Krisen managen: Erfolg statt Dominoeffekt
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Alles war vorbereitet. Die Teilnehmer standen kurz davor, in Richtung Zentralschweiz aufzubrechen, um sich im wunderschön auf einer Sonnenterrasse gelegenen Hotel Rigi Kaltbad an der 33. Ausgabe der Einkaufsleitertagung in Sachen Change-Management weiterzubilden. Doch am Morgen des 13. Januars musste der Event ganz kurzfristig abgesagt werden, da sich die Referentin in Quarantäne begeben musste. Diese Ad-hoc-Veränderung musste gemanagt werden. Dabei handelte es sich um eine «kleine Krise». Die Teilnehmenden und die Referentin waren voller Vorfreude in den Startlöchern – und plötzlich kam alles anders. Jetzt ging es darum, richtig zu handeln, und transparente Kommunikation war gefragt.
Die Gastgeberin procure.ch hat hier vorbildlich gehandelt, die Teilnehmenden sofort informiert und Transparenz geschaffen. Damit war die Verstimmung nur von kurzer Dauer und alle konnten nach vorne blicken auf den neuen Termin.
Krisen gab es und wird es auch immer geben. Oft sind sie schleichend und manchmal prallen sie ad hoc auf uns ein, wie die Coronakrise. In jeder Krise steckt eine eigene Geschichte und Menschen durchlaufen sie mit unterschiedlichem Ausmass und Auswirkungen. Dennoch gibt es ein verbindendes Element, eine Struktur, die jeder Krise immanent ist.
Einerseits suchen Unternehmen Wirtschaftlichkeit, um zu überleben. Knall auf Fall ins kalte Wasser geworfen, gilt es auszuloten, wie viel Luft die Firma noch hat, um sicher das andere Ufer zu erreichen. Dort locken Aufbruch und neue Erfolge, verbunden mit Wachstum und Innovation.
Nicht nur das Drehbuch der Wirtschaftlichkeit folgt bestimmten Phasen – auch die menschliche Ebene will Beachtung finden. Nur als Ganzes betrachtet schaffen es Unternehmen in die gewünschte Neuausrichtung und schliesslich zum Erfolg.
Die Krisenkurve
Hier kommt die Krisenkurve oder auch Veränderungskurve ins Spiel. Egal, ob Krise oder Veränderung, immer gelten die vier Phasen dieser Kurve. Starke Führung unterstützt Menschen auf dem Weg durch die Krisenkurve, damit sie wieder in ihre Motivation und Handlungsfähigkeit kommen.
Dieses Modell der Reaktionen bei Krisen im Spektrum von einerseits Kompetenz und andererseits Wirtschaftlichkeit und Zeit gibt Führungskräften und Mitarbeitern Orientierung, mit welchen Verhaltensweisen und Konsequenzen zu rechnen ist.
Ob Start-up, börsenkotiertes Unternehmen oder Netzwerkverband – alle drei sind gleichermassen von den immer wieder neuen Virusmutationen und deren mitunter existenzbedrohenden Auswirkungen auf das eigene Tagesgeschäft betroffen. Sie müssen möglichst agil darauf reagieren – oder noch besser, wenn immer möglich neue Krisenszenarien antizipieren. Für alle drei gelten die vier Phasen der Krisenkurve gleichermassen. Und das sowohl wirtschaftlich als auch menschlich.
In Zeiten von äusserst fragilen Lieferketten gilt dies im Besonderen auch für die Einkaufsfunktion im Unternehmen. Nun sind verantwortungsbewusste Führungspersönlichkeiten sowie das richtige Krisenmana-gement gefragt: Denn eine Krise will und muss – wie jede andere Veränderung – gemanagt werden. Die gute Botschaft lautet:
In jeder Krise steckt die Chance auf Erneuerung und Fortschritt.
Alle sind geschockt
In einer ersten Phase, der Phase der Verneinung, macht sich als Erstes der Schock im Unternehmen und in der Belegschaft breit. Krisen wie auch andere Veränderungen lösen aufgrund der Konfrontation mit einer neuen Situation stets grosse Unsicherheit und starke Emotionen aus. Das kann eine Einwirkung von aussen sein wie die Coronakrise. Oder ein neuer Marktteilnehmer eta-bliert sich in dem Markt, in dem man bisher ohne grossen Wettbewerb wirtschaftlich gut erfolgreich sein konnte.
