ICT-Beschaffung in der Schweiz: Chancen und Hürden
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Die Welt der öffentlichen Beschaffung, insbesondere im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie, mag auf den ersten Blick abstrakt erscheinen, vor allem wenn man Begriffe wie «Freihänder», «Mini-Tender» und «Rahmenvertrag» liest. Doch hinter dieser scheinbar trockenen Terminologie verbergen sich oft handfeste Interessen, Skandale und schlagzeilenträchtige Geschichten.
Ein Milliardengeschäft
Die öffentliche Beschaffung ist zweifellos ein Milliardengeschäft. Allein im letzten Jahr gab der Bund 1,3 Milliarden Franken für ICT-Leistungen aus, wie aus seinem jüngsten Kontrollbericht hervorgeht. Dies mag überraschend niedrig erscheinen, wenn man die Plattform «Intelliprocure» konsultiert, auf der über 36 000 Ausschreibungen intelligent verknüpft und durchsuchbar gemacht sind. Dort beläuft sich das Volumen für ICT-Leistungen auf über zwei Milliarden Franken.
Das Bundesverwaltungsgericht nennt im bekannten Zwischenentscheid zum Cloud-Fall «Google versus BBL» sogar ein jährliches Gesamtvolumen von 2,4 Milliarden Franken. (Google rügte den Zuschlag durch das Bundesamt für Bauten und Logistik [BBL] an fünf Konkurrentinnen als fehlerhaft, erreichte aber die Nichtigkeitsschwelle nicht).
So oder so – das schweizweite Volumen für IT-Beschaffungen liegt höher, denn der Bund tätigt lediglich einen Fünftel der öffentlichen Beschaffungen. Der Grossteil entfällt auf Kantone und Gemeinden, die jedoch keine Statistiken veröffentlichen. Das Gesamtvolumen der Beschaffungen wird hierzulande auf 41 Milliarden Franken geschätzt.
Nachhaltigkeit boomt
Ein positiver Trend ist die verstärkte Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bei Beschaffungen und die Abnahme der Bedeutung des Preises als Hauptkriterium. Armasuisse beispielsweise leistet hierbei Pionierarbeit, gerade im Bereich Innovation. Dennoch gibt es Raum für Verbesserungen, insbesondere bei der Einbindung der Bedarfsstellen in den Beschaffungsprozess.
Obwohl Nachhaltigkeit als Gesetzesziel formuliert ist, fehlen klare Instrumente im Gesetz, um sie als zwingendes Kriterium durchzusetzen. Dies überlässt den Gerichten die Aufgabe, Präzedenzfälle zu schaffen, was schade ist und momentan noch für Rechtsunsicherheit sorgt.
Kantonale Unterschiede
Die Kantone hinken bei Vergaben dem Bund oft hinterher, wobei der Preis oft zu stark gewichtet wird. Gerade kleinere Kantone und Gemeinden haben oft nicht das erforderliche Know-how und die Ressourcen für qualitativ hochwertige IT-Ausschreibungen. Eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den staatlichen Ebenen könnte hier Abhilfe schaffen und die Qualität der Beschaffungen verbessern.
Eine Herausforderung besteht jedoch darin, die Verträge und Informationen zwischen den staatlichen Ebenen zu teilen und sich auch darüber auszutauschen. Dies erfordert jedoch eine klare Definition der Verantwortlichkeiten und die Schaffung geeigneter Instrumente zur Förderung von Nachhaltigkeit und Innovation bei öffentlichen Beschaffungen.
Keine pauschale Verurteilung von Freihändern
Der eingangs bereits erwähnte Kontrollbericht des Bundes enthält auch viele Aufträge, die ohne Ausschreibung vergeben wurden, oft über dem Schwellenwert von 230 000 Franken. Dies führt häufig zu Diskussionen. Freihändige Vergaben sollten nicht pauschal verurteilt werden, insbesondere, wenn sie gut begründet sind. Dennoch sollten sie Ausnahmen bleiben und sorgfältig gerechtfertigt werden. Die Abhängigkeit von einem Hersteller allein sollte keine ausreichende Begründung für eine freihändige Vergabe darstellen.
