Kreislauffähige Beschaffung für Profis

Kreislauffähige Beschaffung für Profis

Publiziert am Autor: Antonia Stalder

Lässt sich ein Stuhl einfach in seine Einzelteile zerlegen, können diese potenziell für die Herstellung neuer Stühle verwendet werden – das schont Ressourcen.

Die kreislauffähige Beschaffung ist ein Instrument mit grosser Hebelwirkung. Einkaufsprofis unterstützen ihre Organisation so dabei, die Klimaziele zu erreichen. Die Nachfrage nach kreislauffähigen Produkten und Dienstleistungen nimmt zu. Nachhaltigeres, umweltfreundlicheres Wirtschaften lohnt sich – nicht nur, aber auch ökonomisch. Damit in der Praxis gelingt, was in der Theorie schön klingt, sind Organisationen zu entwickeln und Geschäftsmodelle anzupassen. Sowohl auf Nachfrage- wie auch auf Anbieterseite.

Der Overshootday zeigt es jedes Jahr wieder: Bereits im Mai haben wir Schweizerinnen und Schweizer alle Ressourcen aufgebraucht, die uns eigentlich für ein ganzes Jahr zur Verfügung stehen. Die Auswirkungen dieser Übernutzung sind offensichtlich und alles andere als eine nachhaltige Art zu wirtschaften. 

Die zur Güterproduktion eingesetzten, möglichst billigen und leicht zugänglichen Rohstoffe und Energieträger  werden spätestens nach der jeweiligen Nutzungsdauer vermeintlich entsorgt, indem wir diese deponieren und verbrennen. 

In klassischen, auf die Produktion und den Verkauf von Produkten mit kurzen Lebenszyklen ausgerichteten Geschäftsmodellen lohnte es sich bis dato für produzierende Betriebe auch kaum, in die Langlebigkeit ihrer Produkte zu investieren. Sie hätten dadurch nur ihre Verkäufe kannibalisiert und den Umsatz reduziert. 

Werte schöpfen statt verbrennen

Der Gegenentwurf zur Linearwirtschaft ist die Kreislaufwirtschaft, in der Produkte länger und intensiver genutzt werden, indem Kreisläufe geschlossen werden. Ziel ist es, natürliche Ressourcen zu schonen und den Schutz von Mensch und Umwelt bei der Erzeugung,  Bewirtschaftung und Verwertung von Produkten sicherzustellen.  

Das beinhaltet viel mehr als nur «Recy­cling». Die Kreislaufwirtschaft berücksichtigt alle Stufen der Wertschöpfungskette – von der Rohstoffgewinnung über das Produktdesign sowie Produktion, Vertrieb und Handel, Konsum und Nutzung bis hin zu Rücknahmesystemen, Verwertungslösungen und Recycling. 

So können Produkte, Komponenten und Materialien mehrfach auf gleichbleibender Qualitätsstufe genutzt – und der bei der Herstellung der Produkte in Form von Energie, Material und Arbeit hinzugefügte Wert erhalten werden. Hier wurde bis dato durch herkömmliches Recycling oder Entsorgung «Geld verbrannt». 

Ökologisch ist das neue «Ökonomisch»

Nicht nur die oberste Führungsebene, sondern auch Bedarfsträger in der gesamten Organisation – und selbstredend auch Einkaufsprofis, die ihren Wertbeitrag für die Organisation maximieren wollen – sollten wissen, wie man ressourcenärmer konsumiert und zwingend ein Verständnis für die Kreislaufwirtschaft entwickeln. 
Die Förderung des Wirtschaftens in geschlossenen Kreisläufen mit minimalem Ressourcenverbrauch stellt nicht nur einen wichtigen und grossen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit dar, sie steigert die Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Unternehmung und Organisation – und damit der Schweizer Wirtschaft generell.

Erzeugen Sie Nachfrage 

Immer mehr Unternehmen verpflichten sich dazu, die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen und setzen sich international von der «Science Based Targets initiative» (SBTi) anerkannte Klimaziele. 

Diese konzentrieren sich auf die Emissionen, die reduziert werden müssen, um die globale Erwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen. Der Einsatz erneuerbarer Energie und Effizienzsteigerungen haben sich als Massnahmen dafür etabliert. 

Damit lassen sich 55 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen angehen. Um die verbleibenden 45 Prozent in Angriff zu nehmen, gilt es, sich zusätzlich auf eine ressourcenschonendere Herstellung von Produkten zu fokussieren.

