Der digitale Einkauf aus der Managementperspektive
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Die letzten Jahre und Jahrzehnte durchliefen die Supply Chain und das Supply Chain Management grosse Veränderungen (und durchlaufen sie noch immer). Die Wichtigkeit einer stabilen und dennoch flexiblen Supply Chain stieg stetig an. Aufgrund der immer stärkeren internationalen Arbeitsteilung und Vernetzung nahm die Komplexität stark zu und seit geraumer Zeit hält die Digitalisierung auch hier Einzug. Diese Entwicklungen zeigen sich u. a. auch darin, dass beispielsweise nicht mehr von Lieferketten, sondern vermehrt von Liefernetzwerken gesprochen wird. Darüber hinaus wird die Supply Chain nicht mehr als reiner Kostentreiber betrachtet, sondern auch als Möglichkeiten zur Differenzierung gegenüber der Konkurrenz.
Die Supply Chain 4.0
Viele dieser Möglichkeiten basieren auf dem Einsatz der neuen Technologien, die im Zuge der digitalen Transformation implementiert werden können. Auf dem Weg zur digitalen Supply Chain, der Supply Chain 4.0 (SC 4.0), können eine Vielzahl unterschiedlicher Technologien eingesetzt werden wie zum Beispiel 3D-Druck für Additive Manufacturing, Big Data Analytics zur Entscheidungsunterstützung oder Automatisierung und Robotik für die Effizienzsteigerung von Arbeitsabläufen oder Cloud-Technologien für den vereinfachten Informationsaustausch. So können neben den erwähnten Differenzierungsmöglichkeiten auch Kosteneinsparungen und Lagerbestandsreduktionen realisiert werden. Diese digitale Transformation der Supply Chain bringt neben den neuen Möglichkeiten und Chancen jedoch auch einige Herausforderungen mit sich, welche weder in der Forschung noch in der Praxis ausreichend erforscht sind und wofür noch keine Lösungen erprobt wurden – bisweilen existiert noch nicht einmal eine einheitliche Definition oder Verständnis der SC 4.0.
Eine durchgängig und konsequent umgesetzte SC 4.0 hat grosses Poten-
zial, die traditionellen Lieferketten und deren Entwicklung zu verändern, einer Studie zufolge sollen sogar Gesamtkostensenkungen von bis zu 30% oder Reduzierungen der Lagerbestände in der Höhe von bis zu 75% möglich sein. Um diese Potenziale abschöpfen zu können mit einer digitalisierten Supply Chain, reichen die notwendigen Technologien allein jedoch nicht aus. Diese müssen in Einklang mit der Unternehmensstrategie und den Benutzeranforderungen implementiert werden. Das zeigt, dass für die digitale Transformation der Supply Chain unterschiedliche Perspektiven betrachtet werden müssen.
Strategie, Technologie, Prozesse
Mit der digitalen Transformation der Supply Chain müssen strategische Ziele verfolgt werden, die im Einklang mit der Gesamtstrategie des Unternehmens stehen. So kann die SC 4.0 beispielsweise Beiträge zur Profitabilität oder Kundenzentrierung leisten.
Die strategischen Zielsetzungen werden durch die SCOR-Prozesse der Supply Chain erreicht. Durchgehend digitalisierte Supply Chains ermöglichen effizientere, aber auch flexiblere und horizontal sowie vertikal integrierte Prozesse – also auch eine verbesserte Kollaboration innerhalb eines Unternehmens und über dessen
Grenzen hinweg. Eine Grundvoraussetzung hierfür stellt jedoch die Inter-
operabilität der unterschiedlichen eingesetzten Technologien voraus. Zur Umsetzung der SC 4.0 stehen mittlerweile eine Unmenge an Technologien zur Verfügung: 3D-Druck, Augmented Reality, IoT, Robotik, Big Data Analytics etc. Die Herausforderung besteht darin, einerseits die technologisch und wirtschaftlich passenden Komponenten zu wählen und die Interoperabilität sicherzustellen.
Managementkompetenzen
Basis, um die digitale Transformation der Supply Chain in einem Unternehmen vorantreiben und erfolgreich umsetzen zu können, bilden die hierfür benötigten Managementkompetenzen. Einerseits werden selbstredend IT-Skills benötigt, aber darüber hinaus auch Kompetenzen im Bereich der strategischen Vision, von Leadership, Compliance oder HR und Organisation.
Das zeigt schön auf, dass für eine erfolgreiche digitale Transformation eine rein technische Betrachtung nicht ausreicht, sondern auch eine «managerial» Sicht eingenommen werden muss. Genau diese managerial Sicht ist bislang sowohl in Forschung als auch Praxis jedoch noch nicht ausreichend behandelt und berücksichtigt worden. So haben sich Forscher der Fachhochschule Graubünden (FHGR) und der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Zusammenarbeit mit Wirtschaftspartnern das Ziel gesetzt, den Einsatz der Technologien in der digitalen Supply Chain genauer zu untersuchen. Aus Managementperspektive wird erarbeitet, welche Information für welche Prozesse und Materialien notwendig sind, während gleichzeitig evaluiert wird, welche Technologien für die Sammlung und Übermittlung dieser Informationen notwendig sind. So wird sowohl eine betriebswirtschaftliche wie auch eine ingenieurswissenschaftliche Sichtweise im geplanten Projekt eingenommen.
Kompetenzen im Wandel
Die Tatsache, dass einerseits die Digitalisierung in der Supply Chain Einzug hält und andererseits unterschiedliche Perspektiven eingenommen werden müssen für eine erfolgreiche Transformation, stellt auch an die Mitarbeiter im Bereich des Supply Chain Managements neue Ansprüche. Neben den klassischen Fähigkeiten und Tools werden neue Skills immer wichtiger. Weiterbildung und Aufbau neuer Kompetenzen werden entscheidend sein, um auf dem Arbeitsmarkt konkurrenzfähig zu bleiben.
Michael Ziegler
Michael Ziegler ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FHGR und studierte Business Process Management.
Dieter Conzelmann
Dieter Conzelmann ist Dozent für Digitale Transformation und Studienleiter für Digital Supply Chain an der FHGR.