Ehemals Mauerblümchen! Jetzt Superheld(in)?
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In der Vergangenheit wurden in der Genossenschaft Migros Aare die indirekten Güter und Dienstleistungen durch die Fachbereiche selbstständig beschafft ohne gemeinsame Methoden, Prozesse oder Instrumente. Zusätzlich ordnet die Migros-Kultur den Fachbereichen eine grosse Autonomie zu.
Ziel war es in den vergangenen Monaten, ein einheitliches Beschaffungswesen in der Migros zu etablieren. Ein Top-down-Ansatz mit einer zentralen Beschaffungsorganisa-
tion war jedoch aufgrund der Begebenheiten keine Option. Deshalb stellte sich anfangs die Frage: Wie kann eine so heterogene Beschaffungswelt durch eine neu geschaffene Beschaffungsorganisation unterstützt werden, damit man innerhalb der Migros Aare gemeinsam richtig einkaufen kann, ohne dass diese als Einschränkung im Alltag der Fachbereiche empfunden wird?
Kosteneffizienz nachhaltig sichern
Die neu geschaffene Organisation «Indirekte Beschaffung» hatte den Auftrag der Geschäftsleitung erhalten, einen nachhaltigen Beitrag zum finanziellen Erfolg der Migros Aare zu leisten. Die indirekte Beschaffung betrifft sämtliche Direktionsbereiche und Stabsstellen. Es geht dabei um die Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen, die nicht in den Migros-Filialen weiterverkauft werden: Dies reicht vom Büromaterial über den Bezug von Reinigungs- oder Gebäudeunterhaltsdiensten bis zu sämtlichen Baudienstleistungen. Dabei ist eine enge Zusammenarbeit innerhalb der Migros Aare und mit dem Migros-Genossenschafts-Bund unabdingbar. So wird den quantitativen und qualitativen Zielen auch national umfassend Rechnung getragen.
Start in eine neue Zukunft
Zu Beginn mussten wir die Frage «Wer kauft heute was, wo, wie und in welcher Menge ein?» beantworten und konnten damit gemeinsam mit den Fachbereichen die Transparenz über die Kosteneinspar- und Effizienzsteigerungspotenziale erarbeiten. Daraus haben wir die Bedürfnisse und Anforderungen an die indirekte Beschaffungsorganisation abgeleitet und darauf basierend die Rollen und Aufgaben entwickelt: Wir haben festgestellt, dass wir zwingend ein Businesspartner werden müssen, welcher die Fachbereiche mit dem entsprechenden Know-how in ihren Einkaufsbelangen optimal unterstützen kann.
Dienstleistungsmodell der modernen Beschaffung
Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Fachbereiche mit Informationen, Methoden, Prozessen und Vorlagen zu unterstützen und ähnliche Einkaufsbedürfnisse zu bündeln. Auf diese Weise wurden optimale Einkaufsbedingungen geschaffen und die Fachbereiche gleichzeitig entlastet. Dazu sollte die indirekte Beschaffung einerseits als Drehscheibe im Unternehmen und andererseits als Moderator zwischen dem Unternehmen und Markt agieren, damit die Beschaffung die Kosteneffizienz nachhaltig sichern kann. Die Beschaffung dient als Katalysator (Partner, Moderator, Mediator, Coach), indem sie den Prozess gemeinsam mit dem Fachbereich sicherstellt, sodass das Bedürfnis optimal in Bezug auf Qualität, Kosten und Lieferperformance gedeckt werden kann.
Eine durchgängige Kommunikation auf allen Stufen sowie eine kontinuierliche Projektführung durch den strategischen Beschaffungsprozess sind zur nachhaltigen Projektrealisierung unabdingbar. Dabei übernimmt die indirekte Beschaffung die Prozessführung und erarbeitet gemeinsam mit dem Fachbereich die dafür notwendigen Inhalte.
Der Weg zum Ziel
Ein wichtiger Teil unseres Erfolgs hat mit einem gemeinsamen Zielbild-Workshop mit sämtlichen Fachbereichen begonnen, wo wir gemeinsam die Struktur und Aufgaben der zukünftigen Beschaffungsorganisation entwickelt haben. So konnten wir verstehen, was unsere Kunden von uns brauchen. Ein weiterer wichtiger Schlüssel zum Erfolg ist der aktive Miteinbezug der Mitarbeitenden in die Beschaffungstätigkeiten. Mit diesem Vorgehen konnten wir in mehreren gemeinsamen Initiativen nachhaltige Erfolge erzielen. Gemeinsam mit allen involvierten Anspruchsgruppen haben wir sämtliche preisrelevanten Dimensionen grundlegend neu gestaltet: Produktportfolios wurden standardisiert, die Lieferantenbasis reduziert und die E2E-Prozesse optimiert. Dabei haben wir die Kosten sowie den Aufwand der Besteller stark reduziert und gleichzeitig den Servicelevel erhöht.
Damit wir diese Erfahrungen professionalisieren und eine kontinuierliche Bewirtschaftung sicherstellen konnten, haben wir die dazu notwendigen strategischen Supportprozesse, vom Warengruppen- über das Lieferantenmanagement bis zum Contract-Management, erarbeitet. Diese bilden die Grundlagen für die Kernprozesse (Source-to-Pay) und beschleunigen diese. Mittels zweckmässigen Führungsprozessen definierten wir die Rahmenbedingungen der indirekten Beschaffung und stellen damit sicher, dass diese die Unternehmensziele nachhaltig unterstützen.
Damit die zukünftigen Anforderungen an die Rollen im Einkauf erfüllt werden können, wurde ein umfassendes Akademieprogramm erstellt. So konnten wir das Beschaffungsfachwissen der gesamten Organisation rasch erhöhen.
Gemeinsam partnerschaftlich einkaufen
Damit die neue Beschaffungsorganisation ihren Leistungsauftrag wahrnehmen kann, braucht es eine Veränderung in der Grundhaltung des Einkaufs: Er ist ein Dienstleister, unterstützt dabei sämtliche Bereiche und trägt so massgeblich zum Unternehmenserfolg bei. Das Motto muss sein: «Professionell, einfach und korrekt». Die Bedingung ist, dass der Fachbereich mit seinen individuellen Ansprüchen im Zentrum steht und dessen Bedürfnisse verstanden werden. Das richtige Einkaufs-Know-how ist heute eine Voraussetzung für den langfristigen Erfolg. Es bedingt jedoch die Fähigkeit, den Fachbereich zu unterstützen, ihn durch den Prozess zu führen und gemeinsam mit ihm nachhaltige Lösungen zu erarbeiten. Somit ist es nicht Mauerblümchen oder Superheld(in), sondern Businesspartner. Die Indirekte Beschaffung ist eine Koordinationsstelle mit Drehscheibenfunktion für die ganze Genossenschaft Migros Aare.
Daniel Schrepfer
Der Autor ist seit 2019 verantwortlich für den Aufbau der Indirekten Beschaffung der Genossenschaft Migros Aare mit einem Volumen von jährlich mehreren hundert Millionen Schweizer Franken.