Automatisierung: Wie der gordische Knoten zu lösen ist

Automatisierung: Wie der gordische Knoten zu lösen ist

Publiziert am Autor: Arnd Niehausmeier

Die Basis für eine erfolgreiche Automatisierung des Unternehmens liegt in der neuen Doppelrolle des Einkaufs. Eingebettet in eine ganzheitliche Digitalisierungsstrategie signalisiert die Optimierung und Automatisierung betriebswirtschaftlicher Einkaufsprozesse den Beginn einer intelligenten Transformation. Die frühzeitige Einbindung aller Mitarbeitenden garantiert den nachhaltigen Änderungsprozess.

Das «Fähigkeitenloch» war nie grösser als heute. Notwendige Kompetenzen für die erfolgreiche Umsetzung der Unternehmensstrategien (inklusive der digitalen Aspekte) sind zunehmend in den Unternehmen nicht vorhanden – und derzeit nur schwer zu rekrutieren. 

Gleichzeitig sind laut dem Analysedienst towardsdatascience.com in den heutigen modernen Unternehmen noch immer bis zu 30 Prozent der ­Tätigkeiten manuell und repetitiv. Die Dunkelziffer ist eher noch höher. Damit ist klar, dass heute bis zu 30 Prozent wertvoller Mitarbeiterzeit ziel­gerichteter für mehrwertschaffende Tätigkeiten und Strategieumsetzungen eingesetzt werden könnten – aber trotzdem dürfen notwendige operative Arbeiten nicht leiden. Wie soll dies praktisch umgesetzt werden?

Unternehmensweit Vorreiter

Bei der Lösung dieses gordischen Knotens kommt dem Einkauf eine unternehmensweite Vorreiterrolle zu. Auf der einen Seite ist die Einkaufsfunktion aufgrund einer hohen Dichte an repetitiven Funktionen und hohen Datenmengen prädestiniert, Prozesse zu verbessern und zielgerichtet zu automatisieren. 

Der manuelle Aufwand im Einkauf selbst sowie in einkaufsnahen Funk­tionen sinkt infolge einer konse­quenten Automatisierung. Gleichzeitig wer­den Einkaufsmitarbeiter im Bereich der zukünftigen digitalen Aufgaben bereits frühzeitig ausgebildet und können so zum Change Manager für das gesamte Unternehmen werden. 

Der positive Business Case für das Vorhaben «Automatisierter Einkauf» sollte exemplarisch erstellt werden und somit auf andere Funktionen übertragbar sein. Zusätzlich erreicht man durch neue Analysemethoden bessere Positionierungen für Vertrags­verhandlungen mit Lieferanten, denn dazu bestehen nun mehr Zeit und eine bessere Datengrundlage.

Auf der anderen Seite sollte mit einer Automatisierung im Einkauf begonnen werden, damit der Einkauf die Rolle eines «Transformationshelfers» fundiert aufbauen kann. 

Das notwendige Wissen über sinnvolle Transformationswege und damit einhergehende Aktivitäten wird zunächst am Beispiel der Einkaufsfunktion erarbeitet und umgesetzt. Sodann kann der Einkauf auch weiteren Unternehmensfunktionen bei den eigenen Umsetzungsbemühungen helfen sowie eigene Erfahrungen teilen. Viele dieser Aktivitäten können schnell und parallel passieren, damit der ROI sich innerhalb von Monaten realisieren lässt.

Keine IT-Aufgabe

Entgegen einer weit verbreiteten Meinung ist Automatisierung keine IT-­ Aufgabe. IT-Mitarbeitende sind natürlich zu involvieren – ihnen kommt aber eher die Rolle eines technischen Advisors bei konkreten Software­lizenzen oder Installationsaufgaben zu als die Rolle eines Gesamtprojektverantwortlichen. Diese Rolle liegt klar bei der Führung der jeweiligen Funktion, denn es geht letztendlich um die Steigerung von Prozessfähigkeiten und entsprechende Mitarbeiterweiterbildung des Bereichs.

Mannigfaltiges Scheitern

Laut der Unternehmensberatung EY scheitern bis zu 40 Prozent der aktuellen Automatisierungsbemühungen in Unternehmen. Die Gründe des Scheiterns sind mannigfaltig – zentral ist allerdings das Thema der häufig fehlenden Mitarbeiterintegration. 
Eine Unternehmenstransformation hin zu einem automatisierten Unternehmen der Zukunft gelingt nur, wenn alle Beteiligten im Unternehmen die strategische Notwendigkeit des Vorhabens erkennen und aktiv mitarbeiten. Dies scheint aber nur einem kleinen Teil der Unternehmen wirklich zu gelingen. 

Projekterfahrungen zeigen, dass die Automatisierung begonnen wird, ohne sich Gedanken über einen gewünschten Zielzustand der Organisation nach der Automatisierung zu machen. Hier geht es insbesondere auch um ganzheitliche Governance-Funktionen der zukünftigen Organisation. Es fehlt zudem häufig ein Verständnis für die notwendige Prozesstransparenz, nötige Prozessvarianten und notwendige Prozessmodifikationen sowie eine Bereitschaft zu ständiger Verbesserung. 

Einmal ist keinmal 

Mit einer Automatisierung beginnt diese Reise zu weiteren Verbesserungen. Es ist kein einmaliges Projekt – es ist eine dynamische Unternehmens­entwicklung, die im Idealfall die gesamte Belegschaft erfasst und fasziniert. Denn die Ideen der Verbesserung müssen von überall herkommen, nicht nur aus einer Projektgruppe. Hierbei ist es wünschenswert, auf Ergebnisse der «New Work»-Bewegung zurückzugreifen und neue Vorgehens­weisen und entsprechende Tools bei der Automatisierungsreise einzusetzen.

Eine sinnvolle Unternehmensautomatisierung ist unternehmensindividuell. Allerdings sind einige Methodenmodule sehr wohl allgemeingültig. Prozesstransparenz durch Process Mining oder Process Discovery, Prozessmodulation mithilfe neuer Tools und Prozess-Excellence-Aktivitäten gehören ebenso dazu wie die Schaffung einer klaren Mehrwertkalkulation für das gesamte Vorhaben. Dieser «Proof of Automation Value» (PoAV) hilft ausserdem, frühzeitig Erfolgskriterien für eine Umsetzung zu definieren. Deren Einhaltung garantiert den Erfolg des Vorhabens. 

Richtige Orchestrierung

Aufgrund der strategischen Wichtigkeit der Automatisierungsstrategie des Gesamtunternehmens ist die richtige Orchestrierung auf VR-Ebene von essenzieller Bedeutung. Hierzu bedarf es auch einer frühzeitigen VR-Weiterbildung zur Welt der Automation – allerdings der schon heute machbaren Automation und nicht der technisch möglichen Visionen der nächsten Jahre oder Jahrzehnte.
Es hat sich ganz klar gezeigt, dass Verwaltungsräte und Geschäftsführungen, die ihren funktionalen Teams bei der Erstellung von konkreten Automatisierungen weitgehend freie Hand lassen, eine bessere Enervierung ihrer Teams erreichen. Klare Vorgaben der angestrebten Ziele sollten trotzdem gemeinsam erfolgen.

Portrait Arnd Niehausmeier

Arnd Niehausmeier

Der Mehrheitseigner und CEO der Headlights Group AG, einer Firmengruppe, die sich der schnellen Umsetzung von Innovationen in Europa verschrieben hat, arbeitet mit seinem Team an der ständigen Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen mit Zentralen in Europa.