Auslaufmodell Führungskraft 4.0?

Auslaufmodell Führungskraft 4.0?

Publiziert am Autor: Barbara Liebermeister

Ist Führung in der «Welt 4.0» noch gefragt? Genau das wird in vielen Unternehmen lebhaft diskutiert –und verunsichert viele Führungskräfte. Führung war noch nie so wichtig, doch sie muss sich ändern: Machen Sie das richtige Personal Branding?

Viele Führungskräfte fragen sich zurzeit: «Was kommt da auf mich zu?» Denn egal, ob sie in Zeitschriften schmökern, Kongresse besuchen oder den Worten ihrer Chefs lauschen, stets wird ihnen das Gefühl vermittelt: In den kommenden Jahren muss sich in den Unternehmen fast alles ändern.

Kein Stein darf sozusagen auf dem­anderen bleiben – sonst können die Unternehmen in der VUCA-Welt (volatility, uncertainty, complexity, ambiguity) nicht überleben. Und die ­«digitale Transformation?» Sie ist sozusagen der Schlüssel, damit Unternehmen erfolgreich in die Zukunft gehen.

In Zusammenhang mit der Diskussion über das Thema «Digitale Transformation» sowie über Modethemen wie «Agilität» und «Industrie 4.0» werden auch immer wieder Stimmen laut, dass die Zukunft sich selbst steuernden Teams gehört, die sich stets neu formieren. Die nächste Frage so mancher Führungskraft folgt auf dem Fuss: «Und was wird dann aus mir?» Gehen Führungskräfte so dramatisch wie Pferdekutschen unter, als das Auto­mobil seinen Triumphzug antrat?

Führung wird immer wichtiger

Zweifellos, die meisten Unternehmen werden sich in den kommenden Jahren stark verändern. Nicht nur die Geschäftsmodelle verändern sich – was für sich alleine bereits eine enorme Hürde darstellt. Damit die «digitale Strategie» überhaupt greift, reicht die Einführung von neuen Technologien bei Weitem nicht aus. Nur wenn die Mitarbeitenden die Veränderungen mittragen und dazu befähigt werden, die neu entstehenden Aufgaben auch zu bewältigen, wird dies gelingen.

Doch gerade dann, wenn im Unternehmen selbst und in dessen Umfeld scheinbar alles im Fluss ist, wünschen sich Mitarbeitende Halt und Orien­tierung. Doch wer soll dieses Gefühl vermitteln, wenn sozusagen alles permanent auf dem Prüfstand steht? Letztlich können dies nur die Führungskräfte sein. Sie gelten weiterhin als Dreh- und Angelpunkt bei Veränderungsprojekten. Sie müssen den Wandel nicht nur initialisieren, sondern auch dafür Sorge tragen, dass die Zusammenarbeit in der digitalen Welt funktioniert.

Deshalb ist die These nicht gewagt: Führung wird künftig in den Unternehmen immer wichtiger werden – gerade weil es im Unternehmenskontext sonst nichts mehr gibt, worauf Mitarbeitende bauen und vertrauen können.

Führung muss sich ändern

So weit, so beruhigend. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass sich Führung nicht verändert. Im Gegenteil, die Art zu führen, muss sich im digitalen Zeitalter radikal wandeln. Denn folgende Entwicklungslinien sind in den Unternehmen unverkennbar.

  • Die für den Unternehmenserfolg relevanten Leistungen werden zunehmend von bereichs- und oft sogar von unternehmensübergreifenden Teams erbracht.
  • Die für die Kunden erbrachten Lösungen setzen immer mehr Spezialwissen voraus, dass die Führungskräfte oft selbst nicht haben. 
  • Die von den Unternehmen erarbeiteten Strategien und Planungen haben eine immer kürzere Gültigkeitsdauer.
  • Die Führungskräfte und ihre Bereiche stehen immer häufiger vor Herausforderungen, für die sie noch keine Lösung haben.

Wie ist in einem solchen Umfeld erfolgreiche Führung möglich – wenn die Führungskräfte einen immer geringeren (disziplinarischen) Zugriff auf ihre Mitarbeiter haben und – salopp formuliert – auch nicht schlauer als diese sind?