Der Unternehmer und die Mitarbeiter werden dabei mit unerwarteten Veränderungen konfrontiert und fühlen sich wie gelähmt. Das einwirkende Ereignis wird schlichtweg abgelehnt. Dahinter steht die Angst, gewohnte Strukturen und eine vertraute Unternehmenskultur zu verlassen. Deshalb werden die Anstrengungen im alten Muster verdoppelt, ohne zu brauchbaren Ergebnissen zu führen.
Zunehmendes Realitätsbewusstsein
In der zweiten Phase, der Phase der Einsicht, nimmt das Realitätsbewusstsein zu. Denn Umsatz- und Gewinneinbrüche lassen sich nicht mehr ignorieren. Irgendwann können auch die offenen Rechnungen gegenüber den Lieferanten nicht mehr rechtzeitig oder in voller Höhe bezahlt werden.
Die neue Situation und deren Konsequenzen werden schrittweise akzeptiert. Üblicherweise werden zuerst nur oberflächliche Veränderungen und kurzfristige Lösungen gesucht. Das Selbstbewusstsein ist am absoluten Tiefpunkt. An diesem Punkt der Kurve kommt es (hoffentlich!) zur entscheidenden Wendung. Die Mitarbeiter beginnen, die Veränderung zu akzeptieren und nicht nur kognitiv zu verstehen. Sie sind bereit, gewohnte Verhaltensweisen aufzugeben, sodass eine Neuausrichtung beginnen kann.
Das «Schicksal» annehmen
In der dritten Phase, der Phase des Annehmens, sagen die Geschäftsleitung und die Mitarbeiter jetzt «Ja» zur Krise und den damit verbundenen Veränderungen. Sie fangen an, mit der Situation konstruktiv umzugehen und entwickeln dabei Neugier auf das Kommende und die damit verbundenen Handlungen. Sie beginnen, neue Fähigkeiten, (Produkt-)Lösungen oder (Kunden-)Märkte auszuprobieren. Der Prozess des bewussten Lernens von neuen Geschäftsmodellen und Verhaltensweisen schreitet voran. Durch Erfolge und Misserfolge lernen Unternehmer und Mitarbeiter, welche innovativen Erfolgsmodelle angebracht sind.
Das neue Handlungsspektrum
In der finalen, vierten Phase erweitert sich das Handlungsspektrum, sowohl der Geschäftsleitung als auch der Belegschaft, wieder. Erfolge stellen sich ein und damit die Erkenntnis, wann neue Geschäftsmodelle und Verhaltensformen angemessen sind und wo die alten Handlungsmuster noch Platz haben. Das neue Verhalten wird von den Betroffenen vollständig in den Alltag integriert und als selbstverständlich betrachtet. Die Bedeutung der Krise für das Unternehmen und für die persönliche Entwicklung jedes Einzelnen wird deutlich und die neue Energie beginnt langsam Früchte zu tragen, etwa durch eine Steigerung der Produktivität der Unternehmensgewinne oder durch die Zufriedenheit der Mitarbeiter.
Chancen erkennen und handeln
Bei Krisen und im Wandel geht es auch immer darum, eine Chance zu sehen und zu ergreifen. Ein erfolgreiches Krisenmanagement braucht klare Kommunikation, starke Führung und Agilität bzw. Anpassungsfähigkeit an die neuen Gegebenheiten und um die Menschen mitzunehmen. Genau diese Themen werden bei der Tagung im September aufgegriffen und auch innovative, agile Methoden werden dabei erläutert und genutzt.
Susanne Nickel
Susanne Nickel ist Expertin für Change 4.0 und innovative Leadership. Jahrelang war sie als Managerin und Beraterin in nationalen wie auch internationalen Unternehmen tätig. Vom Change im Mindset bis
zur erfolgreichen Implementierung – die Rechtsanwältin weiss, wie notwendige Veränderungen wirklich gelingen.