Die Zinsen in Zukunft

Die Zinsen in Zukunft

Publiziert am Autor: Roland Wirth

Wer investieren will, muss sich um die Finanzierung kümmern. Die Beschaffung des Geldes ist 1:1 ein Einkaufsprozess. Erstaunlich eigentlich, dass sich in der Praxis nicht die Einkaufsprofis um die Kreditbeschaffung kümmern. Es wäre zweifellos ein Aufgabenfeld, welches manche Einkaufskarriere beleben würde. So seien hier mit einigen Gedanken zum Thema Zins die Grundlagen für die Aufgabenerweiterung gelegt.

Es gehört offenbar zum Alltag eines Ökonomen, dass sich sein privates Umfeld an ihn wendet, um Zukunftsprognosen zu erhalten. Bevor ich jeweils inhaltlich Stellung nehme, weise ich reflexartig jede Gewähr von mir, denn niemand kann die Zukunft vorhersagen. Konkret ging es jüngst darum, wie lange eine Hypothek zu fixieren sei. Das Thema langweilt mich längst – aber bei der Bemerkung meines Freundes, dass die Zinsen garantiert nie mehr auf fünf, sechs Prozent oder noch höher steigen werden, wurde ich hellhörig. Nur weil wir uns dies in der aktuellen Lage nicht vorzustellen vermögen, heisst es keinesfalls, dass es nicht möglich ist. Die andauernde Tiefzinsphase hätte noch vor wenigen Jahren niemand für möglich gehalten.

Als ich mich als Doktorand mit alternativen Wirtschaftstheorien beschäftigte, war ich an der volkswirtschaftlichen Abteilung der Uni ein Aussenseiter. Die von mir untersuchten Theorien erkannten im Zins das Grundübel der Wirtschaftsordnung und wollten ihn daher abschaffen oder zumindest massiv senken. Daraus sollte eine bessere Welt hervorgehen, in welcher die Menschen frei von wirtschaftlichen Zwängen ein gutes Leben führen können. Die Kritik der «normalen» Ökonomie daran war, dass tiefe Zinsen erstens nicht möglich seien und zweitens die weltverbessernden Wirkungen nicht eintreten würden. Die aktuelle Phase erlaubt es uns, beide Kritikpunkte zu überprüfen: Nullzinsen sind also sehr wohl möglich, aber sie haben aus der Welt kein Paradies geschaffen. Was letztlich vorhersehbar war, denn die Anreize auf dem Kapitalmarkt sind genau die gleichen, egal auf welchem Zinsniveau wir sind.

Zurück zur Hypothekenfrage: Ich habe dem Freund empfohlen, ganz langfristig zu fixieren. 15 Jahre ruhig schlafen für unter 2%. Das ist – egal was die Zukunft zinsmässig bringen mag – ein unglaubliches Schnäppchen. Dafür übernehme ich sogar Gewähr.

Roland Wirth

Roland Wirth

Der promovierte Volkswirtschaftler kennt die Bildungswelt aus unterschiedlichen Funktionen und ist als Dozent für Volkswirtschaftslehre am Puls der Wirtschafts­politik. Er ist Geschäftsführer und Rektor der Kaderschule Zürich, welche die Anbieterin des PWA-Wirtschaftsprogramms und der Lernplattform elob ist.