Diversität und Leadership: Über Rollenbilder und Männerrunden
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Ich bin ein Fan von Wonder Woman. Besonders mag ich, wenn die Kamera ihren irritierten Blick einfängt, wenn sie mit Weiblichkeitsstereotypen konfrontiert wird, die ihr völlig fremd sind. Wie würde sie wohl gucken, wenn sie in unseren sozialen Medien unterwegs wäre? Wenn sie sähe, wie stark die Selbstinszenierung junger Frauen dort nach alten Mustern abläuft?
Zwei Schritte vor, einer zurück
Das haben vor Kurzem die Studienergebnisse der MaLisa-Stiftung bestätigt: Frauen kommen in sozialen Medien seltener vor als Männer, und während Männer dort erfolgreich Werbung für alles machen können, können Frauen das nur für Schönheitsprodukte – von wenigen Ausnahmen mal abgesehen. Was aber noch erschreckender ist: Wie stark die Frauen alte Rollenmuster bedienen und sich auf die Bereiche Schönheit, Fashion und Selbstoptimierung begrenzen. Diese Studienergebnisse machen mich wütend. Sie zeigen, dass unser Kampf um gleichberechtigte Teilhabe manchmal von den sozialen Medien konterkariert wird. Und das Schlimmste: Mädchen und junge Frauen bekommen – Fluch der Algorithmen! – immer mehr Posts und Videos von diesen Retro-Influencerinnen vorgeschlagen, was dazu beiträgt, dass sich diese überholten Rollenbilder in den Köpfen verankern. Diesen Vorwurf kann man sicherlich auch einigen erfolgreichen Print-Titeln machen. Ob nun am Zeitungskiosk oder im Feed, aus eingefahrenen Denkmustern auszubrechen, erfordert immer eine bewusste Entscheidung.
Das ist wirklich frustrierend. Die neuen Medien geben uns die Chance, unsere Meinung kundzutun, auch wenn sie nicht der Norm entspricht, und ermöglichen uns, selbst Inhalte zu produzieren und viele Leute zu erreichen. Gleichzeitig bremsen sie uns aber aus, wenn wir versuchen, den alten Bildern zeitgemässe Pendants für die Zukunft entgegenzusetzen.
Realisierbare neue Rollenbilder?
Und solchermassen sozialisierte junge Frauen der Generation Y sollen dann zu selbstbewussten Führungskräften heranreifen?
Wie herausfordernd das ist, erlebe ich immer wieder am eigenen Leib. Es gibt so einen Satz, der mein Blut immer wieder in Wallung bringt: «Bei Euch scheint ja die moderne Rollenverteilung super zu funktionieren.» Ich stimme dann seufzend zu. Ich bin Unternehmerin, mein Mann Manager, beide in Vollzeit tätig. Wir haben eine dreijährige Tochter und teilen uns mal mehr, mal weniger gerecht den Haushalt. Was für ein Privileg! Aber auch täglich eine Herausforderung an die eigene Organisationsleistung – was alle berufstätigen Mütter sofort unterschreiben würden.
Was mich in diesen Momenten wütend macht, ist der Gedanke an die vielen arbeitenden Frauen in diesem Land, die sich abstrampeln, da sie versuchen, ihr Leben für ihre Kinder und Männer bestmöglich zu leben und alle Rollen perfekt auszufüllen.
Die Rabenmutter als Chefin
Als Dank werden sie dann kritisiert, als Rabenmütter oder Egoistinnen abgestempelt, vor allem, wenn sie auch noch arbeiten – weil sie müssen oder weil sie einfach ihren beruflichen Weg weitergehen möchten. Wozu denn sonst die ganze Ausbildung? Oder der Gedanke an die Frauen, die sich bewusst dafür entscheiden, ganz für ihre Kinder da zu sein, aber dann, wenn sich der Mann trennt, ohne Versorgung dastehen. Oder auch der Gedanke an die Männer, die uns Frauen mehr unterstützen möchten, beruflich zurückstecken oder gar zu Hause bleiben, dann aber ihre Männlichkeit rechtfertigen müssen oder gleich als Softies gelten und an Attraktivität einbüssen.
