Grossschifffahrt für Wirtschaftskapitäne
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Am 20. März 2019 (von 16 bis 19 Uhr) lädt die Region Mitte Sie dazu ein, den Rheinhafen in Basel zu besichtigen. Bei Interesse an einer Teilnahme melden Sie sich bitte bei Jeannine Deubelbeiss an: Anmeldung
Für ein Binnenland wickelt die Schweiz ihren Aussenhandel zu einem erstaunlich grossen Teil auf dem Wasserweg ab: In den letzten Jahren wurden knapp 10 Prozent der Ein- und Ausfuhren auf Flüssen transportiert. Die zentrale Rolle spielt dabei die Rheinschifffahrt. Denn über 95 Prozent aller auf dem Wasser beförderten Handelsgüter überqueren die Grenze bei den Rheinhäfen in Basel.
Erdöl und Mineralerzeugnisse stehen mit 45 Prozent an der Spitze der transportierten Waren; jeder dritte Liter Mineralöl wird über die Rheinhafenterminals importiert. An zweiter Position ziehen mit 15 Prozent Steine, Erden und Baustoffe nach, gefolgt von Agrarprodukten (13 Prozent) sowie Metallen und chemischen Erzeugnissen (je 8 Prozent).
Die Natur macht sich bemerkbar
Ungeachtet aller baulichen Korrekturen bleiben Flüsse natürliche Systeme. Ihr Wasserstand folgt der Meteorologie und ist mitunter grösseren Schwankungen unterworfen. So brach im August 2018 der Umsatz der Rheinhäfen gegenüber dem Vorjahr nahezu um die Hälfte ein, der Import von Rohöl über den Rhein ging gar um 60 Prozent zurück. Mitte Oktober 2018 wurde die Grossschifffahrt für mehrere Wochen eingestellt – ein bisher noch nie dagewesenes Ereignis. Erst im Januar 2019 normalisierte sich die Situation.
Das vorangegangene Jahr freilich hatte den Rheinhäfen mit 14 645 umgeschlagenen Containern ein Allzeithoch beschert. Der Grund: Bei Rastatt hatten sich wegen verunglückter Bauarbeiten im Untergrund die Bahngleise verbogen, sodass die wichtige europäische Nord-Süd-Verbindung durch Deutschland während rund zweier Monate unterbrochen war. Nicht nur die Natur sorgt also für Schwankungen bei der Rheinschifffahrt.
Höhere Preise bei Engpässen
Wenn der Transport schwierig wird, schnellen die Frachtpreise in die Höhe. So kletterten die Kosten für den Fluss-transport einer Tonne Öl während der Phase des Niedrigwassers im Oktober 2018 innerhalb weniger Tage von 168 auf 174 Franken. Dass sich dieser Anstieg an der Zapfsäule nicht bemerkbar machte, lag einzig daran, dass zur gleichen Zeit der Erdölpreis zusammengebrochen war. Aufgrund der massiv gesunkenen Importmengen war zeitweise gar die Versorgung der Schweiz gefährdet. Das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung beschloss daher als Sofortmassnahme, 30 000 Kubikmeter Diesel aus dem Dieselöl-Pflichtlager für den Verkauf freizugeben.
Neben Raffinerien und Tankstellen bekamen vor allem die Branchen Landwirtschaft und Bauwirtschaft, die einen erheblichen Teil ihrer Güter auf dem Wasserweg importieren, die Auswirkungen tiefer Rheinpegel zu spüren. «Der Sommer 2018 war katastrophal», bestätigt der Geschäftsführer Mike Reichel der Meyer-Spinnler AG, Re-Center Muttenz AG und Alpavert AG, die unter anderem ein Kieswerk und Betonwerke betreiben. «Statt 3000 Tonnen konnten die Schiffe zeitweise nur 800 Tonnen laden, und die Reedereien verlangten Niedrigwasserzuschläge.» Will heissen: Für die Fracht, die nicht befördert werden konnte, musste die Meyer-Spinnler AG eine Entschädigung bezahlen. Und längst nicht immer liess sich dieser Mehrpreis an die Kundschaft weitergeben.
Kaum Alternativen
Vorkehren lassen sich extreme Niedrigwasserphasen kaum. «Am besten ist es, wenn die Transportengpässe mit ausreichend grossen Lagern abgepuffert werden können», so Reichel. Für längere Durststrecken jedoch finden sich in der dicht bebauten Schweiz, wo der Boden knapp und entsprechend teuer ist, kaum genügend Kapazitäten.
Trotz gewissen Unwägbarkeiten der Natur bleibt die Wasserstrasse für Massengüter der optimale Beförderungsweg. «Ein Transport mit dem LKW wäre erheblich teurer – vom CO2-Ausstoss ganz zu schweigen», bestätigt Mike Reichel. «Der Personalaufwand ist beim Strassentransport viel höher. Zudem befördert ein voll geladenes Containerschiff mehr als das Zehnfache einer Lastwagenladung.»
Im Interesse der Schifffsfahrt
Obwohl kaum je im Blickpunkt der Öffentlichkeit, ist der Warentransport über den Rhein für die Schweizer Wirtschaft von Bedeutung. Doch mit Blick auf die künftige Entwicklung lassen die aktuellen Klimaszenarien des Bundes nichts Gutes ahnen: «Langfristig wird die mittlere Niederschlagsmenge in den Sommermonaten abnehmen und die Verdunstung zunehmen. Die Böden werden trockener, es gibt weniger Regentage, und die längste niederschlagsfreie Periode dauert länger», halten die Fachleute in der entsprechenden Publikation fest. Das bedeutet, dass künftig vermehrt mit Einschränkungen der Rheinschifffahrt zu rechnen ist – und mit entsprechend höheren Frachtpreisen für wichtige Güter.
Klimaschutz ist also auch für das Beschaffungswesen ein Gebot der Stunde. Der Bund hat ein Klimaprogramm (www.bafu.admin.ch/klimaprogramm) ins Leben gerufen, das Fachleute und die Öffentlichkeit befähigen soll, im Alltag klimafreundlich zu handeln. Das Programm wurde vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Energie (BFE) erarbeitet. Der von procure.ch organisierte Besuch der Rheinhäfen (siehe Kasten) bietet Gelegenheit, die beeindruckenden Anlagen bei Basel zu besichtigen, viel Interessantes über die Schweizer Grossschifffahrt zu erfahren und dazu auch noch Informationen über das Klimaprogramm zu erhalten.
Anna Wälty
Die Autorin ist Bildungsverantwortliche des Klimaprogramms im Bundesamt für Umwelt (BAFU). In dieser Funktion unterstützt sie Berufsverbände, um Klimaschutz in Bildung und Berufspraxis zu verankern. Zentral für den Erfolg des Programms ist eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Akteuren der Berufsbildung, den Kantonen, Unternehmen und weiteren Interessierten.