Geheimwaffe Risikomanagement?
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Aktuelle Studien der Allianz, des Business Continuity Institutes oder der Zurich Versicherungen belegen deutlich, dass das globale Risikopotenzial steigt. Dies gilt insbesondere dann, wenn nicht unmittelbar die direkten Lieferanten betroffen sind, sondern die Sublieferantenstruktur oder Transportwege. Steckt in der „Geheimwaffe“ Risikomanagement also noch mehr? Kann eine zeitgemässe Einkaufsorganisation mit Hilfe von Risikomanagement einen Mehrwert leisten und so signifikant zum Unternehmenserfolg beitragen?
Innovationstreiber Procurement
Der Einkauf sieht sich tatsächlich mehr und mehr mit neuen Herausforderungen konfrontiert: Die zur Verfügung stehenden Datenmengen aus unstrukturierten Informationsquellen werden immer grösser und die Komplexität von Liefernetzwerken steigt weiterhin kontinuierlich – was dem gegenüber stehenden Bedarf an ausschliesslich relevanten Risikoinformationen abträglich ist, da sich wirklich wichtige Daten aus der Flut an Informationen nicht ohne weiteres herausfiltern lassen.
Genau hier kann der Einkauf ansetzen und als Innovationstreiber fungieren: Über sogenannte „digitale Enabler“ wie etwa Big Data Monitoring & Analysen, künstlicher Intelligenz und Initiativen zur Digitalisierung des Supply Chain Footprint ist es dem Einkauf möglich, Transparenz in den globalen Lieferketten zu schaffen, potenzielle und aufkommende Risiken zu identifizieren und so die Versorgung zu sichern.
Risikomanagement als Erfolgsfaktor
Tatsächlich gibt es gewissermassen ein Rezept für ein erfolgreiches Risikomanagement, das als Starthilfe für Unternehmen fungieren kann. Die wichtigsten Faktoren:
- Auswahl der relevanten Lieferketten: Welche Lieferketten sollen in die SCRM-Betrachtung einbezogen werden? In der Praxis finden sich dafür zwei Ansätze: Entweder wird ein spezifizierter Ausschnitt des Lieferkettennetzwerkes überwacht, der anhand von Kriterien wie etwa Umsatzrelevanz oder Substituierbarkeit ausgewählt wird, oder das gesamte Liefernetzwerk, um vollständige Transparenz sicherzustellen.
- Definieren und Entwickeln der Risiko-Scorecard: Nachdem der Fokus der zu überwachenden Lieferketten festgelegt ist, gilt es, das unternehmensspezifische Risiko-Inventar festzulegen. Ein Risiko-Inventar beschreibt die Gefährdungen, die in der Risiko-Überwachung berücksichtigt werden. Typischerweise findet sich dieses in einer unternehmensweit einheitlichen Risiko-Scorecard.
- Identifizieren von Risiken: Die grösste Herausforderung bei der Identifizierung und der kontinuierlichen Überwachung der Risiken entlang einer oder mehrerer Lieferketten liegt im enormen Datenbedarf: Zur initialen Einschätzung der latenten Lieferkettenrisiken und der präventiven Risikovorsorge sind Informationen aus vielen zahlreichen Expertendatenbanken und Echtzeitdaten aus dem Internet notwendig. Dasselbe gilt für die durchgängige Risikoüberwachung auf (Nah-)Echtzeitebene, um eine schnelle Krisenreaktion zu managen. Moderne Technologien (Big Data Analytics, KI / Deep Learning) sind auf enorme Datenmengen ausgelegt und helfen dabei, unstrukturierte Informationsquellen in den Griff zu bekommen. Außerdem ist es damit möglich, Daten aktuell, belastbar und relevant zu halten.
- Bewerten von Kritikalität und Schadensausmass: Die Bewertung des Schadensausmasss im Risikofall schafft Transparenz über Kritikalität und Abhängigkeiten in der Lieferkette. Dafür werden zentrale Fragestellungen definiert, etwa nach Wiederherstellungszeitraum, Substituierbarkeit oder Alternativlieferanten. Zugleich lässt sich der Einfluss des Schadens auf Umsatz, Deckungsbeitrag oder EBIT messen. Eine Matrix aus Risiko- und Kritikalitätsbewertung beinhaltet eine genaue Prognose, welcher Schaden bei Lieferantenausfall oder anderen Supply-Chain-Störungen eintritt und wie sich dieser auf die Profitabilität des Unternehmens auswirkt.
- Change Management & Verankerung in der Organisation: Die organisatorische Einbindung des Risikomanagements geniesst eine gleich hohe Priorität wie die konzeptionelle und inhaltliche Entwicklung. Wie kann ein Umdenken in Sachen Risiko-Management erreicht werden, wie lässt es sich zeitgemäss auslegen? Auf welchem Weg gewinnen Einkäufer die Akzeptanz interner Stakeholder? Hier sind für den Erfolg unter anderem Top-Level-Management-Unterstützung und die Einbeziehung crossfunktionaler Partner notwendig. Gleichzeitig muss das Ziel lauten, das Risikomanagement in Zielsystemen zu verankern und sie in bestehende Prozesse zu integrieren.
Der Einkauf hat die Chance, einen grossen Wertbeitrag für sein Unternehmen zu leisten – indem er als Innovationstreiber durch geschicktes Change Management und Digitalisierung mithilfe zukunftsweisender Technologien die Versorgung und den Umsatz des Unternehmens sichert sowie ein positives Firmenimage erhält.
Autor Heiko Schwarz können Sie am zweiten Tag der Fachtagung von procure.ch live erleben. Er referiert am 17. November zum Thema «Big Data und Supply Chain Risk Management».
Heiko Schwarz
Heiko Schwarz ist Gründer und Geschäftsführer von riskmethods. Das «Supply Risk Network» von riskmethods bietet eine ganzheitliche Lösung für Supply Chain Risk Management.