Kurzum: Moderne Rollenbilder werden heute in der Theorie akzeptiert und gern genutzt, um die Fortschrittlichkeit unseres Landes zu demonstrieren, in dem der Anteil von berufstätigen Frauen in Unternehmen immer noch zu wünschen übrig lässt. Die Realität sieht anders aus. Und da die modernen Rollenbilder noch nicht funktionieren, scheinen viele von uns auf dem Weg nach vorn mit der Mutterschaft in einem schwarzen Loch zu verschwinden. Wann begreifen wir, dass wir als Gesellschaft endlich anfangen müssen, diese fortschrittlichen Rollenbilder auch wirklich zu leben? Das heisst, auch den bügelnden Hausmann richtig gut zu finden. Oder die berufstätige Frau, die sich mal auf dem Spielplatz zeigt, nicht mit strafenden Blicken zu belasten, sondern einfach mal hilfsbereiter zu sein.
Ein Muss: gegenseitige Förderung
Auch wir Frauen müssen dazulernen, uns gegenseitig weniger zu kritisieren als zu stärken. Denn wir dürfen die gut ausgebildeten Frauen, auch wenn sie Mütter werden, nicht verlieren. Und dazu müssen wir alle endlich mehr Grosszügigkeit und Toleranz anderen Rollenmodellen gegenüber zeigen. Und zwar nicht nur in der Theorie. Denn noch liegt die Realität weit zurück und fordert ein fortschrittlicheres Handeln.
Ich bin überzeugt davon, dass es für Frauen wichtig ist, sich genau diese Fragen in ihrem Leben immer wieder zu stellen und ganz persönlich für sich zu beantworten: Wer will ich sein? Was sind meine Ziele und Träume? Denn es geht im Leben eben genau nicht darum, wer man meint, sein zu müssen – also nicht um die Erfüllung normierter Rollenbilder –, sondern darum, wer man wirklich sein möchte. Frauen aktiv zu fördern, ist unerlässlich. Und zwar nicht nur Förderung durch Arbeitgeber, die Gesetzgebung oder Quoten. Wir Frauen müssen besser darin werden, uns gegenseitig zu fördern.
Wir müssen jede Chance nutzen, um Frauen – natürlich qualifizierte – auf Podien und in gute Jobs zu bringen. Damit sie so wieder anderen Frauen zeigen: Es geht! Damit wir als Frauen sichtbar werden und Frauen zur Normalität werden in wichtigen Runden und auf wichtigen Positionen.
Seid stolz auf das Erreichte!
Eines meiner Learnings der letzten Jahre: Wenn ich andere fördern will, muss ich lernen, selbst auf meine Erfolge stolz zu sein. Ich sollte aufhören, meinen Erfolg auf Glück zurückzuführen. Wie den meisten Frauen fällt es mir leicht, Niederlagen zu analysieren und Fehler auf mich zu nehmen. Viel schwerer ist es, zu den eigenen Erfolgen zu stehen, bei denen Glück vielleicht eine Rolle spielt, aber vor allem Können, das Gespür für Trends, Kundenbedürfnisse und Marktchancen. Es wird Zeit, dass wir lernen, positiv und stolz von uns selbst zu sprechen. Und uns trauen, uns selbst zu promoten, wenn uns etwas gelungen ist.
Ich bin ein Fan von Frauen-Frauen: Frauen, die begriffen haben, dass es von gestern ist, mit anderen Frauen zu konkurrieren oder auf ihren Erfolg neidisch zu sein, sondern dass es gerade sexy ist, sich «in dem Glanz erfolgreicher Frauen zu baden». Wir sollten uns jedoch nicht nur untereinander verbünden, sondern die richtigen Männer zu Komplizen machen.
Es gibt immer noch zu viele machtvolle Männerrunden, die wir gemeinsam leichter sprengen. Dann können wir schneller etwas Grundlegendes bewegen, damit mehr Frauen Gesellschaft, Wirtschaft, unsere Welt gestalten können.
Katarzyna Mol-Wolf
Die Autorin ist geschäftsführende Gesellschafterin von INSPIRING NETWORK und Editorial Director von EMOTION und FAZ-Aufsichtsratsmitglied. Die promovierte Juristin hat EMOTION als Verlags- und Anzeigenleiterin bei Gruner + Jahr mitentwickelt und den Titel 2009 in einem Management-Buy-out übernommen.