Gelenkter Kapitalismus 

Gelenkter Kapitalismus

Publiziert am Autor: Roland Wirth

Der Volkswirtschaftler Roland Wirth untersucht seit vielen Jahren mit kritischem Blick Wirtschafts- und Finanzfragen. Heute fokussiert er darauf, wie stark sich der Staat in die Wirtschaft einmischen soll.

Wie stark soll sich der Staat in die Wirtschaft einmischen? Soll er sie gleich vollständig übernehmen, wie es nach wie vor der Traum staatsgläubiger Fanatiker ist? Lieber nicht, der Zusammenbruch des ehemaligen Ostblocks zeigt, dass es mit real existierenden Menschen nicht möglich ist, eine Staatswirtschaft nachhaltig zu betreiben. Die Fanatiker der anderen Seite schwören auf eine freie, natürliche Wirtschaft ohne Staat. Der Begriff «natürlich» zeigt schon, dass die Sache nicht zu Ende gedacht ist. Wirtschaft ist immer Menschenwerk, «natürlich» ist da gar nichts. Der reine Markt führt genau wie die Staatswirtschaft in den Abgrund. Als sich die Politik in der grossen Wirtschaftskrise von 1930 konsequent raushielt, schlitterte die Welt direkt in den Zweiten Weltkrieg. 

Schaut man sich die Wirtschaftsgeschichte nüchtern an, so zeigt sich ein Zwischending als Erfolgsmodell: der strategisch gelenkte Kapitalismus. Der Staat gibt eine Strategie vor, die er fördert und deren Einhaltung er überwacht. Wer als Firma oder Mensch auf dem richtigen Weg ist, dem lässt er alle Freiheiten. 

Das Römische Reich hatte über tausend Jahre Bestand mit diesem Modell. Die Strategie war zwar bloss Machterhalt, doch dazu musste die Wirtschaft florieren, der Wohlstand musste höher sein als ausserhalb des Reichs. 

Im Hochmittelalter funktionierten die muslimischen Staaten ähnlich. In einem Geist der Toleranz und des Fortschritts wurde unerhörter Wohlstand erarbeitet. Zur gleichen Zeit knechteten Adlige und die Kirche in Europa die Untertanen mit permanenter Kontrolle und hohen Abgaben, Jahrhunderte in Armut waren die Folge. 

Das aktuellste Beispiel für den Erfolg des gelenkten Kapitalismus ist China. Das Ziel der Staatsführung ist die Ausweitung der Macht im In- und Ausland. Dazu wurde zuerst die Armut in China erfolgreich bekämpft. Nun werden die Exportüberschüsse strategisch sinnvoll eingesetzt zum Kauf von Unternehmen (Wissen und Technologie, von uns wegen der Verlockungen des chinesischen Marktes verschenkt), zum Kauf von Land und Infrastrukturprojekten auf der ganzen Welt wie der neuen Seidenstrasse. China schafft die Voraussetzungen, die Welt zu dominieren, während der Westen ohne Strategie vor sich hin dümpelt. 

Ich wünsche mir, dass wir Meinungspluralismus und politische Mitbestimmung behalten, gleichzeitig aber im wirtschaftlichen Bereich von der jetzigen Planlosigkeit wegkommen. Warum nicht der Wirtschaft den ökologischen Umbau als Strategie vorgeben und dann mit Energie durchsetzen?  

Roland Wirth

Roland Wirth

Der promovierte Volkswirtschaftler kennt die Bildungswelt aus unterschiedlichen Funktionen und ist als Dozent für Volkswirtschaftslehre am Puls der Wirtschafts­politik. Er ist Geschäftsführer und Rektor der Kaderschule Zürich, welche die Anbieterin des PWA-Wirtschaftsprogramms und der Lernplattform elob ist.