Kampf dem Stammdatenmessie!
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Kennen Sie die Situation, wenn bei Ihnen zu Hause oder im Auto an den irrwitzigsten Stellen Dinge wie von Geisterhand liegen gelassen werden, die ihren Platz eigentlich ganz woanders haben? Zum Beispiel ein Pullover im Hausflur, ein Schlüsselbund auf dem Boden oder auch die ehemalige Packung Kaugummis und leere Wasserflaschen im Auto.
Diese Unordnung sorgt auch immer wieder für Diskussionsstoff zwischen Ihnen und Ihrem Partner. Denn der reagiert weit aus empfindlicher, wenn die Sachen in der Wohnung verteilt sind.
Wie zu Hause, so im Geschäft?
Auch wenn es ein Einfaches wäre, diese Dinge einfach mitzunehmen und an ihren angedachten Ort zu legen, ist die Bequemlichkeit manchmal grösser und es passiert nichts. Dies dauert meist so lange, bis Sie eine Grossaufräumaktion starten oder mehr und mehr zum Trash-TV-tauglichen Messie werden.
Das alles trifft auf Sie nicht zu? Zumindest nicht zu Hause! Aber wenn Sie an das ERP-System Ihres Arbeitgebers denken, haben Sie ein dumpfes Gefühl in der Magengegend. Denn dort wütet der Stammdatenmessie schon seit Jahren, und keiner macht etwas dagegen.
Wie Stammdaten angelegt werden sollen, hat Ihnen keiner gezeigt, als Sie damals im Unternehmen gestartet sind. Sie füllen irgendwie die notwendigen Default-Felder, sodass keiner sich beschwert.
Erfolg dank guter Datenqualität
Und um die Situation noch zu verschärfen, kann ich Ihnen sagen: Mit der zunehmenden Digitalisierung im Einkauf wird die Situation nur noch prekärer. Denn wer damit erfolgreich sein will, der braucht eine gute Datenlage. Dies bestätigte neulich auch ein Kunde eines Maschinenbauunternehmens: «Wir können mit unserer Schlüsseltechnologie der grösste Vorreiter sein – die tragende Säule und das Rückgrat unserer Firma sind jedoch die Daten im System und die Prozesse dazu. Wenn wir diese nicht beherrschen, bringen wir unsere Innovations-PS nicht auf die Strasse.»
Nachfolgend ein paar Beispiele der manchmal vorherrschenden Datenmisere. Einkäufer sollten in der Lage sein, die tagesaktuelle Umsatzhistorie einzelner Komponenten, Warengruppen und Lieferanten auf Knopfdruck aufrufen zu können, um auf Marktgeschehen und Verhandlungssituationen mit klarer Marschrichtung reagieren zu können. Viele können das nicht, weil entweder der Warengruppenschlüssel schlecht strukturiert ist oder weil man selber das Abfrage-Know-how nicht hat und von der IT abhängt.
Häufig fehlen bei den Stammdaten die Einträge. Dispo-Kennzahlen, Spezifikationsmerkmale oder Kontaktdaten der Lieferanten fehlen gänzlich. Laut eigener Schätzungen «frisst» die notwendige Nachbearbeitung etwa einzelner Bestellungen oder Abrufe wegen nicht aktueller oder unvollständiger Stammdaten im Durchschnitt zwischen 35 und 60 Minuten pro Tag im Arbeitsalltag eines jeden operativen Einkäufers.
Daten sind nicht gleich Daten. Deutlich wird dies immer wieder am Beispiel des Datenfeldes «Werkstoff». Da trägt der eine «1.4301» ein, der andere «V2A» und ein dritter, der keine Ahnung hat, einfach nur «Stahl».
Jetzt könnten Sie sagen, dass der Einkauf nicht dafür verantwortlich ist. Und ich sage: «Doch», weil der Einkauf die Abteilung ist, die am meisten unter der Datenmisere zu leiden hat. Dann ist es nur konsequent, wenn Sie sich dieser Sache auch annehmen und anpacken. Der Einkauf nutzt die Material- und Kreditorenstammdaten am intensivsten für seine Anfragen und Bestellungen und kann seine Situation durch Eigeninitiative selber am besten verbessern.
Gemäss dem Motto «Keine Optimierung ohne Veränderung» empfehle ich Ihnen, eher heute als morgen mit dem Stammdatenprojekt zu starten.
Bilden Sie ein kleines Team, und legen Sie los. Damit Sie von Anfang an erfolgreich sind, habe ich drei Tipps für Sie:
- Prozess und zu pflegende Felder festlegen: Teilweise ist die Datenqualität deswegen so bescheiden, weil die Verantwortlichkeiten nicht klar sind, also wer was pflegt. Dies aber lässt sich in einem Workflow definieren. Auch sollte geklärt werden, welche Felder gepflegt werden. Auch wenn Ihnen das System massig Felder zu Verfügung stellt, ist manchmal weniger mehr. Dies sollte dann aber konsequent gemacht werden.
- Kein Freitext mehr: Freitext ist Mist in Zeiten der Digitalisierung. Wenn jeder nach seinem Gusto bezeichnen kann, kann später auch mit den tollsten Tools nichts ausgewertet werden. Das Gebot der Stunde ist «Drop Down». Also vorgegebene Auswahlmöglichkeiten für Felder wie «Werkstoff» oder auch «Bezeichnung».
- Änderungen durch Lieferanten: Lieferantenportale bieten heute die Möglichkeit, dass der Lieferant selber Daten pflegen kann wie Kontaktdaten, Lieferantenlangzeiterklärungen oder Zertifikate. Die ist zu nutzen, damit die Einkäufer selber entlastet werden.
Neue Rolle: Stammdatenmanager
Die wichtigste Empfehlung, die wir Ihnen geben können, ist aber «Ownership». Dies ist letztlich die Etablierung eines Stammdatenmanagers im Einkauf. Erste Unternehmen haben diese Rolle bereits aufgesetzt.
Der Stammdatenmanager beschäftigt sich hier systematisch und kontinuierlich mit deren Pflege. Das Ziel ist hier, sowohl die Konsistenz der Daten zu garantieren als auch deren optimale Qualität zu erreichen, sowohl system- als auch abteilungsübergreifend. Er koordiniert die Bereinigung von Doubletten und nimmt selber Massenänderungen vor, teilweise mit geeigneten Data-Cleansing-Tools. Weiterhin betreut er die operativen IT-Schnittstellen sowie die Schnittstellen zum Datenaustausch.
Wer professionell seinem Stammdaten-Wildwuchs begegnen will, der muss Verantwortlichkeiten und klare Datenstrukturen schaffen. Dann ist der Weg für eine erfolgreiche Digitalisierung geebnet.
Manos Voutsas
Manos Voutsas ist Berater bei der Unternehmensberatung Durch Denken Vorne Consult GmbH, die innovative Beratungsansätze bietet und Unternehmen bei der Digitalisierung im Einkauf unterstützt.