Internationaler Warenverkehr und Regelwerke, zwei Dinge, die untrennbar miteinander verbunden sind!
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In unseren Anfängen waren die Themen noch Zoll und Verzollungsverfahren,
Digitalisierung in der Zollanmeldung, EDV-Obligatorium und elektronischer Belegimport. Auch die grosse Dynamik beim Abschluss neuer Freihandelsabkommen in den 1990er- und 2000er-Jahren hat die Verantwortlichen im Aussenhandel auf Trab gehalten. Nach 9/11 verlagerte sich der Fokus stärker auf Exportkontrollen sowie Compliance und die AEO-Zertifizierung kam aufs Tapet. Parallel dazu wurden Reihen- und Dreieckgeschäfte immer wichtiger und mit zunehmendem Onlinehandel rückten auch Kleinsendungen in den Mittelpunkt der steuerlichen Regulierung. Die Antwort war One-Stop-Shop (OSS) und für Lieferungen aus dem EU-Ausland dann eben Import-One-Stop-Shop (IOSS).
Doch die Welt des Aussenhandels ist im steten Wandel begriffen und neue Themen scheinen die «alten» Bereiche des internationalen Warenverkehrs abzulösen oder zu überlagern. Nachhaltigkeit, Konzernverantwortung und Decoupling sind die neuen Schlagworte, mit denen man sich im Aussenhandel beschäftigen muss. Wenn Sie sich nun fragen, was das mit Import und Export zu tun hat, liegt die Antwort nicht
gleich auf der Hand. Doch all diese Themen sind bereits heute in der Realität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Import und Export angekommen.
Viele dieser Themen haben Gemeinsamkeiten
Es sind Regulierungen, mit denen sich die Unternehmen nicht beschäftigen wollen und für die es keine klar definierte Ansprechperson in der Organisation gibt. Darum
landen viele der Themen in der Logistik oder im Export. Denn wenn nicht gehandelt wird, bleibt die Ware an der Grenze stehen und dann handelt der Logistiker oder Export-manager!
Die Regulierung kommt vom SECO, aus der EU sowie aus dem Ausland und wird als unnötig und fremdbestimmend sowie teilweise als Willkür wahrgenommen. Doch der Erfolg der Schweizer Exportwirtschaft liegt in den Märkten im Ausland. Um dort erfolgreich sein zu können, sind die Regeln der Märket nicht nur zu akzeptieren, nein, diese müssen befolgt und beherrscht werden.
Was sich geändert hat, sind die Regulierungen, die eine dynamische Entwicklung
bekommen haben und in Etappen umgesetzt, als auch angewendet werden müssen.
Das Import Control System (ICS) der EU wird in drei Etappen über einen Zeitraum von vier Jahren eingeführt.
Der CO2-Emissionshandel wird angepasst und Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) führt zuerst zu einer Meldepflicht von Importen, dann zu einer Bewertung der CO2-Emissionen nach Default-Werten der EU, abgelöst von Echtwerten, die für die Lieferungen zu ermitteln und zu melden sind. Dafür muss man sich in der EU registrieren und ab 2025 sind Abgaben fällig.
Zudem schreibt die Verordnung über entwaldungsfreie Produkte vor, dass Hersteller
nachweisen müssen, dass ihre Rohwaren aus Anbauflächen stammen, auf denen keine illegalen Abholzungen stattgefunden haben. Neu gilt, dass die Geodaten der Felder angegeben werden müssen, auf denen Rohstoffe wie Palmöl, Soja, Kaffee und Kakao angebaut werden. Damit soll sichergestellt werden, dass die Felder nicht unerlaubt gerodet wurden. Das ist im Ansatz löblich, doch mit enormem Aufwand verbunden, selbst wenn Sie in der EU ansässig sind. Als Hersteller in einem Drittland, zum Beispiel der Schweiz, stolpern Sie über das Detail, dass Sie für Meldungen in der EU ansässig sein müssen.
Die «EU-Plastiksteuer» hat ebenfalls zu einem Hype von nationalen Regulierungen
in der EU geführt. Schweizer Unternehmen müssen sich nun in der EU registrieren, Warenkennzeichnungen den nationalen Begebenheiten anpassen, Daten aufbereiten und Verpackungsmengen an diverse Stellen melden, für welche mittel- oder langfristig Abgaben anfallen werden.
