Innosuisse-Projekt «Internationale Beschaffungsstrategien von Schweizer KMU»
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«Industriefirmen haben Stress bei der Beschaffung» lautete der Titel eines Beitrages der Neuen Zürcher Zeitung vom 21.September 2022. Beschrieben wird die Beschaffungssituation der Aebi AG, einem Schweizer Hersteller von Bau- und Landwirtschaftsmaschinen.
Nachdem das Unternehmen die Corona Pandemie überstanden hatte, trieb der Ukraine Krieg das Stresslevel in der Beschaffung auf die Stufe 8/10. Das Unternehmen hat Container Preisanstiege aus Asien von 2000 auf 15000 Franken erlebt und für Mikrochips statt 3.5 plötzlich 350 Franken bezahlt. Die Auftragsbücher des Unternehmens sind gefüllt. Die Aufträge können aber nur ausgeführt werden, wenn die internationalen Lieferketten funktionieren.
Gestörte Lieferketten
Doch diese Lieferketten sind gestört. Dies zeigt eine Befragung, die die Berner Fachhochschule in Kooperation mit der Fachhochschule Graubünden durchgeführt hat. 56 Prozent der befragten Unternehmen wurden von Störungen in den internationalen Lieferketten beeinträchtigt.
Als Ursache der Störungen gaben sie Produktionsengpässe bei Lieferanten durch die Covid Pandemie, Transportverzögerungen und -verteuerungen aus wichtigen Beschaffungsmärkten wie China, Handelshemmnisse mit Zulieferländern und die kriegerischen Ereignisse in der Ukraine an.
Betroffen waren vor allem elektronische Bauteile, Metalle, Kunststoffe und Verpackungsmaterialien. Als Auswirkungen der Störungen in den Zulieferketten nannten die Unternehmen eine Verteuerung und Verknappung von Einkaufsteilen, unzufriedene Kunden, weil Liefertermine nicht ein-gehalten werden konnten, Umsatzverluste, weil Produkte nicht rechtzeitig ausgeliefert wurden, Kunden, die zu anderen Lieferanten abwanderten und Reputationsschäden durch Lieferverzögerungen.
Anpassung der Beschaffungsstrategien
Zur Bewältigung der Störungen in den Zulieferketten setzten die Unternehmen kurzfristig auf die Kommunikation mit ihren Kunden, um sie trotz Lieferproblemen halten zu können, auf Preiserhöhungen, die sie an die Kunden weitergeben und auf die Aufstockung ihrer Lagerbestände.
Die Frage ist, wie lange solche Massnahmen wirksam sind. Irgendwann sind die Preisobergrenzen erreicht und die Lagerkosten erhöhen sich durch die steigenden Kapitalzinsen. Längerfristig sind die Unternehmen gezwungen, ihre Beschaffungsstrategien an die neue Realität von zunehmend unsicheren Lieferketten anzupassen, sei dies durch die Suche von Lieferanten in alternativen Märkten, die Diversifikation der Beschaffung, das Re-Engineering ihrer Produkte oder das Rezyklieren von kritischen Teilen. Gemäss der Befragung der Berner und Graubündner Fachhochschulen planen drei Viertel der Unternehmen derzeit solche strategischen Anpassungen.
Das Innosuisse-Projekt
Das Innosuisse Projekt «Internationale Beschaffungsstrategien von Schweizer Unternehmen» soll sie dabei unterstützen. Das Ziel des Projektes ist es zu untersuchen, mit welchen Beschaffungsstrategien Schweizer KMU ihre Zulieferketten gegenüber Störungen resilienter machen können. Beteiligt am Projekt sind die Fachhochschule Graubünden und die Berner Fachhochschule als Hochschulpartner, fünf international tätige Schweizer KMU als Anwendungspartner und der Fachverband procure.ch als Umsetzungspartner.
Das Projekt besteht aus den folgenden Arbeitspaketen:
- Analyse der Störungen in den Zulieferketten von Schweizer Industrieunternehmen.
- Entwicklung von Strategien zur Absicherung von internationalen Lieferketten.
- Umsetzung der Erkenntnisse in internationale Beschaffungsstrategien der Wirtschaftspartner.
- Entwicklung eines Seminarangebotes von Procure zur Unterstützung von Schweizer KMU bei der Entwicklung von internationalen Beschaffungsstrategien.
- Entwicklung einer Lehrveranstaltung an der FHGR und der BFH zum Thema Internationale Beschaffungsstrategien.
Nutzen des Projekts
Als Ergebnis resultieren aus dem Projekt für die beteiligten Wirtschaftspartner internationale Beschaffungsstrategien, die ihnen helfen, ihre Zulieferketten gegenüber Störungen resilienter zu machen. Für den Fachverband Procure resultiert ein Seminarangebot, mit dem Schweizer KMU bei der Entwicklung von internationalen Beschaffungsstrategien geschult werden können. Für die beteiligten Hochschulen entstehen Erkenntnisse zur Ausbildung von Wirtschaftsstudierenden im Bereich Supply Chain Management.
Der Zeitplan des Projektes sieht vor, dass der Projektantrag im Juni 2023 bei Innosuisse eingereicht werden soll. Der Projektstart erfolgt im September 2023. Die Projektlaufzeit beträgt 16 Monate. Der Projektabschluss erfolgt Ende 2024.
Aufgaben im Projekt
Die Aufgabe der Anwendungspartner besteht darin, die Ergebnisse der empirischen Untersuchungen zu evaluieren, Strategien zur Absicherung von internationalen Lieferketten zu entwickeln und im Unternehmen zu implementieren.
Die Aufgabe von procure.ch als Umsetzungspartner besteht darin, die empirischen Untersuchungen durch ihr Mitgliedernetzwerk zu unterstützen und das Seminarangebot zu entwickeln. Die Aufgabe der beteiligten Hochschulen besteht darin, das Projekt administrativ und organisatorisch zu leiten, die Unternehmensbefragungen durchzuführen, die Entwicklung der Beschaffungsstrategien methodisch zu unterstützen und die resultierenden Erkenntnisse in der Lehre umzusetzen. Die Leistungen der Hochschulen werden von der Innosuisse finanziert und stehen den Wirtschaftspartnern kostenlos zur Verfügung.
Ralph Lehmann
Ralph Lehmann ist Professor für International Business an der Fachhochschule Graubünden und Hochschulpartner im Innosuisse-Projekt iBERIMA.