Die Fachfrau für Kommunikation

Die Fachfrau für Kommunikation

Publiziert am Autor: Mario Walser

Sie ist ein Profi in Sachen Auftrittskompetenz! Von 1999 bis 2002 moderierte Janine Geigele (47) die Sendung «Sport aktuell» im Schweizer Fernsehen. Danach machte sie sich als Kommunikationsfachfrau im Weltsport einen Namen. Inzwischen fokussiert sich die gebürtige Bielerin mit ihrer Agentur Geigele Communications auf die Bereiche Athletenmanagement, Krisenkommunikation, Öffentlichkeitsarbeit und Moderationen.

Janine – was war dein grösstes Missgeschick in puncto Auftrittskompetenz? 

Zur Auftrittskompetenz gehört ja nicht nur die Art und Weise, wie ich auftrete, sondern auch der Inhalt. In diesem Bereich habe ich sehr viele «Böcke geschossen». Ich habe schon mit 13 Jahren angefangen, beim Lokalradio Canal 3 in Biel zu arbeiten. Während der Schulzeit habe ich über 35 Stunden pro Woche im Radio über Sport berichtet und war es gewohnt, immer sehr direkte Fragen zu stellen. Als ich dann mit 25 beim Schweizer Fernsehen angestellt wurde, kam ich in eine ganz andere Welt. Auch bei SRF war ich weiterhin sehr direkt. Dadurch habe ich sehr viel angeeckt, viele ver- und aufgeschreckt. Mir war lange die Bedeutung der Sätze und Formulierungen viel zu wenig bewusst. Das Auftreten hingegen, die Art und Weise, wie man auftritt, das war irgendwie immer schon klar. 

Erzähl uns mehr über deine Lehrjahre ...

Meine «Rettung» war, dass ich gelernt habe, «Nein» zu sagen oder «Vielen Dank, ich überlege es mir gerne». Weil bei mir als Radiojournalistin immer alles sehr schnell gehen musste, habe ich mir über meine Aussagen lange zu wenig Gedanken gemacht. Im Verlauf der Zeit habe ich mir alle Komponenten spezifisch angeeignet. Beim Auftritt gilt nämlich folgende Formel: 50% davon ist die Art und Weise, wie ich präsentiere, 42% beinhaltet das Äussere und nur 8% vom Inhalt bleibt jeweils hängen. In all den Jahren als Sportjournalistin, Moderatorin, Speakerin und Kommunikations-Spezialistin habe ich noch mehr gelernt, das Zusammenspiel zu perfektionieren. In der Zwischenzeit trainiere ich etliche Personen vor der Kamera und bereite sie darauf vor, Referenten zu werden oder inhaltlich spannende Interviews zu geben. Ich habe viele Kunden, die auch sehr knifflige Situationen kommunikativ meistern müssen, und da ist intensive Kommunikation gefragt. 

Kannst du uns einen Trick verraten, wie man das Eis bricht, um die Aufmerksamkeit des Gegenübers zu erhalten?

Ich versuche, die Menschen verbal herauszufordern, auch mit Sprüchen. So bricht meistens das Eis und wir können dann auf Augenhöhe kommunizieren. 

Warum gibt es Menschen, die begeistern können, und andere, denen man am liebsten gar nicht zuhören würde?

Dazu gehören einige Faktoren. Als Erstes bestimmen die Stimme und das äussere Erscheinungsbild. Der Mensch braucht 12 Sekunden, um zu entscheiden, ob er jemandem zuhören will und ob er die Person sympathisch findet. In dieser kurzen Zeitspanne wird gemustert, eingeordnet, gewertet – man macht sich ein Bild von dieser Person. Das bedeutet gleichzeitig aber auch, dass es eigentlich in den ersten 12 Sekunden keine Rolle spielt, was ich sage. Verrückt, oder? 

Was hilft dagegen?

Man dreht das Ganze um und packt das Publikum gleich mit einem guten Einstieg. So gibt man allen Zeit, sich ein Bild des Gegenübers zu machen. Erst nach dem Äusseren, der Stimme und dem Auftreten kommt dann der Inhalt. Es gibt viele Profis, die ein Publikum mit Leichtigkeit fesseln können. Ganz wichtig dafür ist zuerst Glaubwürdigkeit, danach folgt Begeisterungsfähigkeit. Ab dann habe ich es geschafft, das Publikum in meinen Bann zu ziehen. 

Was genau handhaben Menschen, die begeistern können, denn anders?

Sie nutzen die Bühne und wollen das Publikum begeistern. Das Publikum muss ja nicht nur ein Saalpublikum sein, es kann auch im Schulzimmer sitzen. 

Kann man das üben?

Absolut, ja. Noch kein Meister ist vom Himmel gefallen. Folgende Fragen sollte ich mir stellen: Wer ist meine Zielgruppe? Was sind meine Hauptaussagen? Wer ist dieses Mal mein Publikum? Wie fessle ich mein Gegenüber? Wie bekomme ich die Aufmerksamkeit? Wie bringe ich meine Botschaften rüber? Was soll überhaupt von meinem Auftritt haften bleiben? Wenn ich diese Fragen klar beantwortet habe, dann passt alles zusammen. Charme, Herzblut, Leidenschaft und Kompetenz – absolut unschlagbar!

Warum bleiben gewisse Inhalte bei uns hängen, andere wiederum nicht?

Es kommt darauf an, wie wir es erzählen und wie wir es rüberbringen. Botschaften übermitteln muss gelernt sein. Wenn etwas nicht passt, dann bleibt am Schluss nicht der Inhalt, sondern das rote Kleid der Referentin hängen. Das ist schade, und genau das muss geübt werden. Aber viele Menschen machen sich dazu zu wenig Gedanken. 