Es ist bemerkenswert, dass im IT-Bereich fast die Hälfte der Aufträge freihändige Vergaben sind, während es in anderen Bereichen nur etwa zehn Prozent sind. Dies wirft Fragen zur Vielfalt der Anbieter und den damit verbundenen Risiken auf.
Dürftige Studienlage bei den KMU
Eine besonders interessante Frage ist, wie viel dieser Beschaffungen an kleine und mittlere Unternehmen (KMU) geht, die eine tragende Säule der schweizerischen Wirtschaft sind. Obwohl die Schweiz ein Land der KMU ist, gibt es erstaunlicherweise nur wenige Studien zu diesem Thema. Hier besteht sicherlich Bedarf an weiteren Erhebungen.
Die Möglichkeit, KMU bei Beschaffungen besser zu unterstützen, sollte in Betracht gezogen werden. Anpassungen bei Ausschreibungen, wie die Aufteilung in kleinere Lose oder die Zulassung von Bietergemeinschaften, könnten hierbei hilfreich sein. Es ist auffällig, dass Bietergemeinschaften auf der Ausschreibungsplattform «Simap» nur selten zu sehen sind, obwohl das Bundesgesetz über öffentliche Beschaffungen dies grundsätzlich zulässt, es sei denn, es liegen «gute Gründe» dagegen vor.
Raum für Verbesserungen
In der heutigen digitalen Welt spielen Daten und Analysen eine entscheidende Rolle. Fraglos auch bei der Evolution der öffentlichen Beschaffung. Die Fähigkeit, Daten zu sammeln, zu analysieren und fundierte Entscheidungen zu treffen, ermöglicht eine bessere Vorhersage von Bedarf und Angebot, die Identifizierung von Kostenoptimierungspotenzialen und die Überwachung der Leistung von Lieferanten.
Die Komplexität von ICT-Projekten erfordert jedoch ein tiefes Verständnis der Technologie und eine effektive Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren. Es bedarf zudem einer klaren Strategie für die Auswahl und Implementierung von Technologielösungen, um sicherzustellen, dass die gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden und die Interessen der Öffentlichkeit gewahrt bleiben.
Die Öffentlichkeit erwartet zu Recht, dass Beschaffungsprozesse fair und transparent ablaufen. Die Technologie kann dazu beitragen, diesen Anforderungen gerecht zu werden, indem sie die Verfolgung von Beschaffungsaktivitäten ermöglicht und sicherstellt, dass keine unangemessenen Einflussnahmen oder gar Korruption oder Preisabsprachen stattfinden.
Die Zukunft der öffentlichen Beschaffung in der Schweiz und weltweit wird weiterhin von technologischen Entwicklungen und den Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit und Effizienz geprägt sein.
Die Digitalisierung wird eine immer wichtigere Rolle spielen, und die Integration von künstlicher Intelligenz und Automatisierung wird den Beschaffungsprozess weiter verbessern.
Das Thema ist komplex und wird weiterhin viele Fragen aufwerfen und Raum für Verbesserungen bieten, die sowohl die öffentliche Hand als auch die Wirtschaft unterstützen.
Die Schaffung effizienter und nachhaltiger Beschaffungsprozesse ist von entscheidender Bedeutung für die Zukunft der Schweiz und ihre Position in der globalen Wirtschaft.
Rika Koch
Rika Koch ist Assistenzprofessorin am Institut Public Sector Transformation an der Fachhochschule Bern. In ihrer Dissertation untersuchte sie den strategischen Einsatz des öffentlichen Beschaffungswesens als Möglichkeit, ökologische Nachhaltigkeit als Kriterium in öffentlichen Beschaffungen in der Schweiz zu etablieren.