Global Sourcing und China – weiterhin ein erfolgreiches Power Couple?
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Eine Volkswirtschaft benötigt, um langfristig auf Wachstumskurs zu bleiben, entweder mehr Arbeitskräfte im Arbeitsprozess oder eine Steigerung der Produktivität. Mit der Ein-Kind-Politik hat China eine ungünstige demographische Verschiebung eingeleitet, dessen Konsequenzen nicht kurzfristig beeinflussbar sind. Seit 2012 ist die Zahl der Erwerbstätigen rückläufig. Das heisst, es scheiden mehr Arbeitnehmende aus dem Erwerbsleben aus, als Junge eintreten. Dieser Prozess schreitet voran; und erst noch in zügigem Tempo! Damit kommt einer der beiden Faktoren für Wachstum in China nicht zum Tragen. Der Fokus der politischen Führung des Landes liegt nun konsequenterweise auf dem zweiten Faktor, der Produktivität.
Das Potenzial der Produktivitätssteigerung
Hier wiederum zeigt sich sehr grosses Potenzial, da der effiziente Einsatz von (Produktions-) Ressourcen bis anhin nicht besonders hoch war. In der Vergangenheit fiel die ungenügende Produktivität wegen den tiefen Lohnkosten und der reichlich vorhandenen Arbeitsressourcen, den Wanderarbeitern, die es aus den ländlichen Gebieten in die Wachstumsmetropolen zog, nicht gross ins Gewicht. Beim Thema Produktivitätssteigerung bieten sich nun verschiedene Möglichkeiten und Ansätze an: Lean Production, Automatisierung etc. Vor allem auf dem Gebiet der Automatisierung und Robotik besteht grosses Potenzial.
Während in China auf 10'000 Arbeiter in der Produktion lediglich 36 Roboter im Einsatz sind, stehen in Deutschland mit 292 Robotern achtmal mehr und in Südkorea über 13-mal mehr Roboter im Einsatz. Dementsprechend gross ist das Potenzial in China. Man kann davon ausgehen, dass die Adaption der Automatisierung der Produktionsprozesse ähnlich schnell geschehen wird wie im Bereich der Mobiltelekommunikation, wo chinesische Hersteller heute sowohl in der Hardware als auch der Software, den Apps, den arrivierten Herstellern (Apple, Samsung, Facebook, etc.) ernsthafte Konkurrenz bescheren. Und: WeChat ist kommerziell deutlich erfolgreicher als WhatsApp und Facebook Messenger und bietet erst noch mehr Anwendungsmöglichkeiten.
Eine Kostenfrage
Die Kosten für die breite Automatisierung werden mit grosser Wahrscheinlichkeit deutlich tiefer ausfallen, als bei vergleichbaren westlichen Produkten. Wir kennen dieses Phänomen aus der (Werkzeug-)Maschinenindustrie; chinesische Hersteller werden keine Spitzentechnologie liefern wie Schweizer oder Deutsche Hersteller, aber für 80 Prozent der (Breiten-)Anwendungen verlässliche und vor allem deutlich günstigere Lösungen liefern.
Die einfache Formel dazu: günstigere Roboter = tiefere (kalkulative) Kosten. Ein Dejà-vu, wie es die Schweizer (Werkzeug-)Maschinenindustrie bestens kennt. Der deutliche Kostenunterschied in der Anschaffung schafft kostenmässige Vorteile in der Kalkulation und der Herstellung.
Eine vergleichbare Entwicklung ist auch bei der für die kommende industrielle Umwälzung wichtigen Technologie der 3-D-Drucker zu erwarten. Die 3-D-Drucker chinesischer Provenienz werden nicht im Hochtechnologiebereich zu finden sein, sondern in der breiten Anwendung. Gelingt es den chinesischen Herstellern, ihre Drucker über eine «nicht-chinesische» Mensch-Maschinen-Schnittstelle einfach, verständlich und verlässlich anzubinden, so ist es durchaus vorstellbar, dass diese - deutlich günstigeren Lösungen - auch in unseren Breitengraden Absatz finden werden. Die chinesischen Hersteller könnten so - vergleichbar wie bei PCs, Fernseher, Waschmaschinen, etc. - den (Massen-)Markt dominieren.
Aufgrund der rasanten technischen Entwicklungen bei diesen (Schlüssel-) Technologien und den grossen finanziellen Möglichkeiten der chinesischen Regierung und der Wirtschaft, gepaart mit dem Druck, der auf der chinesischen Regierung lastet, um sich weiterhin an der Macht zu halten (um nicht ähnlich zu enden, wie die letzte kommunistische Regierung der Sowjetunion), dürfen diese Veränderungen eher zeitnah zu erwarten sein und nicht erst in ferner Zukunft.
Kommendes Seminar mit Christoph Wilhelm
Global Sourcing – Chancen und Risiken
12. September 2017, 08:45 bis 17:00 Uhr
Priora Business Center Balsberg, Kloten
Chinas Wettbewerbsvorteil
Die Löhne und die Kosten in China sind in den vergangenen Jahren kräftig gestiegen. Solange die Produktivität stärker zunimmt als die Löhne und die Kosten, bleibt der Wettbewerbsvorteil China’s bestehen. Aktuelle Prognosen schätzen den jährlichen (Arbeits-) Produktivitätszuwachs auf durchschnittlich 8 Prozent über die nächsten 15 Jahre! Die Löhne und Kosten in China werden zukünftig (deutlich) weniger stark zunehmen als in den vergangenen Jahren; im 2016 betrug die durchschnittliche Zunahme der Lohnsumme in unserem Produktionsbetrieb in Shanghai nur noch 3 Prozent.
Chinas Aussichten sind also intakt, die Vorteile im Bereich der Produktion, des (Global) Sourcings, weiterhin beibehalten zu können. Dazu gesellt sich die Perspektive des grössten Absatzmarkts der Welt: in den nächsten Jahren werden in China rund 300 Millionen Menschen der Mittelklasse zugehören – das ist in etwa dieselbe Zahl, wie die USA Einwohner zählen (allerdings gehören in den USA nicht alle Einwohner der Mittelklasse an).
Christoph Wilhelm
Der Autor ist Geschäftsführer von Global Sourcing Services AG. Der diplomierte Ingenieur und diplomierte Einkäufer absolvierte Executive Trainings am IMD in Lausanne und Shanghai. Er hat mehr als 15 Jahre Erfahrung in internationalem Management und Einkauf und ist als Dozent für Themen rund um die Materialwirtschaft im In- und Ausland tätig unter anderem auch bei procure.ch