Dekarbonisierung der Lieferketten
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Es ist ein in Rekord, der zum Nachdenken anregen sollte: 36,3 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente wurden im vergangenen Jahr weltweit ausgestossen – so viel wie nie zuvor.
Die Weltwirtschaft hat sich von Corona erholt – und tut sich damit nichts Gutes. Laut einer neuen Studie des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung wird die globale Wirtschaftsleistung ohne zusätzliche Klimaschutzmassnahmen bis ins Jahr 2100 um 7 bis 14 Prozent schrumpfen, in manchen Regionen gar um bis zu 20 Prozent.
Extremwetterereignisse haben weitreichende Auswirkungen auf die Wirtschaft. So schädigen Hitzewellen die Fruchtbarkeit von Böden und weiten überflutungsgefährdete Gebiete auch hierzulande aus.
Regulationen, die gegensteuern sollen, nehmen weltweit zu. Zum Beispiel die vielfach diskutierte EU-Taxonomie, der erst kürzlich überarbeitete Entwurf der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) oder das finanzielle Rahmenwerk der Task Force on Climate-Related Financial Disclosures (TCFD).
Sie alle sollen Unternehmen einen Rahmen bieten, damit die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels tatsächlich gelingen kann.
Wie Zielvorgaben einhalten?
Die Studie «Net Zero Challenge» der Boston Consulting Group und des World Economic Forums kommt zum Schluss, dass die Dekarbonisierung der Lieferkette der entscheidende Faktor für die Erreichung der Klimaziele von Unternehmen ist.
Hier entstehen 90 Prozent der Emissionen eines Unternehmens und damit die Möglichkeit, in grossem Masse CO2 einzusparen. Doch wie lässt sich das weitreichende Feld des Einkaufs klimakompatibel umstrukturieren?
Um entlang der Supply Chain Dekarbonisierungsmöglichkeiten aufzudecken, benötigen Unternehmen vor allem klimarelevante Daten ihrer Lieferanten. Diese fehlen jedoch häufig, zusammen mit einer strukturierten Herangehensweise, diese Daten zu erfassen und zu analysieren.
Ein erfolgreiches, zeitgemässes Klimadatenmanagement basiert auf zwei Säulen: Datenerfassung und darauf basierendes Supp-lier Engagement.
Datenerfassung mit Software-Tools
Häufig fehlen Unternehmen die Ressourcen, um die vielen nötigen Daten ihrer Lieferanten zu sammeln und in die eigene Klimatransformation miteinzubeziehen. Spezialisierte Software-Tools können sich hier als sehr nützlich erweisen. Sie können klimarelevante ESG-Daten von Lieferanten auf einer gemeinsamen digitalen Plattform sichtbar machen und so die Verwaltung und Zusammenarbeit erheblich vereinfachen.
Zudem bieten sie einen standardisierten Rahmen, der den Lieferanten und dem Unternehmen selbst aufzeigt, welche Kennzahlen relevant sind und welche Schritte einzuleiten sind, um Emissionen effektiv zu senken. Auch bestehende Geschäftsbeziehungen können auf diese Weise erhalten werden.
Kollaboratives Supplier Engagement
Derzeit verläuft das Klimadatemanagement vieler Unternehmen einseitig. Lieferanten werden dazu aufgefordert, diverse Kennzahlen offenzulegen, häufig ohne dabei Unterstützung zu erhalten.
Der Fokus auf kollaboratives Supplier Engagement nimmt bei der Dekarbonisierung von Lieferketten jedoch einen neuen Stellenwert ein. Lieferanten müssen in die Klimatransformation des Unternehmens integriert werden, um die eigene Klimaperformance erfolgreich voranzubringen.
Klare Kommunikation darüber, welche Klimadaten sie erfassen und welche Reduktionsmassnahmen sie ergreifen können sowie Transparenz hinsichtlich klimarelevanter Kennzahlen sind in dieser Hinsicht massgebliche Erfolgsfaktoren.
Auch Anreize für Lieferanten können hier von Vorteil sein, wie zum Beispiel Bewertungsmechanismen, die ihnen klar vor Augen führen, in welchen Bereichen noch Verbesserungspotenzial besteht und die sie wiederum nutzen können, ihre Bemühungen und Fortschritte nach aussen zu kommunizieren.
Wichtig ist die Skalierbarkeit dieses kontinuierlichen Prozesses. Anhand standardisierter Fragen und der Verwendung einer gemeinsamen Plattform zur Datenerhebung lassen sich zentralisierte Informationen analysieren, auf die man sich auch zu einem späteren Zeitpunkt beziehen kann.
Konkrete Massnahmen auf Basis dieser Analyse zu formulieren, kann eine Herausforderung sein. Durch eine kollaborative Ausarbeitung von Aktionsplänen sowie den Aufbau von Kapazitäten und Schulungsprogrammen können Unternehmen diese jedoch letztlich meistern.
Dekarbonisierung als Chance
Die Chance, Unternehmensemissionen in grossem Masse einzusparen und ambitionierte Klimaziele einzuhalten, liegt im Einkauf.
Da der Grossteil der Emissionen eines Unternehmens in der Lieferkette entsteht, muss hier angesetzt und der Fokus auf reziprokes Supplier Engagement gelegt werden. Indem man Lieferanten dazu befähigt, Klimadaten zu erheben und sie transparent an ihre Partner weiterzugeben, profitiert die eigene Emissionsbilanz.
Kollaboratives Klimadatenmanagement hebt die eigene Klimaperformance auf die nächste Stufe. Eine gemeinsame digitale Plattform zur Datenerhebung ermöglicht eine strukturierte Zusammenarbeit und die Chance, auch bestehende Partner in die eigene Klimatransformation zu integrieren. Digitale Unterstützung ist hierbei der kraftvolle Antrieb bei der erfolgreichen Umsetzung von Reduktionsmöglichkeiten entlang der Lieferkette.
Die gesteigerte Transparenz kommt dabei letztlich allen Beteiligten zugute. Denn Lieferanten gewinnen aus den erhobenen Klimadaten ebenso wertvolle Erkenntnisse über die aktuelle Marktpositionierung im Vergleich zum Wettbewerb. Das Benchmarking können sie nutzen, um die identifizierten Potenziale auszubauen und sich als Unternehmen zukunftsfähig aufzustellen.
Gleichzeitig hilft ein Marktvergleich auch den Beschaffungs-Teams, um Lieferanten zu identifizieren, die bereits höchste Reportingstandards erfüllen und klimarelevante Wirkungsprofile aufweisen. Auf diese Weise werden Einkaufsentscheidungen zu informierten Klimaentscheidungen.
Lara Obst
Lara Obst ist Mitgründerin und CEO von «The Climate Choice», einer Software-Plattform für Klima-Ratings und die datengetriebene Dekarbonisierung von Unternehmen und deren Lieferketten.