Blau, lokal und nachhaltig
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Mit deinem Unternehmen, der «Manufaktur Blaugang» stellst du seit 2020 Jeansbekleidung und Accessoires her. Umschreib uns kurz dein Geschäftsmodell …
Jeansproduzenten gibt es international natürlich wie Sand am Meer. Meine Manufaktur ist jedoch das einzige Unternehmen, das hochwertige Jeansbekleidung aus Raw Denim ausschliesslich in der Schweiz herstellt und vertreibt. Wir können unsere Bekleidung auf Wunsch zudem individuell anpassen. Unsere Kunden können sich beispielsweise die die Beinlänge der gekauften Hose auch gleich kostenlos vor Ort anpassen lassen.
Wodurch zeichnet sich Raw Denim aus?
Beim sogenannten Raw Denim handelt es sich um den ursprünglichen Baumwollstoff. Dieser wurde einzig und allein mit Indigofarbe behandelt und ist meist noch ungewaschen. Kleidungsstücke, die so gefertigt wurden, passen sich erst durch das Tragen perfekt an den Körper an, werden aber dadurch zum individuellen Einzelstück. Idealerweise trägt man diese Hosen oder Jacken auch erst mehrere Monate ein, bevor sie ein erstes Mal gewaschen werden. Durch die dunkelblaue, intensive Färbung unterscheidet sich der Raw Denim beispielsweise von Jeansstoffen im Used- oder Destroyed-Look. Diese erhalten ihr Aussehen durch eine ökologisch nicht immer unbedenkliche chemische Behandlung.
Wie kamst du überhaupt auf die Idee, Bekleidung aus Raw Denim herzustellen?
Die Faszination für hochwertige Denim-Stoffe und deren Verwendung für die Herstellung von Bekleidung begleitet mich schon seit 15 Jahren. Während einer Reise nach Japan im Jahr 2006 kam ich zum ersten Mal mit japanischem Denim und der zugehörigen Kultur in Berührung. Ich erlebte hautnah, was alles hinter diesem wunderbaren Stoff steckt. In und um die Stadt Kojima herum befindet sich sozusagen das Herz der japanischen Textilindustrie. Seit dem zweiten Weltkrieg werden hier erstklassige Denim-Stoffe gewebt.
Eine Jeans hat jeder im Schrank. Weshalb?
Jeansstoff ist praktisch, robust, strapazierfähig und langlebig. Nicht ohne Grund fertigte der deutsche Auswanderer Levi Strauss ab Mitte des 19. Jahrhunderts die Arbeitskleidung für Goldgräber aus diesem Material. Mit dem aufkommenden Wohlstand in den Städten an der Ostküste der USA kamen Jeans ab anfangs des letzten Jahrhunderts dann vermehrt als Freizeithose zum Einsatz. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden Jeans auch in Europa immer populärer. Auch weil die US-Army überschüssige Bestände günstig auf den Markt brachte, was sich vor allem junge Leute zunutze machten. Die Jeans hat sich jedoch schon längst vom ehemals bevorzugten Beinkleid der «Halbstarken» zum bürotauglichen Kleidungsstück entwickelt.
Du bist gelernter Betriebswirtschafter und damit ein Quereinsteiger. Welche Herausforderungen brachte das mit sich?
Als Betriebswirtschafter ohne Schneiderlehre wagte ich den Quereinstieg. Ich musste ich mir die nötigen handwerklichen Fähigkeiten autodidaktisch aneignen. Kaputte Nähmaschinen, falsche Schnittmuster, abgebrochene Nadeln, blutige Finger, schlaflose Nächte und entmutigende Momente, in denen ich am liebsten aufgegeben hätte, gehörten zum Lernprozess unweigerlich dazu. Genau diese Momente waren aber nötig, um meine Produkte heute in hoher Qualität zu produzieren.
Was ist das Alleinstellungsmerkmal deiner Produkte und wie positionierst du dein Unternehmen im Markt?
Alle Produktionsschritte sind in meinem Atelier in Wallisellen einsehbar. Jedes Produkt geht durch meine Hand. Was meinen Ansprüchen nicht genügt, gelangt nicht in den Verkauf, der auch hier im Atelier und seit einigen Monaten zusätzlich schweizweit exklusiv im VMC Original Store im Zürcher Niederdorf statt. Das Geschäft ist eine traditionsreiche Adresse für amerikanische und britische Sportswear und führt ein ausgewähltes Sortiment an Jeans, Bekleidung, Schuhen, Stiefeln und Accessoires.
Als Schweizer mit türkischen Wurzeln liegt es doch nahe, beispielsweise in der Türkei produzieren zu lassen ...
Es gab zunächst einige Versuche, Kleidung in der Türkei oder auch anderen dafür bekannten Ländern herstellen zu lassen. Natürlich wäre eine Produktion ausserhalb der Schweiz viel weniger kostenintensiv, aber die Qualität der produzierten Kleidungsstücke genügte meinen Anforderungen nicht. Die Entscheidung, eine lokale Produktion in der Schweiz aufzubauen, machte die ganze Mission aber sicher nicht einfacher.
Wie hast du in den vergangenen Monaten sichergestellt, dass immer genügend fertiggestellte Ware für den Verkauf bereit war?
Wichtig war mir vor allem, dass ich alle benötigten Materialien in genügender Menge vorrätig hatte und habe. Meine Stoffe beschaffe ich aus Qualitätsgründen ausschliesslich in Japan. Für die Herstellung der Stoffe wird nur zertifizierte Baumwolle und möglichst wenig Wasser eingesetzt. Das brachte auch schon vor der Pandemie längere Lieferzeiten mit sich. Doch mit der Stoffbestellung alleine ist es längst nicht getan. Eine Hose beispielsweise besteht aus insgesamt etwa 30 Einzelteilen. Bis sie fertig ist, benötige ich annährend 100 Arbeitsschritte. Habe ich die passenden Fäden, Knöpfe und Nieten nicht vorrätig, entsteht auch kein Endprodukt. Um all diese Materialien zu beschaffen, arbeite ich seit Beginn nur mit Lieferanten zusammen, die geografisch so nah wie möglich angesiedelt sind. Gleiches gilt für meinen «indirekten Einkauf» – denn ohne funktionierendes Werkzeug wie Scheren, Nähmaschinen und andere Gerätschaften kann ich meine Kleidungsstücke genauso wenig fertigstellen. Die Suche nach den passenden Lieferantenpartnern nahm einige Zeit in Anspruch ...
Weshalb?
Die geografisch nahe Lage war nicht das einzig wichtige Kriterium. Genauso zentral war und ist für mich, dass meine Ansprüche, was Qualität und Liefertreue betrifft erfüllen können.
Wie nachhaltig sind deine Jeans?
Mit einer so nachhaltig wie nur möglichen Produktion will ich einen Beitrag für eine bessere Zukunft leisten. Ich achte sehr darauf, dass alle meine Rohstoffe und Materialien so fair und verantwortungsvoll wie möglich produziert werden. Diesem Anspruch will ich auch selber Folge leisten, in dem ich Materialen wiederverwende und sie beispielsweise auch ins Design integriere. Und nicht zuletzt verzichte ich auch auf unnötige Verpackungen.