Beschaffung und Menschenrechte
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Jedes Unternehmen hat die Verantwortung, die Menschenrechte in seiner eigenen Geschäftstätigkeit und in der gesamten Wertschöpfungskette zu achten – laut den «Leitprinzipien zu Wirtschaft und Menschenrechten» die vom UNO Menschenrechtsrat im Juni 2011 verabschiedet wurden. Seitdem sind in Europa und anderswo eine Vielzahl von freiwilligen und rechtlich verbindlichen Rahmenbedingungen entstanden. Die Erfüllung dieser neuen Anforderungen kann nicht ohne eine nachhaltige Einkaufspolitik sowie guten Lieferantenbeziehungen erfüllt werden.
Achtung der Menschenrechte
Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, sollte ein Unternehmen menschenrechtliche Sorgfaltsprozesse einführen. Der «Leitfaden für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln» der OECD definiert sechs wesentliche Schritte. Es geht darum, die Menschenrechte in die Unternehmenspolitik und die Managementsysteme zu integrieren; mögliche negative Auswirkungen auf die Menschenrechte zu vermitteln und zu bewerten; Massnahmen ergreifen, um diese zu beenden, verhindern oder mildern; Die eingeführten Massnahmen und deren Ergebnisse rückverfolgen und schliesslich über die ergriffenen Massnahmen kommunizieren. Kurz gesagt, ein Risikomanagement, dessen Besonderheit darin liegt, dass es je nach Ressourcen und Unternehmensgrösse, sowie dem Geschäftsbereich abhängt. Es sollte kontinuierlich durchgeführt und laufend verbessert werden soll. Auch KMU haben eine Sorgfaltspflicht.
Entwicklung des rechtlichen Rahmens
Die Schweiz zählt zu den ersten Ländern, die einen nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UNO-Leitprinzipien veröffentlicht hat. Ziel ist es, die Achtung der Menschenrechte bei Unternehmen mit Sitz und/oder Tätigkeit in der Schweiz zu fördern. Dieser Ansatz gliedert sich in einem wachsenden Ökosystem von nationalen und supranationalen Rahmenbedingungen und Vorschriften ein: Dodd-Frank Act in den USA (2010), Modern Slavery Act in Grossbritannien (2015) und Australien (2018), Loi sur le devoir de viligance in Frankreich (2017), Europäische Richtlinie über die Veröffentlichung nichtfinanzieller Informationen (2014), zusätzlich zu den etwa zwanzig anderen Ländern. die ihre nationalen Aktionspläne veröffentlicht haben.
In den nächsten Monaten werden sehr wahrscheinlich neue Gesetzgebungen auch in anderen Ländern verabschiedet, zum Beispiel Deutschland, Finnland, Kanada und die Schweiz, wo die Debatten um die Konzernverantwortungsinitiative und ihre Gegenvorschläge durchaus zu einer Volksabstimmung im kommenden Herbst führen könnte.
Die Gelegenheit ergreifen
Geschäftstätigkeiten, die Menschenrechte beinträchtigen, werden immer weniger toleriert und Schweizer Unternehmen werden dabei nicht verschont. Gesetz oder nicht, man beobachtet, dass Unternehmen, die einen menschenrechtliche menschenrechtlichen Sorgfaltsansatz umsetzen, auch positive Auswirkungen auf ihre Leistungen und wirtschaftliche Stabilität haben. Zu den möglichen positiven Auswirkungen zählt man zum Beispiel:
- Reputationserhalt: Die Risiken, die mit einem Imageverlust zusammen verbundenen sind, sind nicht zu unterschätzen, insbesondere im digitalen Zeitalter der sozialen Netzwerke.
- Kostensenkung: Insbesondere Kosten, die sich auf die schon existierenden und möglich zukünftigen Rechtsstreitigkeiten beziehen.
- Wettbewerbsvorteil: Im öffentlichen Auftragswesens, aber auch gegenüber Investoren oder Kunden.
