Fachtagung Spitaleinkauf 2025 – Strategischer Wandel im Gesundheitswesen
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Rahmenbedingungen im Wandel: Demografie, Ressourcen, Finanzierung
Zum Auftakt zeichnete Nanda Samimi, Präsidentin der SVS Schweiz, ein klares Bild der strukturellen Herausforderungen, mit denen Spitäler bis 2050 konfrontiert sein werden. Bevölkerungswachstum, demografischer Wandel und eine steigende Zahl an älteren, nicht erwerbstätigen Personen setzen das Gesundheitssystem zunehmend unter Druck.
Hinzu kommen finanzielle Engpässe – rund 90 % der Spitäler erreichen aktuell nicht die für nachhaltige Investitionen notwendige Zielmarge von 10 %. Der Kostendruck ist hoch, während gleichzeitig Investitionen in Digitalisierung, Ambulantisierung und Strukturreformen anstehen.
Samimi betonte:
“Eine koordinierte Versorgungsplanung und effizientere Strukturen sind zwingend – und der Einkauf spielt hierbei eine tragende Rolle, insbesondere durch Standardisierung, Koordination und vorausschauende Planung.”

Green Hospital – Nachhaltige Krankenhauslogistik als strategischer Faktor
Andrea Raida vom Fraunhofer IML zeigte, wie stark ökologische und ökonomische Zielsetzungen heute miteinander verbunden sind. Das Schweizer Gesundheitswesen ist für rund 7 % der CO₂-Emissionen verantwortlich – Einsparpotenziale bestehen entlang der gesamten logistischen Versorgungskette.
Raida stellte Praxisbeispiele aus dem Forschungsprojekt Green Hospital vor, etwa die Reduktion von Speisenrückläufern durch digitale Bestellsysteme oder die Optimierung von Anforderungsmengen zur Vermeidung von Überbeständen.
Nachhaltigkeit wird damit zur logistischen Gestaltungsaufgabe – von Materialversorgung über Gerätemanagement bis hin zur Speisenlogistik.
Einkaufsgemeinschaften: Gemeinsam wirksam gegen Kostendruck
Anne-Kathrin Knaack (Hirslanden-Gruppe) unterstrich, dass Einkaufsgemeinschaften eine wirksame Antwort auf die zunehmende Marktverdichtung und den steigenden Sachkostenanteil darstellen.
Durch gebündelte Verhandlungen, Sortimentsharmonisierung und digitale Verhandlungsunterstützung (z. B. mittels BI-Tools und Ampeltabellen) können signifikante Effizienzgewinne erzielt werden.
Ein zentraler Erfolgsfaktor: Klare Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen sowie die Bereitschaft zur Zusammenarbeit über Institutionen hinweg.

Logistik-Outsourcing schafft Freiraum für strategische Aufgaben
Ein konkretes Umsetzungsbeispiel präsentierten René Huber (Merian Iselin Klinik) und Adrian Pfister (Post CH AG). Die Klinik hat ihre Logistik inklusive operativem Einkauf an die Post ausgelagert.
Resultat: Klarere Prozesse, weniger Anlieferungen, entlastetes Personal und frei gewordene Flächen für das Kerngeschäft. Der Einkauf erhält neue strategische Kapazitäten – etwa zur Zentralisierung und Digitalisierung.
Die Post tritt dabei nicht als Händler auf, sondern als neutraler Dienstleister mit strikter Trennung der Kundendaten und einer vollständig integrierten digitalen Plattform.

GenAI im Einkauf: Tempo, Individualisierung und neue Anforderungen
Yves Fontana (Adobe) verdeutlichte, wie generative KI das Marketing transformiert – mit direkten Auswirkungen auf den Einkauf.
Kreative Inhalte werden heute automatisiert, individuell und in hoher Frequenz produziert. Der Einkauf muss darauf reagieren – durch agile Prozesse, neue Tools zur Lieferantenevaluation und klare Datenschutzstrategien.
Zudem spielt der Einkauf eine wachsende Rolle bei der Auswahl und Integration von KI-Lösungen im Bereich Kommunikation, Patienteninformation oder Spitalmarketing.


Value-Based Sourcing: Einkauf mit Blick auf DRG und Patientenoutcomes
Thomas Binz (Kantonsspital Aarau) stellte mit dem DRG-Tool einen Ansatz vor, wie der Einkauf künftig fallbezogen und wertorientiert gesteuert werden kann.
Durch die Verknüpfung von Materialdaten mit DRG-Kostengewichten lassen sich Materialratios analysieren, Versorgungsqualität messen und die Sortimentsgestaltung optimieren.
Ein zentraler Paradigmenwechsel: Der Einkauf bewegt sich weg von Volumensteuerung hin zu einer am Patientenwert orientierten Beschaffungsstrategie.

Lieferengpässe bei Arzneimitteln: Ein systemisches Risiko
Dr. Enea Martinelli (Spitäler FMI AG) zeigte auf, dass die Fragmentierung globaler Lieferketten, fehlende wirtschaftliche Anreize und ein unzureichendes Pflichtlagerwesen zu einer zunehmenden Zahl an Medikamentenengpässen führen.
Besonders betroffen sind lebenswichtige Arzneimittel aus dem sogenannten Off-Patent-Bereich. Martinelli plädierte für klare Klassifizierungen, ein umfassendes Monitoring, gezielte Importregelungen und eine industriepolitische Neuausrichtung.




Die Fachtagung Spitaleinkauf 2025 hat deutlich gemacht: Der Einkauf entwickelt sich zur zentralen Steuerungsfunktion im Spital – strategisch, vernetzt, datenbasiert.
Zukunftsfähige Spitäler benötigen:
- eine stärkere Zusammenarbeit über Institutionsgrenzen hinweg,
- nachhaltige und digitale Prozessgestaltung,
- eine fallbezogene Steuerung mittels DRG-Daten,
- und vor allem: qualifizierte, gut vernetzte Einkaufsverantwortliche.
procure.ch dankt allen Referierenden, Teilnehmenden sowie dem Stadtspital Zürich für die hervorragende Zusammenarbeit.