet weniger
Die negativen Auswirkungen der Pandemie auf die Wirtschaft sind jedoch wesentlich geringer als in der ersten Welle.
Die Massnahmen hierzulande sind weniger einschneidend als im Frühling 2020. Während des damaligen Lockdowns waren gemäss unseren Berechnungen mehr als ein Drittel aller Güter und Dienstleistungen für die Konsumenten nicht oder nur stark erschwert erhältlich oder zugänglich. Derzeit sind es rund 15 Prozent. Im «Lockdown light», der seit Dezember in Kraft war, waren es sogar lediglich 7 Prozent. Zudem sind derzeit anders als im vergangenen Jahr die Schulen offen, und die Kinderbetreuung ist gewährleistet.
Grosse Teile Asiens (China, Südkorea, Taiwan, Vietnam und Thailand) – diese Länder umfassen etwa ein Drittel der weltweiten Industrieproduktion – haben die Pandemie im Griff und wachsen stark. Zum Beispiel liegt die Nachfrage nach Autos in China in der Zwischenzeit über dem Vorkrisenniveau, was auch der europäischen Automobilindustrie und den Schweizer Zulieferern zugutekommt.
Die internationalen Lieferketten sind offen und die Grenzen sind für die meisten Arbeitskräfte und Spezialisten passierbar.
Dank der Impfung ein Ende absehbar
Das Wissen um die Endlichkeit der Krise lässt erwarten, dass es nicht zu einer starken Entlassungswelle kommen wird (Arbeitslosigkeit 2021: 3,6 Prozent nach 3,1 Prozent 2020 und 2,3 Prozent 2019).
Denn selbst diejenigen Unternehmen, die vorübergehend schliessen müssen, halten ihre Angestellten möglichst in Kurzarbeit, um die Zusatznachfrage nach dem erneuten Anspringen der Wirtschaft befriedigen zu können.
Entscheidend ist dabei, dass die Unternehmen bis zu diesem Zeitpunkt ihre Fixkosten tragen können. Dies scheint angesichts der vorgesehenen staatlichen Unterstützungsprogramme und der Flexibilität der Unternehmen realistisch, zumal im Unterschied zu früheren Krisen diesmal vor allem Dienstleistungsunternehmen betroffen sind, bei denen die durch die Kurzarbeit versicherten Löhne meist den grössten Kostenblock darstellen.
Aus dem gleichen Grund ist auch bei den Investitionen kein langanhaltender Rückgang zu erwarten. Es dürften zwar da und dort abermals Investitionen zurückgestellt werden, ein eigentlicher Investitionsstopp ist aber nicht zu befürchten.
Nachholkäufe sollten die Auswirkungen auf den von den neusten Einschränkungen stark betroffenen Non-Food-Detailhandel abfedern. Zum Vergleich: Im dritten Quartal 2020 – und damit unmittelbar nach der Lockerung der Massnahmen im vergangenen Jahr – sind rund 90 Prozent des Konsumeinbruchs und rund die Hälfte der aufgeschobenen Investitionen unmittelbar wieder nachgeholt worden.
BIP-Erholung wahrscheinlich
Insgesamt gehen wir davon aus, dass der BIP-Rückgang deutlich geringer sein wird als während dem letztjährigen Lockdown.
Somit gehen wir weiterhin davon aus, dass die BIP-Entwicklung in den Jahren 2020 und 2021 einem schiefen V gleichen wird, wobei wir uns derzeit und wohl bis mindestens Ende des ersten Quartals 2021 im schiefen beziehungsweise sogar leicht sinkenden Teil der Erholung befinden.
Ab Mitte des Jahres ist jedoch mit einem verbreiteten und teilweise starken Wiederanspringen der Wirtschaft zu rechnen. Wir bleiben folglich bei unserer Einschätzung, wonach das BIP im Jahr 2021 um 3,5 Prozent wachsen wird.
Claude Maurer
Der ehemalige Profisportler (er hat die Schweiz an den Olympischen Spielen in Sydney im 49er-Skiff vertreten) leitet bei der Credit Suisse ein Team von Ökonomen, das sämtliche Prognosen und Analysen zur Schweizer Konjunktur- und Geldpolitik erstellt.