Die Besonderheiten des Online-Verhandelns

Die Besonderheiten des Online-Verhandelns

Publiziert am Autor: Jörg Köck, Christoph Hilger

Die Quadriga Hochschule Berlin Studie zeigt, dass 72% der Befragten Onlineverhandlungen als herausfordernder empfinden als persönliche Treffen, wobei die digitale Darstellung von Authentizität und Vertrauensaufbau eine zentrale Rolle spielt.

Onlineverhandlungen haben in den letzten Jahren eine immer wichtigere Rolle eingenommen, insbesondere angesichts der globalen Herausforderungen wie der COVID-19-Pandemie. Sie bieten die Möglichkeit, Geschäfte über geografische Distanzen hinweg abzuschliessen und die Effizienz von Verhandlungen zu steigern. Allerdings bringen sie eigene Herausforderungen mit sich.

Onlineverhandlungen sind in der heutigen globalisierten Welt von grosser Bedeutung, doch sie stehen vor erheblichen Herausforderungen. 

Laut einer Studie der Quadriga Hochschule in Berlin haben 72 Prozent der Befragten die digitale Verhandlungsführung als deutlich herausfordernder empfunden als Präsenzverhandlungen. 

Der persönliche Eindruck und der Aufbau von Vertrauen sind in digitalen Verhandlungen schwieriger, da das Fehlen des persönlichen Kontakts für fast 85 Prozent der Befragten als grösster Nachteil gilt. 

Nur wer die Besonderheiten des Online-Verhandelns kennt, wird in der Lage sein, die für ihn beste Form der Verhandlung zu wählen, um sein Ziel zu erreichen.

Ihre virtuelle Präsenz zählt

Für virtuelle Präsenz müssen Sie sich optimal in Szene setzen. Passen Sie sich deshalb genau in den Bildausschnitt ein, den Sie Ihrem Gegenüber zeigen möchten. Sie wirken nur mit dem, was im Bildbereich zu sehen ist. Typischerweise ist der Ausschnitt, in dem Sie sich präsentieren, eine «halbnahe» Einstellung: Ihr Kopf und Oberkörper bis etwa zur Höhe Ihres Brustbeins – So wird Ihre Aussage auch durch Ihre Körpersprache sichtbar unterstützt.

Als Nächstes ist es wichtig, dass Sie sich der Kameraachse bewusst sind. Zeigen Sie auf Ihre Kamera: Wird Ihr Zeigefinger gross und dick oder verdeckt er das ganze Bild, wissen Sie, in welche Richtung Sie schauen sollten!

Eine Kamera macht technisch aus einem dreidimensionalen Bild immer ein zweidimensionales Bild: Bewegungen von links nach rechts wirken im Kamerabild eher zappelig und unruhig. Ihre Präsenz steuern Sie auf der Achse zur Kamera.

Kommunizieren Sie mithilfe eines Laptops mit integrierter Kamera? Dann ist die Kamera immer tiefer als Ihr Gesicht. Dadurch sprechen Sie automatisch von oben herab! Dagegen hilft nur ein Laptopständer oder eine externe Kamera, gegebenenfalls sogar mit einem Extra-Stativ.

Eine externe Kamera ist qualitativ erheblich besser als die interne Lösung und beinhaltet meist ein Zusatzprogramm, mithilfe dessen sich auch Aufnahmewinkel und Brennweite justieren lassen. So gelingt es, sich professionell zu inszenieren.

Seien Sie das Hellste im Bild

Es sollte selbstverständlich sein, ist es aber nicht: Ihr Gesicht muss die hellste Stelle im Bild sein. Ein Fenster mit Tageslicht im Hintergrund macht Sie zum Beispiel dunkel und unscharf. Das Licht muss von vorn kommen. 

Wenn Sie Kunstlicht benötigen, sollte es am besten von links und rechts kommen, nicht allein von vorn. Sonst gibt es erhebliche Spiegelungen, beispielsweise wenn Sie eine Brille tragen, oder es entstehen kreisrunde Reflexionen in den Pupillen. 

Wir empfehlen eine flächige Beleuchtung von zwei Seiten, bei der Sie Kunstlicht oder Tageslicht einstellen können.

Tragen Sie die richtige Kleidung

Ihre Kleidung sollte gut gewählt sein, denn Kameras mögen keine kleinen Karos, enge Streifen, Fischgräten oder Pünktchen. Es entsteht ein Flimmern, welches zu sehr ablenken kann. 

Eindeutige Farben helfen, das Bild zu beruhigen. Sie sollten im Kontrast zum Raum stehen, in dem Sie sich befinden: Mit einem weissen Hemd vor einer weissen Wand haben Sie kaum Kontur. Schwarz wird bei Dreharbeiten oft vermieden: Sie könnten sehr blass wirken, und das Bild wirkt etwas schwammig, weil es Zeichnung verliert. Falls Sie erwägen, mit einem Green Screen zu arbeiten: Vermeiden Sie grüne Kleidung – Sie hätten keinen Oberkörper mehr!

