Beschaffungsstrategien – nicht mehr «nur» Chefsache!
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Strategien zu entwickeln und umzusetzen – das ist schon lange nicht mehr nur Sache der Einkaufsleitung. Auch neue Beschaffungsmärkte zu evaluieren und Lieferanten zu entwickeln, ist heutzutage Teamarbeit.
Und gerade weil dem so ist, erfordert es einerseits innerhalb des Beschaffungsteams eine ausgewogene Kompetenz in Bezug auf betriebswirtschaftliche und technische Qualifikation. Andererseits ist es wichtig, die Beschaffungsstrategie eng mit der Unternehmensstrategie und den wichtigsten Funktionalstrategien, zum Beispiel der Entwicklung, der Produktion oder dem Vertrieb, abzustimmen.
Das Beschaffungsmanagement leistet einen erheblichen Beitrag zum Erreichen der Unternehmensziele. Sei dies klassisch auf der Kostenseite hinsichtlich Ebit und Cash-flow oder dann zu Trends und Marktanforderungen, wenn es beispielsweise um Innovationsdruck («Time to Market»), Digitalisierung («Einkauf 4.0») oder Nachhaltigkeit («Lieferketten-Management») geht.
Vom operativen zum strategischen Wertbeitrag
Hatte die Beschaffungsabteilung bis Ende der 90er-Jahre noch vielfach eine überwiegend operative Versorgungsfunktion, so entwickelten sich ab dieser Zeit erste Elemente einer strategischen Ausrichtung. Zum Beispiel organisierten sich Beschaffungsorganisationen in operative und strategische Einheiten oder in Material- und Warengruppen mit technischer und kaufmännischer Kompetenz.
Erfolgreiche Unternehmen realisieren ihre Ziele, indem die Beschaffung in Projekten aktiv eine Koordinationsfunktion sowohl intern abteilungsübergreifend als auch zu den strategischen Lieferanten wahrnimmt.
Das dynamische Marktumfeld verlangt heute, ganz nach der Prämisse «agiler-innovativer-nachhaltiger», besonders vom Einkaufsteam eine kontinuierliche Weiterentwicklung seiner Kompetenzen. Oder anders formuliert: Unternehmerisch denkende Einkaufsleitende brauchen in ihren Teams strategisch denkende und handelnde Mitarbeitende – und zwar auf allen Stufen.
Diesem Anspruch sollte mit einer auf die künftigen Herausforderungen ausgerichteten Weiterbildung Rechnung getragen werden.
Fünf wichtige Handlungskompetenzen
Fünf Handlungskompetenzen befähigen angehende Einkaufsprofis, die strategischen Ziele der Beschaffung aktiv mitzugestalten, indem sie ihren Verantwortungsbereich analysieren und bewerten, in der Folge Strategien entwickeln und deren Wirksamkeit regelmässig überprüfen.
- Anforderungen an die strategische Beschaffung verstehen: Nicht einzelne und isoliert voneinander angewandte Strategien bringen den langfristigen Erfolg, sondern eine stringent von den strategischen Unternehmenszielen abgeleitete und mit der Strategie wichtiger interner Bereiche abgestimmte Beschaffungsstrategie. Dies als durchgängiger Top-Down-Prozess («Strategischer FIT»).
- Methodisch kompetent Bedarfe ermitteln: Für den eigenen Beschaffungsbedarf ein Beschaffungsgüter-Portfolio erstellen, die Resultate analysieren und bewerten und auf dieser Grundlage Massnahmen zur Kosten- und Risikooptimierung entwickeln.
- Beschaffungsstrategien entwickeln und überprüfen: Das Ergebnis der vorangegangenen Segmentierung zeigt den Handlungsbedarf auf. Etwa Massnahmen mit Lieferanten zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens hinsichtlich höherer Versorgungssicherheit, geringerer Gesamtkosten oder einer kürzeren Time to Market. Einmal getroffene Entscheidungen werden regelmässig auf den Prüfstand gestellt und gegebenenfalls korrigiert oder es wird gar ein Richtungswechsel, zum Beispiel von Global zu Local Sourcing, vorgenommen. Eines wird hier deutlich: Nur eine interdisziplinäre Zusammenarbeit des Beschaffungsteams mit den wichtigsten Bereichen und in Abstimmung mit deren Zielen sichert den Erfolg von Beschaffungsstrategien.
- Markt- und Lieferantenanforderungen kennen: Wirtschaftliche und politische Veränderungen in den Beschaffungsmärkten wirken direkt auf bestehende Beschaffungsstrategien. Nehmen wir hierzu als Beispiele die Brexit-Entscheidung Englands, die politische Situation der Türkei oder die USA-China-Zollkonflikte. Kontinuierliche Marktanalysen bei versorgungskritischen Gütern sichern bereits vorausschauend wichtige Informationen. In dem Mass, wie die Anforderungen an die Unternehmen steigen, nehmen auch die Anforderungen an die Lieferantenleistung zu. Wichtig erscheint daher, die Lieferantenperformance strategischer Partner regelmässig zu überprüfen, Rückmeldungen zu geben und wo nötig Lieferantenentwicklungsmassnahmen einzuleiten. Leistungsfähige und -bereite Lieferanten werden in der Folge stärker in Unternehmensprozesse integriert.
- Wirtschaftlichkeit der Strategien überprüfen und darüber berichten: Mit Kennzahlen planen, steuern und kontrollieren Einkaufsprofis ihre Ziele. Sie schaffen somit den Rahmen, ambitioniert und motiviert die Umsetzung von Strategien anzugehen. Ein auf wichtige Zielgruppen ausgerichtetes Reporting sorgt für eine angemessene Berichterstattung. So werden interne Stakeholder wie die Geschäftsleitung – beispielsweise CEO, CFO sowie die Leitung aus Entwicklung, Produktion, Q-Management und Marketing – mittels Kennzahlen in den Fortschritt der Zielerreichung eingebunden und über strategierelevante Themen aus den Beschaffungsmärkten oder dem Status aus Projekten regelmässig informiert.
Fazit:
Beschaffungsstrategien werden nicht mehr ad hoc und isoliert, sondern gezielt entwickelt, interdisziplinär abgestimmt und regelmässig auf ihre Relevanz überprüft und angepasst. Gut ausgebildete Einkaufsprofis leisten hierzu einen wichtigen Beitrag.
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Peter Hutzler
Der Autor ist Organisationsberater und Trainer für strategisches Beschaffungsmanagement. Als Dozent hat er seit über 20 Jahren Lehraufträge von Fachhochschulen und Fachverbänden, unter anderem auch von procure.ch.