Auch das EU-Lieferkettengesetz, welches vom Parlament beschlossen und von den EU-Mitgliedsstaaten im Ministerrat bestätigt wurde, wird in nationales Recht der EU-Mitgliedsländer umgesetzt werden. Dies wird wiederum Auswirkungen auf die Lieferanten im EU-Ausland haben, welche ihrerseits als Lieferanten der betroffenen Unternehmen in der EU diese Regeln erfüllen werden müssen.
Diese Liste liesse sich um viele weitere Themen verlängern und betrifft bisher nur Themen, welche wir als Importeure und Exporteure mit der EU beherrschen müssen.
Geopolitische Herausforderungen
Die Umsetzung des neuen Pan-Europa-Mittelmeer-Übereinkommens (PEM), welches ab dem 1. Januar 2025 kommen soll, ist für die veränderungserprobten Importeure und Exporteure eher eine leichte Übung. Themen wie die Exportkontrolle und US-Re-Exportbestimmungen, welche im Rahmen des Ukraine-Krieges massiv an Bedeutung gewonnen haben, sind hier noch nicht erwähnt. Zusätzlich stellt die geopolitische Neuausrichtung im Kampf zwischen den USA und China um die wirtschaftliche Führungsstellung auf der Welt eine weitere Herausforderung dar. Dabei geht es darum, sich zwischen Osten oder Westen zu entscheiden oder im Sinne des Decoupling getrennte Supply Chains zu entwickeln.
Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen, wie man mit diesen Herausforderungen umgehen soll, ist eine Aussage klar: Die Vogel-Strauss-Politik mit dem Kopf im Sand wird das Problem nicht lösen. Die Anforderungen werden komplexer und umfangreicher und betreffen die gesamte Supply Chain – vom Lieferanten meines Lieferanten bis zum Kunden meines Kunden! Darauf ist die Organisation und das Supply Chain Management auszurichten und wenn das Know-how selbst nicht aufgebaut werden kann, ist der Zugang dazu sicherzustellen. Dies erfolgt durch gute Vernetzung und aktive Arbeit in den Netzwerken und Verbänden. procure.ch ist sicher ein gutes Beispiel dafür und mit der Integration der HFA (Höhere Fachschule für Aussenwirtschaft AG) wurde der Rahmen für den Auf- und Ausbau der Aussenhandelskompetenz geschaffen.
Wir im Aussenhandelsnetzwerk FZV setzen auf das Wissen im Netzwerk und sind der
Überzeugung, dass es für fast jede Frage im Aussenhandel Wissen im «Schwarm» gibt. Wir vernetzten die Know-how-Träger durch unsere Aktivitäten und Events oder durch gute Kontakte zu Ämtern, Verbänden und offiziellen Stellen im In- und Ausland. Zudem bieten wir eine neutrale Plattform, um alle Themen anzusprechen und losgelöst vom Tagesgeschäft diskutieren zu können. In den Expertenrunden für Exportkontrolle, Aussenhandel, Süss-Backwaren und Schokolade, Verpackung sowie Nachhaltigkeit pflegen wir den aktiven Erfahrungsaustausch und erarbeiten in Innosuisse-Projekten oder in Abstimmung mit Behörden Lösungen, die der Schweizer Wirtschaft zugutekommen.
Die Ergebnisse der Expertenrunden stellen wir den Mitgliedern wiederum zur Verfügung und leisten damit einen Beitrag zur kontinuierlichen Entwicklung der Prozesse und zu einem besseren Verständnis der Regelwerke im Aussenhandel.
Bernhard Mähr ist Fachexperte und selbstständiger Unternehmensberater
für Logistik- und Prozessoptimierung. Er blickt dabei auf langjährige Berufserfahrung in diversen Führungsfunktionen in den Bereichen Logistik und Prozessmanagement in der Konsumgüterindustrie zurück. Zudem ist er Gründer und Mentor des Aussenhandelsnetzwerks FZV (Fachzirkel für Verzollung) mit heute rund 100 Mitgliedsfirmen in der DACH-Region.
Für die EWAG AG unterrichtet Herr Mähr in den Bereichen Aussenhandel, Import, Export, Zoll und Freihandel – Präferenzbestimmung, Logistik und Distribution.