Die Führungskraft als «Marke» 

Nach dem klassischen Befehl-Gehorsam-Prinzip ist dies nicht mehr möglich; ebenso wenig dadurch, dass­ die Führungskräfte versuchen, sich als Alles-besser-Wisser zu profilieren. Der einzig mögliche Lösungsweg ist: Die Führungskräfte müssen sich zu echten Leadern entwickeln, also zur Persönlichkeitsmarken, denen die Mitarbeiter vertrauen. 

Eine Marke kennzeichnen zwei Faktoren. Erstens: Sie ist aufgrund ihres Auftritts beziehungsweise Erscheinungsbilds wiedererkennbar. Und zweitens: Sie gibt den Kunden ein klares Leistungsversprechen – so wie dies zum Beispiel die Unternehmen Audi, BMW oder Coca-Cola mit ihren Slogans «Vorsprung durch Technik», «Freude am Fahren» oder «taste the feeling» tun. Starke Marken reduzieren die Komplexität des Wettbewerbs, bieten Orientierung und differenzieren das Angebot. Sie emotionalisieren Kunden positiv und stiften kulturelle Identität. Erst durch diese Erfahrung wird der Nutzen eines Produkts umfassend erlebt.

Ähnlich verhält es sich mit Führungskräften, die eine «Persönlichkeitsmarke» sind. Auch sie stehen für ihr Umfeld erkennbar für konkrete Werte und Überzeugungen, die sich in ihrem Verhalten zeigen. Folglich lautet eine Anforderung an Führungskräfte, die eine Persönlichkeitsmarke werden möchten: Sie müssen sich ihrer Werte und Überzeugungen sowie Stärken bewusst werden – also darüber, was sie als Person einzigartig und unverwechselbar macht. 

Dazu zählt auch das Kennen der eigenen Schwächen. Denn erst aus dem Bewusstsein unserer Stärken und Schwächen erwächst das erforderliche Selbstverständnis für unsere mögliche Wirkung. Und dieses hilft uns wiederum, nicht nur an «Schönwetter­tagen», sondern auch, wenn es (im Unternehmen oder Markt) «stürmt und schneit», eine souveräne Haltung einzunehmen und zu zeigen. Und dies ist wiederum ein Signal für unsere Umwelt: Dieser Marke beziehungsweise Person kannst du vertrauen. Ein Unternehmen ist die Summe der Werte seiner Produkte und Menschen.

Profil statt Marktschreierei

«Werden Sie als Führungskraft eine Marke, und präsentieren und vermarkten Sie sich entsprechend» – diese Aufforderung stösst bei vielen Führungskräften auf Vorbehalte. Denn mit dem Begriff «Vermarktung» assoziieren sie meist Attribute wie schrill, laut und marktschreierisch. Aber bei der Markenbildung im Bereich Leadership geht es nicht darum, stets am lautesten zu schreien, sondern darum, immer wieder nach aussen zu zeigen und zu artikulieren, wofür man steht und was einem als Person wichtig ist. So entstehen Glaubwürdigkeit und somit letztlich Vertrauen. Marketing ist nicht laut, sondern intelligent und muss kontinuierlich erfolgen. Nur so werden Sie zum «Personal Brand». Wer als Führungskraft «bekannt wie eine Marke» ist, verfügt über eine entsprechende Reputation, und erhält automatisch einen Vertrauensvorschuss. Diese Faktoren werden für den Führungserfolg in der von Veränderung geprägten VUCA-Welt immer wichtiger. 

Eines ist sicher: Die erfolgreiche Führungskraft von morgen ist empathisch und ein exzellenter Netzwerker, stiftet Sinn und begeistert Menschen für Ideen und Visionen. Denn sie weiss: Nicht die Technologien, sondern die Beziehungen zu und zwischen Menschen sind der zentrale Erfolgsfaktor im 21. Jahrhundert. Der Mensch rückt gerade im digitalen Zeitalter ganz klar in den Mittelpunkt.

Barbara Liebermeister

Barbara Liebermeister

Die Autorin leitet das Institut für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ) in Frankfurt. Die Wirtschaftswissenschaftlerin und Manage­mentberaterin referierte an der Frühjahrstagung 2019 vom 16. Mai zum Thema ­«Erfolgsfaktor Kommunikation im digitalen Zeitalter».