Die Universität Zürich reorganisiert ihr Beschaffungswesen
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Mit der Abteilung «Material und Logistik» verfügt die Universität Zürich (UZH) zwar bereits über eine zentrale Stelle für die Beschaffung und Logistik. Zugleich geniessen die einzelnen Institute in Beschaffungsfragen aber eine hohe Selbstständigkeit. Das erschwert einerseits natürlich das Bündeln, etwa jenes von Materialeinkäufen oder den institutsübergreifenden Einkauf von Serviceleistungen, um nur zwei Beispiele zu nennen. Andererseits ist so aber sichergestellt, dass die zu beschaffenden Güter jederzeit den hohen Anforderungen in der Spitzenforschung genügen.
Durch die angestrebte Reorganisation kann die Beschaffung gleichwohl gebündelt und dadurch können in der Regel günstigere Einstandspreise erzielt werden. Diese Einsparungen wiederum stehen der Forschung und Lehre direkt zur Verfügung.
Nutzen des Beschaffungscontrollings
Neben den anvisierten erwähnten Synergieeffekten und Einsparungen stehen noch weitere Aspekte im Fokus. So ist die Universität auch bestrebt, künftig die Nachhaltigkeit in Beschaffungsfragen noch stärker zu gewichten. Wenn es um Nachhaltigkeit geht, muss auch die Nachhaltigkeitsstelle der Universität einen Überblick über die Beschaffungen haben, damit sie Empfehlungen an Forschende und Beschaffungsstellen abgeben kann. Dabei müssen Submissionsvorschriften eingehalten werden. Deshalb ist ein weiteres Augenmerk darauf gerichtet, die strikte Einhaltung des Submissionsrechts weiterhin sicherzustellen. Gerade diese Vorschriften verlangen eine gewisse Expertise in der Anwendung und Durchsetzung.
Einen elementaren Beitrag dazu kann ein zeitgemässes Beschaffungscontrolling leisten. Ein solches bringt auch für eine universitäre Hochschule vielfältige Vorteile. So werden Einsparungen durch Bündelungen sicht- und steuerbar. Bei (nun sichtbaren) Verstössen gegen Compliance-Regeln ist es möglich zu intervenieren. Kooperationen mit anderen Hochschulen werden besser steuerbar. Ein weiterer zentraler Vorteil ist, dass die Arbeitsqualität der Beschaffungsstelle einfach zu messen ist. Und durch die Messung von Soll-Ist-Abweichungen werden rationale Grundlagen für Massnahmen bei Abweichungen geschaffen. Dank Beschaffungscontrolling können die Beschaffungsziele über klar zugeordnete (und nicht einfach willkürlich gewählte, weil verfügbare) Key Performance Indices (KPI) gesteuert werden. Die Universität erhält so ein auf die Beschaffungsziele fokussiertes Reporting.
Master Thesis zum Beschaffungscontrolling
Im Rahmen einer Master Thesis im Studiengang «MAS Supply Management Excellence» der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) wurde deshalb untersucht, welches Controllingkonzept für die Beschaffung an der Universität Zürich geeignet ist. Bestandteil davon war
auch, abzuklären, wie andere Hochschulen ihr Beschaffungscontrolling gestalten.
Es wurde schnell klar, dass solche Konzepte an Hochschulen noch wenig verbreitet sind. Auch die Wissenschaft hat noch keine allgemein akzeptierte Antwort darauf, wie ein Controllingkonzept in der Beschaffung auszusehen hat. In der aktuellen Forschungsliteratur werden zwar einige Controllingmodelle diskutiert und vorgeschlagen. Ein wesentliches Element der Master Thesis war es deshalb, aus dem aktuellen Forschungsstand für die UZH geeignete Controllingkonzepte abzuleiten. Die Entscheidung fiel auf die Kombination zweier theoretischer Ansätze.