Beschaffende haben durch ihr Nachfragevolumen einen enormen Hebel, den Markt in Richtung der Kreislaufwirtschaft zu transformieren. Erzeugen Sie Nachfrage! Passen Sie Ihre Ausschreibungen an!  Der Faktor Qualität punkto Kreislaufwirtschaft muss in diesen eine Gewichtung erhalten, die für den Zuschlag relevant ist. 

Sorgen Sie für grösstmögliche Transparenz bezüglich Zielvorstellungen. Beispielsweise mittels Publikation der Bewertungsschlüssel der Kriterien. Im Mobiliarbereich bedeutet das beispielsweise, dass Langlebigkeit und Modularität der zu beschaffenden Möbel ein zentrales Bewertungskriterium darstellen. Das verlangt eine vertiefte Auseinandersetzung mit den zu beschaffenden Produkten. 

Hinterfragen Sie! Brauchen Sie wirklich zwingend flächendeckend das neuste Modell mit allen Optionen? Möglicherweise kann auch bereits vorhandenes Mobiliar an  verändertes Nutzerverhalten angepasst werden. So sollte thematisiert werden, ob sich bei Bedarf auch nur die Sitzbezüge der zu ordernden Bürostühle schnell und kosteneffizient austauschen lassen. Ein Schreibtisch, der nicht höhenverstellbar ist, entspricht nicht mehr den heutigen Anforderungen an einen modernen Arbeitsplatz. Im Sinne der Kreislaufwirtschaft sollte also abgeklärt werden, ob der Tisch vom Hersteller umgebaut werden kann.

Auch für die Anbieterseite attraktiv

Langlebigere Produkte mit erhöhter Modularität und Nutzungsflexibilität schmälern den Absatz auf Anbieterseite keineswegs. Im Gegenteil! Es können neue Geschäftsbereiche (beispielsweise durch Planung, Auffrischen und Umbauen von Mobiliar) erschlossen, langfristige Geschäftsbeziehungen aufgebaut und Restwerte des Produkts genutzt werden.

Die Aussicht auf Sicherung des Inputstroms und die Profitabilität durch die Produkt-Bewirtschaftung über mehrere Lebenszyklen hinweg zu erhöhen, motiviert auch die Anbieterseite zu entsprechend angepassten Geschäftsmodellen. 

So ist auch bei Büromobiliar der Kauf inzwischen nur noch eine Option neben der Möglichkeit, das Mobiliar zu mieten oder via «Product-as-a-Service» einfach nur zu nutzen. Die Kundschaft kann an erzielten Einsparungen auch beteiligt werden.  
Vielleicht beschaffen Sie ja Mobiliar für eine Schulgemeinde, die für eine kurze Zeit eine grössere Anzahl Schülerinnen und Schüler aufweist. Da wäre es doch praktisch, Sie könnten das Mobiliar bei Nichtgebrauch wieder unkompliziert zurückgeben und müssten sich nicht noch um die Lagerkosten kümmern. 

Kompetenzzentrum Kreislaufwirtschaft  

Dies bedeutet eine Veränderung der ganzen Organisation. Beschaffende bewegen sich weg von der reinen Dienstleistung hin zum Kompetenzzentrum. Ebenso müssen Bedarfsträger sensibilisiert und Mitarbeitende geschult werden. 
Kreislaufwirtschaft ist auch als Führungsaufgabe zu verstehen. Denn ihre Umsetzung braucht Mut, Ausdauer und Flexibilität. Und das muss von der Führungsebene erlaubt oder gar eingefordert werden. 

Für die damit beauftragten Mitarbeitenden resultiert dafür ein Wissenszuwachs in einem innovativen Themenfeld, der motivieren kann und die Beschaffungsstelle zu einer essenziellen Drehschreibe im Unternehmen werden lässt. 

Das Seminar

Kreislaufwirtschaft ist in aller Munde. Diese nachhaltige Wirtschaftsform kann mitunter durch eine entsprechende Nachfrage gefördert werden. Warum sollten wir das tun? Und vor allem: wie?

Dieses Seminar gibt Ihnen das Rüstzeug an die Hand, die Kreislaufwirtschaft  besser zu verstehen und in ihrer Beschaffungstätigkeit anzuwenden.

Ameldung
 

Antonia Stalder

Antonia Stalder ist Geschäftsleiterin von Prozirkula. Das Unternehmen setzt sich dafür ein, dass die öffentliche Hand ihre Nachfragemacht nutzt, um den Markt an kreislauffähigen Produkten zu stimulieren und so die Kreislaufwirtschaft in der Schweiz voranzutreiben.