- Besseres Risikomanagement: Durch ein grösseres Verständnis der Märkte, strategischer Lieferquellen und nachhaltige Investition in Projekte. So lehnte ABB beispielsweise eine Ausschreibung für den Bau eines Staudamms im Nahen Osten ab wegen ermittelten Risiken für negativen Auswirkungen auf die Umwelt und die Menschenrechte.
- Erhöhte Treue- und Motivation der Mitarbeitenden: Das «Streben nach Sinn» in der Arbeit gewinnt immer mehr Leute, die die Ethik in den Mittelpunkt ihrer Anliegen stellen.
Mit anderen Worten, ein Unternehmen, das sich Menschenrechte nicht zu eigen macht, gefährdet seine Leistung und Glaubwürdigkeit auf nationalen und globalen Märkten.
Der Einkauf, ein strategischer Hebel
Der wachsende freiwillige und regulatorische Rahmen führt dazu, dass das Risikomanagement für Menschenrechte in der Beschaffungsfunktion zunehmend an Wichtigkeit gewinnt. Dies auf zwei Ebenen. Erstens sollten Lieferanten und Zulieferer ermutigt werden, diese neuen Anforderungen zu erfüllen. Dies bedeutet:
- Die Achtung der Menschenrechte in den Verhaltenskodex für Lieferanten und in Kundenverträge integrieren.
- Risiken von Geschäftspartnern ermitteln und bewerten. Schindler hat beispielsweise im Interesse einer maximalen Transparenz, die Kriterien für die Risikoanalyse seiner Lieferanten auf Menschenrechtskriterien erweitert.
- Geschäftspartner sensibilisieren, zum Beispiel an Lieferantenkonferenzen oder durch Schulungsworkshops.
- Geschäftspartner in ihren menschenrechtlichen Sorgfalts-Bemühungen unterstützen und begleiten. Obwohl dies oft durch Sozialaudits durchgeführt wird, ist es wichtig darüber hinauszugehen, insbesondere durch die Einrichtung eines kontinuierlichen Dialogs mit den Lieferanten und Geschäftspartnern über die zu verbessernden Aspekte. Dies gilt für grosse, aber auch für kleinere Unternehmen, selbst wenn sie nur über begrenzte Ressourcen verfügen. Inovacomm ist ein gutes Beispiel dafür. Im Laufe der Jahre ist es diesem KMU gelungen, ein wirksames System zur Überwachung der Arbeitsbedingungen in den Fabriken, von denen es beliefert wird, einzurichten. Dieses System beruht auf einem Vertrauensverhältnis zwischen dem KMU und seinen Lieferanten.
Zweitens kann ein Unternehmen gerade durch seine Einkaufspraktiken zu negativen Auswirkungen auf die Menschenrechte beitragen. Eine Änderung der Produktionsanforderungen ohne Anpassung der Preise und Vorlaufzeiten bedeutet zum Beispiel, dass der Lieferant oft keine andere Wahl hat als gegen die Arbeitsgesetze zu verstossen, um die Anforderungen zu erfüllen. Es ist also wichtig, dass der Käufer in einer informierten Weise agiert. Die Wissensaneignung für Menschenrechtsfragen innerhalb des Unternehmens, insbesondere in der Einkaufsabteilung, ist daher unerlässlich.
Eine unvermeidliche Wendung
Der Wille eines Wandels hin zu einem Gesellschaftsmodell, das respektvoll der Natur und der Menschen gegenüber ist, wird jeden Tag spürbarer. Diesen Wandel im Unternehmen zu vollziehen bedeutet insbesondere, einen Win-Win-Dialog zwischen den Akteuren der Wertschöpfungskette zu initiieren. Die Einkaufspraktiken sind daher ein wichtiger Vektor.
Sarah Dekkiche
Sarah ist Director of Consulting bei twentyfifty GmbH, eine Management- und Menschenrechtsberatungsfirma. Sarah unterstützt Unternehmen in der Schweiz und international in ihren Strategien für verantwortungsbewusstes Handeln und menschenrechtliche Sorgfalt. In der Schweiz arbeitet sich auch mit dem SECO und dem EDA zur Umsetzung des Nationalen Aktionsplans für Wirtschaft und Menschenrechte.