Der eine Ansatz gliedert die Beschaffung in sogenannte «Handlungsfelder» nach Peter Schentler. Dieser schlägt vor, dass Beschaffungsziele in sechs thematisch für die Beschaffung wichtige Themen beziehungsweise Beschaffungsfelder (Materialflüsse und Güterflüsse, Lieferanten, Beschaffungsprogramm, Zahlungsströme sowie der Beschaffungsbereich selbst) gegliedert und so betrachtet werden sollen. Da die Zahlungsströme an der Universität nicht durch die Beschaffung selbst beeinflussbar sind, wurde dieses Handlungsfeld durch das Handlungsfeld Compliance ersetzt. Die Steuerung der Compliance auch in der Beschaffung spielt bei einer öffentlich-rechtlichen Institution eine zentrale Rolle.
Der andere Ansatz orientiert sich an der in der Industrie verbreiteten «Balanced Scorecard» (BSC), einem Konzept zur Messung und Steuerung der Strategie. Eine solche Balanced Scorecard stellt die Beschaffungsziele aus vier sogenannten «Perspektiven» dar, wie etwa Finanzen, Kunden, Prozesse und Potenzial. Die Balanced Scorecard wurde von Alwin Locker durch die Perspektive «Supply Chain Partner» erweitert und von ihm so als Einkaufs-und-Supply-Chain-Scorecard bezeichnet.
Kombiniert man die beiden Modelle entsteht ein Raster von fünf mal fünf Feldern, da jedes Handlungsfeld mit jeder Perspektive kombiniert wird. Die Beschaffungsziele, die bei Bedarf in weitere Teilziele zu splitten sind, werden nun dem Raster zugeordnet, sodass jedes Ziel unter einer Perspektive und einem Handlungsfeld erscheint. Durch diese Vorgehensweise ist sichergestellt, dass die Ziele in allen Handlungsfeldern und in allen Perspektiven beurteilt werden. Dieses Vorgehen zeigt aber auch auf, wo die Ziele, Handlungsfelder und Perspektiven allenfalls nicht abdecken. So lassen sich die Ziele umfassend steuern.
Die so strukturierten Ziele sind messbar zu machen. Dabei sind geeignete «Messgrössen», sogenannte Key Performance Indices (KPI), zu evaluieren. Durch die Zuordnung von Sollwerten ist es möglich, die Zielerreichung jederzeit adäquat zu verfolgen und bei Abweichungen nötigenfalls frühzeitig Massnahmen zu ergreifen. Durch eine übersichtliche Zusammenstellung der KPI mittels Reporting können diese mit den Sollwerten verglichen, Abweichungen begründet und Massnahmen vorgeschlagen werden.
Ein wichtiges Ziel der Master Thesis war es, diese KPI möglichst mit heute schon vorhandenen Daten und Systemen zu errechnen. Damit ist eine Umsetzbarkeit ohne weitere Investitionen gegeben.
Vorerst nur Studie
Es ist gelungen, für die Universität Zürich ein Konzept für ein Beschaffungscontrolling zu erstellen, das die theoretischen Grundlagen zweier Modelle in sich vereint. Der Vorteil einer solchen Vorgehensweise liegt darin, dass allfällige Lücken in den Zielen sichtbar werden. Auch zwingt das Vorgehen, Beschaffungsziele nach wesentlichen Handlungsfeldern der Beschaffung und nach Perspektiven der Unternehmensführung auszurichten. Die Praxistauglichkeit wird sich aber erst in der Anwendung zeigen.
Nach der erfolgreichen Etablierung eines E-Procurement-Systems im letzten Jahr wird die Beschaffung im Rahmen eines Projektes derzeit weiter optimiert. Geplant ist etwa die Einführung eines modernen Warengruppensystems. Erst nach Abschluss dieses Projektes kann über die Einführung des Beschaffungscontrollings entschieden werden.
Urs Fankhauser
Der Autor ist seit 2013 für die Beschaffung der Logistik und Laborservices an der Universität Zürich zuständig. Der gelernte Chemielaborant hat sich zum Chemiker HTL weitergebildet und verfügt über langjährige Industrieerfahrung in den Bereichen Produktentwicklung, Beschaffung und Supplier Relationship Management.