Lean Supplier Day: Wertströme verknüpfen, einfach gemacht
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Der Beschaff ungsmarkt ist in den letzten drei Jahren durch die Währungsthematik explodiert. Schweizer Unternehmen profi tierten vom starken Schweizer Franken und konnten dadurch massive Einsparungen im Einkauf realisieren.
Das Pendel scheint aber langsam wieder in die andere Richtung zu schwingen und die Suche nach weiteren Optimierungsmöglichkeiten geht los. Im Rahmen des klassischen Lieferantenmanagements wird jedoch häufig nur über Preise, Lieferzeiten, Qualität und allenfalls noch Produkt- beziehungsweise Dienstleistungsentwicklungen gesprochen. Die Zeit reicht selten aus, um auch die Schnittstellen und den damit verbundenen Aufwand stetig zu reduzieren. Die Reibungsverluste an Schnittstellen sind beachtlich und für die Performance nicht förderlich. So werden unter anderem Wareneingangsprüfungen, Qualitätsmängel sowie interner oder auch externer Abstimmungsaufwand nur selten vollumfänglich vom Lieferanten vergütet.
Die Potenziale einer verbesserten Partnerschaft zwischen Lieferanten und Kunden liegen oft brach. Zudem werden Lieferanten bei der Optimierung ihrer Prozesse häufig alleine gelassen. Es besteht nur in wenigen Unternehmen eine funktionierende Feedbackkultur der Verbesserungspotenziale entlang der gesamten Supply Chain.
Reduktion der Verschwendung
Es braucht also neue Anstrengungen, um im Rahmen der Supply Chain und auch im Einkauf die Unternehmensprozesse zu verschlanken und so weitere Kosteneinsparungen erreichen zu können. Bevor überhaupt digitalisiert werden kann, muss reduziert und standardisiert werden.
Lean Management ist nicht nur ein mittlerweile etablierter, sondern hierfür auch ein gut umsetzbarer Ansatz, um so die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens mittel- bis langfristig zu stärken. Lean Management bezeichnet die Gesamtheit der Denkprinzipien, Methoden und Verfahrensweisen zur effizienten Gestaltung der gesamten Wertschöpfungskette industrieller Güter. Wichtige Prozesse und auch das Unternehmen als Organisation selbst können damit nachhaltig optimiert werden.
Ein koordinierter Wertstrom über das Unternehmen hinaus stellt dabei einen wichtigen Aspekt dar. Die Automobilindustrie arbeitet schon seit über 40 Jahren erfolgreich mit und dank Lean Management. Insbesondere der japanische Autohersteller Toyota (aus dem Ursprungsland von Lean Management schlechthin) hat ein intensives Lieferanten-/ Partnersystem institutionalisiert. Und zwar im Rahmen des «Keiretsu» (jap. wörtlich: Reihe, Linie). Der weltgrösste Automobilhersteller betreibt diverse Unternehmen, die rechtlich selbstständig, aber wirtschaftlich voneinander abhängig sind. Dadurch ist eine hohe Abstimmung der Wertströme möglich. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit wird dadurch verbessert. Eine solche Integration kann sowohl vertikal (entlang des
Wertstroms) als auch horizontal erfolgen.
Das Ganze hier gleich auf dem Level betreiben zu wollen, wie es Toyota tut, ist wohl vermessen. Einen sogenannten Lean Supplier Day (LSD) einzurichten,
ist aber ein guter Anfang, um die jeweiligen Wertströme vertieft zu analysieren. Ein solcher LSD hilft Unternehmen an den Schnittstellen innerhalb ihres Lieferantennetzwerks umfassende Verbesserungen zu erreichen und somit langfristig ihre Beschaffungs-(voll-)kosten zu reduzieren.
Den LSD gestalten
An einem LSD sollten A-Lieferanten oder strategische Partner teilnehmen. Beginnen Sie zunächst mit lokalen oder nationalen Lieferanten. Am LSD müssen die führenden Köpfe des eigenen Betriebes (Geschäftsführer, COO, Produktionsleiter und/oder gegebenenfalls Logistikleiter) zwingend anwesend sein, um den Lieferanten die Relevanz aufzuzeigen. Laden Sie die jeweiligen Geschäfts- und Verkaufsleiter der Lieferanten ein, nur so erhalten Sie die notwendige Management Attention. Führen Sie mehrere LSD durch. Gebündelt nach Kriterien wie Branche oder Standort. Laden Sie maximal
20 Unternehmen ein.
Am LSD stellt der Gastgeber die eigenen Verbesserungen vor und informiert die Lieferanten zugleich auch über die künftigen Anforderungen an sie. Dadurch erhöht sich der Druck, dass die Lieferanten ebenfalls auf den «Verbesserungszug» aufspringen und sich entwickeln wollen. Und durch den verursachten Gruppendruck entsteht zudem eine anregende Dynamik, da niemand das Schlusslicht bilden möchte.
Das Tagesprogramm gestaltet sich aus einem intensiven Rundgang vor Ort sowie ausgewählten, vom Gastgeber präsentierten Beispielen, wo genau der Hebel anzusetzen ist. In einem Workshop erarbeiten die Lieferanten zunächst gemeinsam zwei bis drei Verbesserungspunkte und stellen diese auch gleich vor.
Anschliessend erhalten die Lieferanten eine individuelle «Hausaufgabe», mit dem Ziel, das Resultat innerhalb der nächsten zwei bis drei Monate umzusetzen. Die Lösungsfindung wird vom Gastgeber punktuell verfolgt und das Ergebnis konsequent eingefordert. Dadurch institutionalisiert sich eine Verbesserungskultur zwischen Kunden und Lieferanten. Ebenfalls ist so leicht erkennbar, welche Lieferanten überhaupt fähig und auch willens sind, mit dem Kunden zusammenzuarbeiten. Natürlich kann dies dazu führen, dass die Kooperation mit dem einen oder anderen Lieferanten nicht mehr weitergeführt wird.
Lieferanten sind gefordert
Durch die (mehr-)jährliche Durchführung von Lean Supplier Days lassen sich auf längere Sicht weitere Kosteneinsparungen realisieren. Zudem lernt das eigene Unternehmen, die Prozesse an den Schnittstellen zu verbessern. Und der Lieferant muss sich aufgrund der Kooperation weiter anstrengen, um «mit im Boot» zu bleiben. Das Potenzial liegt erfahrungsgemäss mindestens im zweistelligen
Prozentbereich.
Die grosse Herausforderung ist es, im hektischen Geschäftsalltag für einen solchen Lösungsansatz die nötige Zeit zu finden. Die regelmässige Durchführung eines Lean Supplier Day verdeutlicht aber die Relevanz. Die Unternehmensgrösse spielt dabei nicht einmal eine zwingende Rolle. Auch kleine Unternehmen können solche Lean Supplier Days organisieren.
Praxishalbtag
In Zusammenarbeit mit Rondo Burgdorf AG und Leancom GmbH veranstaltet procure.ch am 29. Oktober einen Praxishalbtag zum Thema Lean Management in der Praxis.
www.procure.ch/Event
Oliver Mattmann
Der promovierte Medizinwissenschaftler ist Chief Visionary Offi cer der Unternehmensberatung Leancom GmbH. Er beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren mit innerbetrieblichen Verbesserungen in den Bereichen Industrie, Service, Healthcare und Bauwesen.