DENK LOKAL: Einblick in die Beschaffung des Landhotels Hirschen in Erlinsbach
Publiziert am
Der persönliche Empfang des Chefs, Albi von Felten und die standesgemässe Begrüssung mit einem Willkommensgetränk wurden vielleicht schon erwartet. Eine kurze Einleitung in die Thematik der gastronomischen Beschaffung aber auch des Lebensweges des Besitzers fand passend in der «von Felten Stube» Platz.
So wissen wir nun, dass der Hirschen in heutiger Form mit der Übernahme von Albi von Felten (1999) an lange Familientradition anknüpft. Ein kurzer Exkurs zum Thema Fachkräftemangel hat einige kre-aktive Themen angeregt (vier Tage Woche, diverse Vergünstigungen und Vorteile im Verbund mit anderen). Dies ist im Sinne der Belastung durch sehr lange Arbeitstage notwendig um weiterhin gutes Personal zu finden und halten zu können.
Eine wesentliche Frage im Sinne der Entwicklung des Umfeldes (Restaurantsterben) lautet gemäss Albi: «Kommen sie [die Gäste] zu uns, weil wir so gut sind oder weil sie keine andere Möglichkeit haben?». Diese kritische Betrachtung zeigt deutlich auf, womit sich der innovative Gastronom täglich beschäftigt. Sein Schlusswort nach einem Menu von geteilten persönlichen Erfahrungen und selbstkritischer Betrachtung lautet: «Wir haben den schönsten Beruf – Pech für euch».
Dem ersten Gang folgte sogleich der Zweite, durch die Gartenwirtschaft hin zur Likör-Werkstatt. Eine Verkostung unterschiedlicher Produkte wurde gespickt mit viel Erfahrung rund um die Beschaffung. Plakativ bleibt folgender Satz hängen: «Der Preis spielt gegenüber Qualität eine untergeordnete Rolle». Die kulinarischen Erklärungen über Produktion, Aufbereitung aber auch Alternativen dazu bleiben bildlich in Erinnerung (Yoghurtgeschmack aus Holzstamm).
Ebenso eindrücklich das Konzept altbewährte Traditionen zu übernehmen und zu etwas Neuem zu machen. Stichworte dazu sind «Macvin» oder auch «Paste» anstelle von Pesto [mehr sei dazu heute hier nicht verraten, es muss sich auch lohnen, an solch tollen Anlässen teilzunehmen A. d. V.].
Persönliches Fazit des Gastgebers nach diesen Ausführungen und Erklärungen: «Da gibt es dann kein Gespräch über den Preis, da wird bezahlt!». Nach einer längeren Diskussion über Tomaten und deren Saisonalität respektive Bezugsquelle folgt ein weiteres Hauptgericht im Garten.
Da erzählt Albi plötzlich von Isfahan und Birmenstorf. Es geht um alte Quittensorten, die im eigenen Garten liebevoll gepflegt werden. Ein Grund in einigen Monaten erneut vor Ort zu sein, wenn der Frühling definitiv Einzug gehalten hat. Der Geniesser erklärt warum die richtige Bezeichnung für sein Refugium «Wertschaft» und nicht «Wirtschaft» lautet.
Die Anwesenden erfahren das Geheimnis des Kirschbaums im Garten vor dem Seminarhaus Fuchs und auch wie dieser vor gut 35 Jahren «gepflanzt» wurde. Dass Albi von Felten damals an eben diesem Ort seine Jungesellenbude hatte überlesen wir, erfahren aber wichtige Details warum Erlinsbach auch «Speuz» genannt wird. Die Tomatendiskussion gipfelt in der Erzählung vom Besuch bei Erich Stekovic mit seinen hunderten von Paradeisern.
Projekt «Jurassic Cuisine»
Albi ist überzeugt davon, dass «Nordic Cuisine» und «Alpine Cuisine» einer Trinität im Sinne von «Jurassic Cuisine» bedürfen. Anschaulich schaut er zu den Alpen und weist darauf hin, dass auch der Jura mit rund 200 Millionen Jahren zu würdigen ist. Zudem befinden wir uns Mitten im Jura und im Jurapark. Wir sind gespannt, was da noch folgen wird. Auf jeden Fall ist es ein Probieren wert.
Die möglichst lokale Produktion aber auch die unerlässlichen Abweichungen davon erklärt Albi anschaulich und untermauert dies mit Kalkulationen, Einstandspreisen und Wertvorstellungen. Diese Philosophie und Klarheit überzeugt und wird von ihm gelebt. Ein guter Grund zum «Dänk-Lokal» auf der anderen Strassen- und Seite des Erzbachs ins Weinhaus am Bach und damit den Kanton zu wechseln.
Nach Degustation eines lokalen Cidre folgt ein kurzer Rundgang durch Küche und Denklokal. Zur Abrundung geht es in eine der Suiten mit Weintresoren. Albi hält fest, dass er selbst gelegentlich aus Freude an diesen Zimmern hier übernachtet [was bei 250 m Heimweg überzeugt].
Abgerundet wird der Anlass mit einem Apéro im Weinkeller und verschiedenen auch flüssigen Spezialitäten. Im Sinne der angeführten Argumente stellt Albi unterschiedliche Produkte aus dem Handel und aus seiner Werkstatt gegenüber.
Der Anlass wird mit einem grossen Applaus und einem wertigen Geschenk (natürlich aus der Schweiz) herzlich verdankt.
Andreas Kyburz
Der promovierte Ökonom ist Geschäftsführer von procure.ch. Er ist seit vielen Jahren im Einkauf unterwegs, pflegt ein aktives Netzwerk und ist für neue Ideen und Kontakte offen.