Jahresgespräche: Mit 7 Prinzipen zum Erfolg
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Fehlende Mandate im Verhandlungsteam, Drohungen von Preiserhöhungen oder sogar Lieferstopps sind an der Tagesordnung, wenn die Gespräche mit den Lieferanten anstehen. Diese spitzen sich häufig zu und im schlechtesten Fall folgt die Eskalation ins Top-Management. Die Konsequenz daraus? Langfristig beschädigte Beziehungen! Allenfalls resultieren instabile Verhandlungsergebnisse, geprägt von beidseitigen Kompromissen. Das alles sollten Sie sich nicht mehr antun! Und die Lösung ist einfacher, als Sie denken.
Sieben praxiserprobte Prinzipien ermöglichen es, mit Ihren strategisch wichtigsten Lieferanten einen professionellen Verhandlungsprozess aufzustellen, der stabil genug ist, um über die gesamte Vertragsdauer Bestand zu haben. Die Prinzipien umfassen eine sowohl taktische als auch inhaltliche Vorbereitung und etablieren eine stabile und nachhaltige Beziehung zu Ihren bedeutendsten Lieferanten.
Mindset und Zielformulierung
Die Mehrheit der Beteiligten im Verhandlungsprozess hat sich ein grosses Wissen über die Formulierung von Minimal- oder Maximalzielen aufgebaut. Häufig besteht jedoch eine divergierende Interpretation von Begrifflichkeiten, gepaart mit einem Wunschdenken bezüglich der Verhandlungsresultate. Diese Konstellation birgt das Risiko, unter dem Druck der Verhandlung die eigenen Ziele zu verschieben oder gar zu verkleinern!
Stellen Sie daher im Vorhinein sicher, dass alle Mitglieder des Verhandlungsteams ein einheitliches Begriffsverständnis haben. Erstellen Sie hierfür ein eigenes Glossar. Darauf aufbauend formulieren Sie schriftlich Ihr Ziel. Vermeiden Sie dabei Zielformulierungen wie «Wir dürfen die Beziehung zum Lieferanten nicht gefährden» oder «Wir wollen eine Preiserhöhung vermeiden». Verneinende Zielformulierungen haben einen hohen negativen Effekt auf Ihr Verhandlungsergebnis. Das Risiko steigt zudem, indem sich Ihr Verhandlungsteam während der Gespräche reaktiv und konfliktvermeidend verhält.
Fokus der Vorbereitung
Anfang 2019 haben wir an unserem Institut eine Umfrage mit ausgewählten Kunden im Procurement durchgeführt. Diese sollte auch den Schwerpunkt der Vorbereitungsmassnahmen ermitteln. Das Ergebnis war eindeutig, aber überraschend. Nahezu zwei Drittel der Befragten bestätigten die Aussage, den Schwerpunkt ihrer Vorbereitung auf inhaltlicher Ebene zu legen, dem sogenannten «Deal Design». Die Ressourcenplanung und interne Abstimmung mit Fachabteilungen über inhaltliche Details einer Jahresvereinbarung lag also im Fokus der Vorbereitung. Taktische Massnahmen wie die Aufstellung des Verhandlungsteams, der Timeline oder einer Agenda standen nicht im Vordergrund.
Beachten Sie hierbei: Verhandlungen scheitern nicht aufgrund der Höhe Ihrer Forderungen aus inhaltlicher Sicht, sondern aufgrund von Missverständnissen, beispielsweise, wenn unklare Forderungen formuliert werden. Deshalb – verhandeln Sie jeweils erst über den Prozess und erst danach über die Inhalte.
Ihre Vorbereitung sollte schwerpunktmässig taktischer Natur sein. Lassen Sie sich von folgenden Grundfragen leiten: Bis wann wollen wir ein Ergebnis erzielen, welche Abteilungen müssen von unserer Seite, welche von der Gegenseite involviert werden? Welche Spielregeln gelten? In welcher zeitlichen Reihenfolge werden Themen besprochen? Ihr Ziel liegt darin, die Informationsasymmetrie aufzulösen und den Entscheidungsprozess Ihres Lieferanten genau zu verstehen.
Betrachten Sie den gesamten Verhandlungsprozess nach dem Motto «Wir wissen nie genug». Erst nach Ihrer taktischen Vorbereitung richten Sie Ihre Zeit und Energie auf die Erstellung des Forderungskatalogs, den «Bargaining Chip» einer Verhandlung.
