Benimm statt Denim: Kleider machen Leute
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Eines vorweg: Vor Fehltritten betreffend Kleidung ist man selbst als langjährige Beraterin für gute Umgangsformen und den persönlichen Auftritt nicht gefeit. So ist mir einmal erst am Flughafen aufgefallen, dass ich zwei verschiedene schwarze Schuhe trug − und keine Ersatzschuhe dabeihatte. In der Eile habe ich dann ein paar zu teure Schuhe in einem Schuhladen im Flughafen eingekauft. Bei einem Besuch in einer Glasfabrik in Parma bin ich mit Jupe und Halbschuhen angereist. Allerdings schneite es am nächsten Tag. Ich hatte weder Hosen noch Stiefel dabei und fror den ganzen Tag. Hätte ich mir mehr Zeit für das Packen der Koffer genommen und vorgängig den Wetterbericht des Reiseziels geprüft, wäre mir dies erspart geblieben.
Doch nicht nur die Wirkung der Kleidung auf uns selber ist wichtig − und seien es nur nasse Füsse aufgrund unpassenden Schuhwerks −, vor allem die Wirkung, die wir mit unpassender Kleidung bei unserem Gegenüber erzielen, kann zum erfolgskritischen Faktor werden.
Zu locker ist auch nicht smart
In vielen Branchen ist festzustellen, dass der Kleidungsstil immer lockerer wird. Wie wir heutzutage schneller zum Du wechseln, wird auch der Anzug immer öfters durch Jeans und Poloshirt oder Pullover ausgetauscht. Und ich denke da nicht in erster Linie an Steve Jobs und Sergio Marchionne, die sich zig Exemplare des gleichen Pullovermodelles beschafft haben und sich ihrer Wirkung selbstverständlich bewusst waren.
Eine Lockerung von Regeln bringt immer auch Unsicherheit mit sich. Wie sich also für einen wichtigen Lieferantentermin kleiden? Denn bei Verhandlungen kann unser Outfit sogar das Gesprächsresultat beeinflussen.
Wenn wir uns «gut kleiden», fühlen wir uns automatisch auch besser und sicherer. Gut verarbeitete Kleidung, edle Materialien und eine Passgenauigkeit geben uns ein gutes Gefühl. Das bedeutet Wertschätzung uns selber, aber auch unseren Gesprächspartnern gegenüber. Es ist erwiesen, dass diese unsere nonverbalen Zeichen, und dazu zählt das Erscheinungsbild, noch stärker beachten als den Gesprächsinhalt. Selbstverständlich ist auch der Körperhaltung und der Mimik eine hohe Bedeutung zuzumessen.
Orientiert sich der Mann in Richtung «Business casual», dann trägt er weder Krawatte noch verwaschene Jeans oder Turnschuhe. «Business casual» wird meist als Anzug ohne Krawatte interpretiert. Sie können jedoch sehr gut eine Chino-Hose, kombiniert mit einem Hemd, tragen. Gerade für ein Erstgespräch empfehle ich, einen Veston zu tragen. Damen haben mehr Freiheiten, was es auch nicht einfacher macht.
Welche Kleidung wirkt kompetent?
Generell ist zu sagen: Je mehr Kleidungsteile Sie tragen, desto kompetenter ist Ihre Wirkung. Dass auch die Art und die Farbe eines Kleidungsstückes beeinflussen, demonstriere ich jeweils in meinen Workshops, indem ich meine Oberteile wechsle. Die Teilnehmer bestätigen mir, dass die Wirkung je nach Farbe und Kleidungsstück frappant ändert. In Uni und kleinen Mustern wirkt man kompetenter als in mehrfarbiger Kleidung mit grossen Mustern. Diese wirkt eher sportlich. Zu viele und zu grosse Muster sowie mehr als drei Farben lenken unser Gegenüber ab, und die Konzentration auf den Gesprächsinhalt wird schwieriger.
Welche Bekleidungsfarben sind also im Business angesagt? Generell strahlt man in dunklen Farben Kompetenz aus. Nicht zu vergessen sind auch die Klassiker Blau und Grau. Diese lassen Sie, unabhängig vom Geschlecht, in jeder Situation gut gekleidet aussehen, weil sie für Seriosität und Kompetenz stehen. Auch Kontrast (dunkler Anzug oder dunkles Deuxpièces mit hellem Hemd oder heller Bluse) macht kompetent. Generell sollte das Unterteil dunkler als das Oberteil sein. Das wirkt standfest. Helle Farben wirken eher zugänglich. Gerade helle Unterteile wirken jedoch auch eher leicht und fast flatterhaft. Aber weil wir gerade einen überaus heissen Sommer hinter uns haben, sei gesagt: Im Sommer sind auch hellere Farben akzeptiert.
Länderspezifische No-Gos
Klar ist: Ein ungepflegtes Erscheinungsbild ist nirgendwo akzeptabel. Eine ungepflegte Erscheinung lässt auch auf einen unsauberen Arbeitsstil schliessen. Pflege zeugt von Wertschätzung.
In der Schweiz kleiden wir uns eher lockerer als in anderen Ländern. Ein Zuviel an Haut, sei es ein zu kurzer Rock bei den Damen oder das bis zur Brust aufgeknöpfte Hemd bei den Herren, zeugt auch hierzulande nicht von Kompetenz. Genauso tabu sind kurze Hosen oder ärmellose Tops. Kurzarmhemden sind in der Industrie sicher akzeptiert, jedoch sollten sie nie mit Krawatte und Veston getragen werden.
Schon in unserem Nachbarland Deutschland sind die Kleiderregeln, strenger und Anzüge werden praktisch zu jedem Businesstermin getragen. Noch rigider werden Dresscodes im asiatischen und im arabischen Raum gehandhabt. Auch bei sehr hohen Temperaturen ist es dort überaus unangebracht, in kurzen Hosen oder Sandalen oder zu freizügig gekleidet zu einem Termin zu erscheinen. Ist man zu einer Veranstaltung eingeladen, rate ich, sich bereits vor der Abreise nach dem Dresscode zu erkundigen. Und denken Sie daran − ein gepflegter Schuh ist das A und O der korrekten Bekleidung.
Tipps und Tricks
Fragen Sie beim Herren- oder Damenausstatter Ihres Vertrauens nach knitterfester Businesskleidung. Nehmen Sie genügend Ersatzoberteile und auch ein zweites Paar Schuhe mit. So entgehen Sie nicht nur dem anfangs erwähnten Missgeschick. Sie werden sich auch gleich viel wohler fühlen, wenn Sie am Abend die Schuhe wechseln können.
Viele Hotelzimmer verfügen über Bügeleisen und -brett, praktisch, um das Hemd oder die Bluse nochmals aufzubügeln. Bügeln Sie jedoch Hose und Jacke nie direkt, sondern legen Sie ein Tuch dazwischen. Kleidungsteile mit Polyesteranteil neigen zum Glänzen. Und glänzen sollten Sie nur mit Ihrer Kompetenz.
Susanne Abplanalp
Susanne Abplanalp ist Marketingfachfrau mit eidgenössischem Fachausweis und Erwachsenenbildnerin. Sie hat über 20 Jahre Erfahrung in den Bereichen Marketing und Einkauf, Detailhandel, Gastronomie und Industrie. Seit 2008 ist sie bei procure.ch als Dozentin tätig.