Wie wirkt Ihr Gesicht durch die Kamera?

Kennen Sie die unterschiedliche Wirkung Ihrer beiden Gesichtshälften? Probieren Sie es aus, indem Sie abwechselnd Ihre linke und rechte Gesichtshälfte zugedeckt fotografieren. 

Vergleichen Sie nun die jeweiligen Gesichtshälften: Es könnte gut sein, dass sie zwei völlig unterschiedliche Geschichten erzählen, wohlgemerkt, bevor Sie überhaupt daran dachten, was Sie überhaupt gerne erzählen würden. 

Suchen Sie sich den optimalen Blickwinkel, den Sie zur Kamera einnehmen. Dazu Legen Sie sich eine Hand auf die Augenbrauen bis zum Kinn und justieren Sie sich so senkrecht zur Kamera: Sie erhalten den subjektiv offensten Blick Ihres Gesichtes in das Bildschirm-Medium. 

Wenn Sie können, machen Sie ein Screenshot-Selfie zur Überprüfung. Dann schiessen Sie noch Fotos von folgenden Positionen: Neigen Sie die Stirn nach vorne. Schauen Sie ein wenig an Ihrer Nase entlang zur Kamera! 

Menschen mit Gleitsichtbrillen blicken häufig auf diese Weise, technisch bedingt. Machen Sie wieder ein Foto! Vergleichen Sie nun die Fotos: Welche Botschaften haben Ihre jeweiligen Gesichtsausdrücke? Wenn Sie sich von aussen sehen: Was ist die Grundaussage eines jeden Fotos?

Seien Sie sich bewusst, wie gut lesbar Sie sind

Jede Gestik und Mimik überträgt sich 3- bis 5-mal stärker über eine Kamera als im normalen Leben. Jede Ihrer emotionalen Regungen überträgt sich so schnell und direkt, dass Sie sehr «lesbar» sind. 

In virtuellen Verhandlungen „sieht“ man so sehr schnell all Ihre emotionalen Regungen – was Ihr Verhandlungsergebnis in anspruchsvollen Verhandlungen in Gefahr bringen kann. Dagegen oder dafür können Sie sich nur überlegen, wie Sie diese Lesbarkeit für sich selbst günstig inszenieren! Denn: Das Ignorieren Ihrer Medienwirkung funktioniert auch nicht. Wenn Sie nicht selbst entscheiden, was Sie von sich präsentieren wollen, entscheiden das Ihre Verhandlungspartner:innen. Und dann wird automatisch auf Sie projiziert und Sie haben die Kontrolle über Ihre Wirkung verloren. Besser ist es, Ihre Wirkung bewusst zu entscheiden und zu planen.

Ihre Stimme als Energieübermittler

Sie müssen Sender:in Ihrer Botschaft sein! Verstehen Sie bitte Ihren Stimmklang und das, was Sie sagen, als Energie-Impuls. Diese Energie muss – ganz praktisch – ins Mikro gefüllt werden. 

Stellen Sie sich vor, etwas wird durch einen Trichter gekippt. Das Mikrofon fungiert als Trichter, und Ihre auf diese Weise gesendete Botschaft schallt in Folge trichterförmig aus den Lautsprechern wieder heraus ins Ohr Ihrer Hörer:innen. Dadurch hat sie eine viel grössere Chance, nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen gehört zu werden.

Vertrauen schaffen – aber wie?

Um Ihnen Glaubwürdigkeit zu verleihen, ist es ratsam, sich seinem Gegenüber in mindestens vier verschiedenen Positionen beziehungsweise Perspektiven zeigen. Das bedeutet, dass Sie sich in Szene setzen dürfen, um so zu wirken, wie Sie es wollen. 

Insofern sind wirkungsvolle Online-Verhandlungen eine Herausforderung wenn Sie das volle Potenzial Ihrer persönlichen Wirkung ausschöpfen wollen. 

Jörg Köck

CEO der BSCC – Better Solutions Coachingconsulting GmbH, Buchautor: Der Preis ist zu hoch, Gründer von Negotiation Intelligence Coach, Trainer, Berater und Experte für Verhandeln, Entscheiden und Kreativität.

Christoph Hilger

Professor für medienspezifisches Sprechen, Partner der BSCC, Coach, Referent und Schauspieler. Er arbeitet häufig mit Führungskräften und Verhandlern von Dax-30 und Fortune-500-Unternehmen zusammen.

Symposium

Lernen Sie am 27. Juni 2024 direkt von Verhandlungsprofis. An unserem Symposium «Verhandeln» betrachten drei Experten (unter anderem auch Autor Jörg Köck) Verhandlungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln und geben Ihnen die nötigen Kniffe mit.

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