Kannst du Beispiele nennen?

Oft kommt jemand nach einem Interview zu mir und meint: «Das habe ich gar nicht so gesagt.» Wo also bleibt die Kommunikation zwischen Sender und Empfänger hängen? Die tollsten Beispiele finden sich im Alltag. Die Frau sagt zu ihrem Mann: «Schatz, der Mülleimer ist voll.» Eigentlich meint sie aber: «Schatz, bring den Müll raus!» Wieso sagt sie es dann nicht so? Wie soll der Mann dann verstehen, dass er nun den Müll rausbringen soll?

Wieso geben wir bei einem Lieferanten unser Geld gerne aus, beim anderen hingegen gehen wir aus der Verhandlung, ohne etwas zu bestellen? 

Weil das zum Glück auch vom Käufer und Verkäufer abhängt. Mir erzählte mal ein Firmenbesitzer, wie sehr er seine Käufer auf die Kundschaft schult und wie oft Kunden dann Sachen gekauft haben mit der Bemerkung: «Wir wollten eigentlich gar nichts kaufen, aber Sie haben das so gut gemacht.» Das Zauberwort heisst auch hier: Auf die Menschen zugehen, Bedürfnisse ablesen, das richtige Produkt anbieten, den guten Riecher haben und dann natürlich die Vorteile des Produkts aufzeigen. 

Wie präsentiert man gute Inhalte überzeugend? 

Da diese 12 Sekunden am Anfang ja ablenken, muss der Einstieg trotzdem knallen, es muss sofort Aufmerksamkeit generiert werden. Und dann Zeit geben, um die Person einzuordnen. Dann kommen zwei bis drei Argumente, das unterstreicht die Kompetenz, es kann etwas erklärt werden. Am Schluss folgt ein Fazit, eine Conclusio. Mit dieser einfachen Regel kann ich absolut alles überzeugend erklären. 

Unterscheiden sich die Kommunikations-Herausforderungen im Geschäftsalltag abhängig vom Geschlecht?

Sie unterscheiden sich sehr stark. Frauen hinterfragen alles. Wie sie wirken, was sie sagen sollen, was sie anziehen sollen und wie der Inhalt beim Gegenüber ankommt. Viele wollen nicht zu forsch auftreten, drücken sich etwas verhalten aus und wollen niemandem auf die Füsse treten. Ich erlebe viel zu wenig Frauen, die einfach hinstehen und sagen «Ich kann das!». Für viele Männer ist das überhaupt kein Problem. Sie hinterfragen all diese Punkte gar nicht, sondern stehen einfach hin und erzählen. Oft sind sie überzeugt, dass sie das einfach können und dass sie gut darin sind. Analysiert man aber die Aussagen und konfrontiert sie damit, kann sich das ändern. Ich habe schon öfters gehört «Wieso hat mir das niemand vorher gesagt?». Hier macht es dann richtig Freude, zusammenzuarbeiten. Auf der anderen Seite gibt es solche Menschen, die keine Inputs oder Feedbacks annehmen und sich auch nicht reflektieren. Manchmal wünschte ich mir, dass die Frauen forscher und selbstsicherer auftreten und dass Männer mehr Feedbacks annehmen würden. 

Viele Veranstaltungen finden noch immer online statt – und nicht vor Ort. Was gilt es zu beachten, damit die Botschaft sowohl online als auch vor Ort gut ankommt?

Neben den technischen Sachen (Set-Up, Licht, Ton, richtige Kameraeinstellung) kann Folgendes gut ankommen: eine persönliche Anekdote und eine Geschichte erzählen. Gerade das Story-telling funktioniert wunderbar, wenn die Geschichte mit einem packenden Einstieg, einer guten Struktur (roter Faden) sowie einem Fazit oder witzigen Schluss hängen bleibt. Eine Botschaft darf auch wiederholt werden, wenn sie gut auf den Punkt gebracht werden kann. 

Nun zu etwas, was die meisten von uns plagt – Lampenfieber ...

Lampenfieber gehört dazu, das ist die erste Erkenntnis. Wenn ich das weiss, kann ich Höchstleistungen erbringen. Es kann motivierend sein zu wissen, dass in diesem Moment Adrenalin ausgeschüttet wird und ich jetzt gut sein muss. Wenn das Lampenfieber schlimm ist, sollte versucht werden, herauszufinden, warum das so ist und wie es sich bemerkbar macht. 

Hast du Tipps?

Eine gute Vorbereitung gibt Sicherheit. Und ist sozusagen schon die «halbe Miete». Ich selbst bin immer am Tag vor dem Auftritt etwas nervös, weil ich mit der Vorbereitung noch nicht dort bin, wo ich sein möchte. Sobald ich aber sattelfest bin und alles vorbereitet habe, ist alles gut und ich kann ruhig auftreten. Das hilft dann auch meinen Gegenübern extrem, weil ich ihnen so die Nervosität nehmen kann. 

Janine Geigele

Janine Geigele war 25 Jahre Sportjournalistin, Redaktorin und Moderatorin bei Radio Canal 3, Radio Argovia, dem Schweizer Fernsehen und Radio SRF. Sie kann auf zahlreiche Einsätze an Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften zurückblicken. Sie war Mediendirektorin im America’s Cup bei Alinghi und dem Team Shosholoza sowie an der Leichtathletik-EM 2014 in Zürich und bei Weltklasse Zürich, wo sie auch lange Jahre als Stadionspreche-rin tätig war. Janine Geigele arbeitet auch
in den Bereichen Krisenkommunikation und Athletenmanagement und ist Präsidentin der Schweizer Sportjournalisten sportpress.ch.