Die Jagd nach Verschwendungen führt im Einkauf zum Erfolg
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In drei Monaten die Durchlaufzeit für einen bestimmten Arbeitsvorgang halbieren und gleichzeitig die Produktivität um 5 bis 20 Prozent steigern? Dank Lean Management und Kaizen ist dies möglich, weiss Oliver Mattmann, Gründer und Inhaber der Leancom GmbH mit Sitz in Zug. Der promovierte Medizinwisschaftler hat die Unternehmensberatung 2011 gegründet und ist Referent des neuen Seminars von procure.ch. Zu seinen Kunden zählen unter anderem Büroeinrichter und ein grosser Detailhändler, der mittels Lean Management seine Retouren-Abwicklung optimieren konnte. Für viele Unternehmen sei es sinnvoll, sich mit Lean Management und Kaizen auseinanderzusetzen. Im Vordergrund steht die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit sowie die Schaffung eines Mehrwertes für Mitarbeitende und Kunden.
Für jede Branche und Firmengrösse
Lean Management und Kaizen haben ihren Ursprung in Japan. Beide Philosophien und Methoden ergänzen sich und sind unabhängig von der Branche sowie Firmengrösse anwendbar. Dabei geht es um einen Kulturwandel, um Menschen und die Art und Weise, wie sie zusammenarbeiten und sich als Organisation nachhaltig weiterentwickeln.
Kaizen, 改japanisch für «Veränderung zum Besseren», bezeichnet eine Lebens- und Arbeitsphilosophie als auch eine Methode. Im Zentrum steht das Streben nach kontinuierlicher Verbesserung. Lean Management kommt ursprünglich aus der (Automobil-) Industrie. Es umfasst alle Denkprinzipien und Instrumente zur effizienten Gestaltung der gesamten Wertschöpfungskette. Das englische Wort «lean» heisst übersetzt «schlank». Lean Management bedeutet, Werte ohne Verschwendung zu schaffen. Was wird in Schweizer Unternehmen am häufigsten verschwendet? Für Oliver Mattman ist klar: «Die Zeit von Führungskräften.
Während das Finanzkapital in Schweizer Betrieben meist sehr gut verwaltet wird, geben sich beim Thema Zeit viele als Gutmenschen und gehen häufig nicht haushälterisch damit um. Dies wirkt sich auf die Zusammenarbeit im Team und letztlich auf die Produktivität aus.»
Reibungsverluste an Schnittstellen
Das Seminar von procure.ch richtet sich an Führungskräfte und Mitarbeitende aus dem Beschaffungsumfeld, Geschäftsleitungs- und Management-Mitglieder sowie operative Mitarbeitende. Die Teilnehmenden lernen die Grundlagen eines Kaizen Office kennen, und wie sie Lean Management in der Beschaffung anwenden können. Im Einkauf verfügen laut Oliver Mattmann zwar viele Firmen bereits über Automatisierungsprozesse, etwa bei Bestellprozessen. Allerdings würden die Potenziale einer verbesserten Partnerschaft zwischen Lieferanten und Kunden oft nicht ausgeschöpft. Im Rahmen des klassischen Lieferantenmanagements werde häufig nur über Preise, Lieferzeiten und Qualität gesprochen. «Reibungsverluste an Schnittstellen stehen selten im Fokus. So wird zum Beispiel der Aufwand für die Wareneingangsprüfung sowie für interne oder externe Abstimmungen nur selten komplett vom Lieferanten vergütet», beobachtet der Unternehmensberater. Doch wie kann der Einkaufsalltag konkret verbessert werden? Seine Firma zum Beispiel hat sich bis Ende 2019 das Ziel gesetzt, die Beschaffung papierlos zu organisieren. Aktuell müssen die erhaltenen Lieferanten-Rechnungen auf Papier eingescannt und die Angaben manuell eingebucht werden. Bis der Lieferant sein Geld bekommt, sind folglich mehrere Arbeitsschritte nötig. Neu sollen die Lieferanten die Rechnung elektronisch zusenden, wodurch sich die interne Bearbeitungszeit von vier Minuten auf neu 20 Sekunden reduzieren lässt – bei gleichzeitiger Vermeidung von Fehlerquellen. Im Idealfall laden die Lieferanten zukünftig ihre Rechnungen direkt auf die E-Banking-Plattform der Firma, was die interne Bearbeitungszeit weiter optimieren wird.
Nach ersten Erfolgen: weitermachen!
Die grössten Herausforderungen bei Veränderungsprozessen im Rahmen von Lean Management und Kaizen sieht Oliver Mattmann einerseits bei den Führungskräften, die sich keine oder zu wenig Zeit für die Auseinandersetzung mit der Thematik nehmen oder die Philosophie nicht vorleben. Unstrukturiertes Vorgehen erschwere ebenfalls die Umsetzung.
Eine weitere Herausforderung bestehe darin, nach ersten Erfolgen dranzubleiben. So gibt es laut dem Lean-Experten Betriebe, die nach der ersten Verbesserungswelle, sprich, nach einer Produktivitätssteigerung, gleich mehrere Mitarbeitende entlassen. «In diesem Fall war die Steigerung eine einmalige Sache und keine kontinuierliche Verbesserung im Sinne von Kaizen», resümiert Oliver Mattmann.
Der Einsatz von Lean Management und Kaizen hat nur einen Nachteil: «Sie müssen Zeit in die Zukunft investieren, Verbesserungen gibt es nicht gratis. Manche Optimierungen sind erst übermorgen oder in drei Monaten ersichtlich. Lean Management und Kaizen erfordern ein
langfristiges Engagement, es ist kein kurzfristiges Programm für Rationalisierungen.»
Bei beiden japanischen Ansätzen spielt im Übrigen das Thema Ordnung eine wichtige Nebenrolle: passendes Büromaterial und eine bedarfsgerechte Einrichtung helfen bei der Umsetzung, seien es physische Ablagesysteme oder ergonomische Büromöbel. Denn im Chaos ist schnell Zeit mit Suchen verschwendet.
Oliver Mattmann hat abschliessend einen Tipp für Einsteiger im Büroalltag: «Der erste Schritt beginnt immer bei sich selber. Nehmen Sie sich pro Woche eine Stunde Zeit für Verbesserungen, beispielsweise um die elektronische Datenablage aufzuräumen und nicht mehr benötigte Dokumente zu löschen. Und starten Sie den Tag offline.»
Mehr Informationen zum Seminar
Der vorliegende Artikel ist in der Juliausgabe von «haptik.ch», dem Verbandsmagazin der Schweizer Papeterien und Spielwarendetaillisten, erschienen. Möchten Sie mehr darüber erahren, weshalb die Jagd nach Verschwendungen im Einkauf zum Erfolg führt, dann besuchen Sie unser neues Seminar «Lean Management im Einkauf», welches am 26. September und am 16. Oktober in Zug stattfindet.
Vanessa Borer
Vanessa Borer ist seit 2017 Chefredakteurin von «haptik.ch». Die offi zielle Publikation der Schweizer Papete rien und Spielwarendetaillisten informiert Fachpersonen und Brancheninsider aktuell über Relevantes aus der Branche.