Der Zweifel am Glauben ist Voraussetzung
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Ein anschauliches Beispiel? Der grüne Verkehrsclub VCS hat bis vor Kurzem in seiner Öko-Auto-Hitliste fast ausschliesslich Dieselmodelle propagiert. Der Staat ist der Idee gefolgt und hat mit seiner vermeintlich grünen Treibstoffpreispolitik den aktuellen Dieselboom bei den Personenwagen ausgelöst. Der Grund: Diesel hat die leicht bessere CO₂-Bilanz als Benzin. Zwar glaubt niemand ernsthaft, dass sich damit die Klimaerwärmung auch nur um eine Minute verzögern lässt, doch wir erkaufen uns ein gutes Klimagewissen. Seit Kurzem ist der hohe Preis bekannt: massive Belastung unserer Atemluft durch Feinstaub und Stickoxide, Tausende Tote jedes Jahr. Gerne wurde der Autoindustrie geglaubt, dass sie die Sache mit Partikelfiltern und Harnstoffzugaben im Griff hätten – bis der Skandal bestätigte, was die Nase eh längst wusste: Diesel stinkt.
Ist der Salat aus dem Schweizer Treibhaus umweltfreundlicher als der draussen gediehene aus Spanien? Soll beim Verlassen des Ferienhauses der Boiler wirklich ausgeschaltet werden, obwohl beim nächsten Besuch die ganze Wassermenge von kalt auf sechzig Grad aufgeheizt wird? Ist die Energiesparlampe die bessere Wahl als die herkömmliche Glühbirne? Gemäss gängigen Ökorichtlinien sind die Fälle eindeutig. Der Schweizer Salat sei besser, den Boiler laufen zu lassen, eine Sünde und die Ökobilanz der Sparlampe der herkömmlichen drückend überlegen.
Aus ökologischer Sicht können alle drei Tipps falsch sein. Zumindest sind sie oft Ausdruck einer Güterabwägung, die man nicht teilen muss. Wie beim Diesel: Ist mir die (beeinflussbare) Atemluft oder das (kaum beeinflussbare) Weltklima wichtiger?
Wie kann die Beschaffung denn ökologisch optimiert werden? Entscheidungen aufgrund von Rezepten à la VCS führen zwar – wie jeder unreflektierte Glaube – zu einem reinen Gewissen, helfen aber der Sache nur bedingt. Nein, selbst ist der Mann, selbst ist die Frau. Um einen ökologischen Gesamteindruck zu erhalten, sei der steinige Weg tiefen Verständnisses aller wertschöpfenden Prozesse beschritten. Nur mit diesem Aufwand können Schnellschlüsse vermieden und ernst zu nehmende Umweltbilanzen als Entscheidungsgrundlage erstellt werden.