Team und Netzwerk
Zur taktischen Vorbereitung gehört ebenfalls die Aufstellung eines professionellen Verhandlungsteams. Die Zusammensetzung ist einer der kräftigsten Hebel, die Sie in einer schwierigen Verhandlung haben.
Es gilt die Grundregel: Je kleiner das Team, desto besser das Ergebnis. An unserem Institut richten wir die Teamaufstellung nach Krisenteams, ein strategischer Ansatz der über das in der Praxis bekannte «Good Cop, Bad Cop» hinausgeht. Bestimmen Sie einen Commander, der intern den Prozess und die Zeitplanung steuert und das Briefing der Entscheidungsträger übernimmt. Während der Verhandlung haben Sie einen Negotiator, der die taktische Verhandlungsführung übernimmt. Die Rolle des Commanders beschränkt sich darauf, durch aktives Zuhören Einigungsbereiche zu erkennen.
Kern dieses Ansatzes ist, dass Commander und Negotiator klar abgegrenzte Rollen haben und der Negotiator eine neutrale Beziehung zum Verhandlungspartner aufrechterhalten sollte. In der Praxis werden unglücklicherweise immer noch diejenigen mit dem Verhandlungsmandat betraut, deren Beziehung zum Lieferanten am vertrautesten ist. Der hier vorgestellte Ansatz schützt Ihre Beziehungen und stellt sicher, dass keine Gewissenskonflikte zwischen dem Ergebnis und
der Beziehung des Verhandlungsführers entstehen.
Bleiben Sie im «Driver Seat»
Schaffen Sie eine Kultur des proaktiven Handelns. Vor jeder Verhandlung planen Sie die Agenda. Stellen Sie sicher, dass Sie vorher alle Informationen wie etwa Angebote, Präsentationen, Basisdaten, Excel Sheets erhalten, um einen Informationsvorsprung zu haben. Je nach Machtausprägung verhandeln Sie überdies das Format und die Begrenzung des Umfangs von Dokumenten. Verhandlungsrunden mit 100-seitigen Excel Sheets sind weder produktiv noch ergebnisbezogen. Auch in den schwierigsten Situationen sind Sie jederzeit in der Lage, folgende zwei Forderungen zu verhandeln: Planen Sie stets einen Folgetermin und geben Sie sich gegenseitig Hausaufgaben auf, um die Dringlichkeit und das Agenda Setting zu steuern.
Performance-Reviews pro Quartal
Eine jährliche Klärung der Vereinbarungen ist aus verhandlungstechnischer Sicht wenig erfolgversprechend. Die gesamte Organisation ist am Ende des Jahres zeitlich überlastet, kreativen Raum, um «Verhandlungsmasse» zu erzeugen, gibt es nur wenig. Setzen Sie künftig auf ein «Performance Review» pro Quartal. Sie haben dabei die Möglichkeit, neben der klassischen Leistungsüberprüfung frühzeitig gemeinsame Verbesserungspotenziale zu identifizieren und gleichzeitig die Beziehung zu Ihrem Verhandlungspartner zu kräftigen.
Vermeiden Sie «Maverick-Buying»
Stellen Sie sicher, dass innerhalb Ihrer Organisation die Bedeutung und das Involvment des Einkaufs in der Beschaffung gewährleistet ist. Schaffen Sie ein Bewusstsein dafür, dass nur ein frühes Einbeziehen des Einkaufs ein nachhaltiges Ergebnis sichert. Dies gilt ebenso auf Lieferantenseite. Minimieren Sie durch Anreize oder auch Sanktionsmechanismen das Risiko, übergangen oder intern ausgespielt zu werden.
Denken und handeln Sie langfristig
Für Ihre strategisch wichtigsten Partner sollten Sie Ihr Denken und Handeln auf langfristige Ziele ausrichten. Verhandeln Sie jetzt schon für bestehende Laufzeiten den Zeitpunkt für Neuverhandlungen. Hiermit vermeiden Sie die taktischen und strategischen Risiken am Ende der Laufzeit, die Sie zwingen könnten, unnötige Kompromisse eingehen zu müssen.
Andreas Gossen
Der Autor ist Gründungsmitglied des Schranner Verhandlungsinstituts und leitet dessen globale Beratungspraxis. Der Fachdozent im Studiengang Certified Global Negotiator an der Universität St. Gallen lehrt zudem Verhandlungs- und Vertragsmanagement an der Hochschule Konstanz.