Einkauf 4.0: Digital oder Neandertal?
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Die Ergebnisse der 2020 von der Innovationsberatung IPG und dem Technologieanbieter JAGGAER durchgeführten Procurement-
Performance-Excellence-Studie zeigen, dass sich Unternehmen grundsätzlich
auf dem Weg ins digitale Zeitalter gemacht haben. Jedoch nicht so schnell
und systematisch wie eigentlich nötig. Die Studie betrachtet sieben zentrale
Bereiche der Beschaffungsleistung im Detail: Beschaffungskennzahlen; Beschaffungsstrategie und -ziele; Beschaffungsprozess; Organisation und
Qualifizierung, Lieferantenmanagement, Technologiemanagement sowie
sogenannte «advanced» (digitale) Lösungen.
Nur wenige Pioniere
Die Mehrheit der Unternehmen befindet sich erst am Anfang der Transformation.
Nur eine Minderheit darf sich hier Pioniergeist attestieren lassen. Beispielsweise die neun Prozent, die Supply Chain Mapping implementiert haben, oder die zwei Prozent, die Predictive Analytics einsetzen. Der Grossteil der Bemühungen vieler
Unternehmen konzentriert sich immer noch auf operative Aufgaben, was darauf
hindeutet, dass ein ganzheitlicher Transformationsansatz fehlt. Was auffällt, ist, dass grosse Unternehmen meist über die nötigen Mittel verfügen, die Transformation voranzutreiben. Kleine Unternehmen hingegen sind flexibel in puncto Anpassung. Und junge Start-ups implementieren digitale Lösungen meist bereits von Anfang an.
Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass es vor allem die mittelgrossen Unternehmen sind, die sich schwertun, mitzuhalten. In noch zu vielen Unternehmen ist die Beschaffung nach wie vor zu stark auf operative Funktionen ausgerichtet.
Die Umfrageteilnehmer beschäftigen im Durchschnitt 125 Full Time Equivalents
(FTEs) für die operative Beschaffung gegenüber 37 für die strategische Beschaffung.
Covid-Effekt
Die Konzentration auf Schlüssellieferanten wurde im Vergleich zu 2016
leicht abgeschwächt, wahrscheinlich als Folge von Covid-19, ist aber immer
noch hoch. Die durchschnittliche Anzahl der Lieferanten, die von einem strategischen
Beschaffungsexperten betreut werden, ist deutlich gestiegen – von sechs im Jahr 2016 auf 16 im Jahr 2020. Dies scheint eine durch Covid-19 hervorgerufene
Schwankung zu sein, da sie nicht über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten
werden kann. Die Lieferantenauswahl und -bewertung ist in den meisten Unternehmen hoch standardisiert und gut definiert, aber die Intensität der Zusammenarbeit mit wichtigen Lieferanten ist ist tendenziell zu gering ausgeprägt.
Auch die Lieferantenintegration und das Management des Lieferantenportfolios
erfordern Aufmerksamkeit und Investitionen.
Ran an die Hausaufgaben
Insgesamt hat sich der Reifegrad der Beschaffungsstrategie in den letzten
vier Jahren verbessert, dennoch müssen einige Unternehmen ihre digitalen
Hausaufgaben zeitnah erledigen. So werden aktuell die «End-to-End-Prozesssicht
» und zukünftige strategische Beschaffungsbereiche, die im Rahmen digitaler Transformationen immer wichtiger werden, weiterhin noch deutlich vernachlässigt.
Die funktionsübergreifende Zusammenarbeit der Beschaffung mit ihren
Schnittstellen, insbesondere Qualitätskontrolle, F&E, Produktion und Marketing,
muss noch deutlich verbessert werden. Zudem leidet die Beschaffung nach wie vor unter einem Mangel an digitaler Kompetenz.