Agilität im Einkauf – Make it happen
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Vertragsgestaltung und Organisationsentwicklung sind die agilen Fokusthemen im Einkauf. Jedoch erst einmal ein Schritt zurück. Alles basiert auf dem von diversen Softwareentwicklern verfassten «Agilen Manifest» aus dem Jahr 2001. Das Manifest beinhaltet die vier agilen Grundwerte, konkretisiert mit zugehörigen zwölf Prinzipien (agilemanifesto.org). Heute finden sich diese in unterschiedlichster Form und Ausprägung in sämtlichen agilen Praktiken und Methoden in Unternehmen wieder.
Agilität ist im heutigen geschäftlichen Lebensraum kaum mehr wegzudenken. Organisationen müssen sich den Herausforderungen der agilen Transformation stellen, sonst bleiben sie nicht zukunftsfähig. Der Einkauf spielt dabei eine nicht unwesentliche Rolle. Er bringt die Outside-in-Sicht ins Unternehmen und enabled dadurch in vielfältiger Weise agile Transformation. Zusätzlich ist der Einkauf selbst in zweifacher Weise gefordert. Die eigene Einkaufsorganisation muss selbst auf Agilität ausgerichtet werden, kein leichtes und oft ein mehrjähriges Unterfangen. Des Weiteren sind die Lieferantenverträge und Vertragsvorlagen auf agile Dienstleistungserbringung hin zu optimieren. Wichtig ist hierbei jedoch zu beachten, dass die eigene Unternehmung auch mit solchen Verträgen umgehen können muss. Sonst wird eher Lehrgeld bezahlt, als tatsächlich ein Mehrwert geschaffen oder gar eine Einsparung erzielt.
Der Einkäufer in seiner Rolle als Transformation Manager ist gefordert. Er wird hier in Zusammenspiel mit der Fachabteilung den bestmöglichen stufenweisen Approach eruieren, abstimmen und vertraglich mit den Business-Partnern in den Verträgen abbilden.
Veränderungswille muss gegeben sein
Agile Transformation muss vom Führungsteam gewünscht und ermöglicht werden. Die Umsetzung sollte idealerweise als mehrjähriges unternehmensweites Programm geführt und mit Hilfe eines CMMi-ähnlichen (Capability Maturity Model Integration) agilen Reifegrad-Framework überwacht werden. Ein evolutionärer Ansatz wird eher nicht empfohlen. Wesentliche Elemente sind dabei organisatorisch die Kultur, Leadership und Talente und auf operationeller Ebene selbstverständlich die Prozesse und Methoden.
Aktuelle Studien und Umfragen belegen, dass hier in den letzten Jahren ein Wandel stattgefunden hat. Ist man früher davon ausgegangen, dass die organisatorischen Punkte eher die Treiber für die agile Transformation sind, hat sich hier das Bild gedreht. Die operationellen Themen gewinnen hier immer mehr an Boden. Dies hängt aus meiner Sicht damit zusammen, dass agiles Denken bereits in den meisten Köpfen angekommen ist und die Arbeitswelt entsprechend ausgerichtet ist.
Es geht nun mehr um das «Wie» als das «Warum». Das heisst, auch das «Lernen» von anderen hat erneut an Bedeutung zugelegt. Der Einkauf mit seiner Outside-in-Sicht ist erneut gefordert.
Best Practices für den Einkauf
Das aktuelle empirische Bild in Schweizer Unternehmen zeigt, dass Agilität im IT-Engineering bereits weit verbreitet ist und zu einem gewissen Grad auch in der Qualitätssicherung angekommen ist. Die Operations-Abteilungen im Unternehmen holen langsam auf. In den klassischen Business(Biz)-Bereichen hingegen geht es immer noch nur sehr langsam voran. Der Einkauf ist in dieser Betrachtung den Operations im Unternehmen zugeordnet.
Die ersten Optimierungsaktivitäten im Einkauf sollten sich neben den bereits genannten organisatorischen und operationellen Aspekten auf die folgenden Kernthemen fokussieren: Einkaufsstrategie überarbeiten, Struktur der Einkaufsorganisation anpassen, Prozessdigitalisierung vorantreiben sowie HR-Themen und Instrumente wie Intensivierung justieren.
Ein Projekt-getriebener Ansatz der Transformation wird empfohlen. Es ist dabei ganzheitlich darauf zu achten, dass die Massnahmen strukturiert, gut dosiert und stufenweise erfolgen, damit die eigene Einkaufsorganisation nicht überfordert wird.
Ihre Mitarbeitenden sind hier das höchste Gut und mit der wichtigste Erfolgsgarant für eine agile Transformation. Nehmen Sie Ihre Mitarbeitenden mit auf die Reise in die agile Zukunft. Aus- und Weiterbildung, neue Jobprofile und Reorganisation spielen dabei meist mit eine zentrale Rolle.
Der Wandel unserer Zeit
Die Rolle des Einkaufs und die Stellung und Bedeutung im Unternehmen haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten drastisch geändert. Wurde Anfang des 21. Jahrhunderts − als die Digitalisierung quasi noch in den Kinderschuhen steckte − noch von einer Optimierung des eigenen beziehungsweise internen Eco-Systems gesprochen, sind die Ansätze heute bereits gänzlich global und vollkommen digital. Sie müssen nur genutzt werden.
Auch für kleine und mittelgrosse Unternehmen sind interessanten Themen wie beispielsweise Realtime Market Visibility, Continuous Risk Forecasting, Taking Advantage of Future Developments, Ecosystem of Software Solutions möglich. Die Lösungen sind hier spezialisierter, transaktionsbasiert und preislich erschwinglich geworden. Die realisierten Use Cases sind attraktiv und der Wettbewerb im Markt eröffnet dabei ganz neue Möglichkeiten. Einige Einkaufsorganisationen haben sich bereits heute von der Purchasing-Abteilung hin zu (digitalen) Supply-Chain-Management-Abteilungen hin weiterentwickelt.
Als nächste Stufe sind gar Themen wie Corporate Business Development und Advisory in greifbare Nähe gerückt. Wie weit hier jedoch gegangen wird, hängt selbstverständlich von der Grösse und vom jeweiligen Mandat der Einkaufsorganisation im Unternehmen ab.
Starten Sie jetzt, warten Sie nicht!
Die Schlüsselfaktoren für agile Entwicklung sind aufgeschlossene und proaktive Mitarbeitende. Dazu gehören auch Sie selbst.
Es geht um Innovation, Zusammenarbeit und stetige Bewegung in die Richtung der gesetzten Meilensteine. Das heisst − starten Sie. Gehen Sie auf Ihr Senior Management zu, gewinnen Sie den Executive Sponsor für das Vorhaben zur Transformation der Einkaufsorganisation in Richtung mehr Agilität, definieren Sie den Projektleiter und gegebenenfalls sein Team und setzen Sie um.
Agilität ist die Reise und der Weg selbst das Ziel. Sie werden überrascht sein, was alles möglich ist und was Sie auch für Ihr Business damit zusätzlich erreichen werden. Ich wünsche Ihnen das Beste und viel Erfolg!
Oliver Engelbrecht
Der Autor blickt auf über 20 Jahre Einkaufs- und Digitalisierungserfahrung zurück. Er ist Geschäftsführer der Titan Solutions AG. Seine 360°-Sicht als Mittelstandsberater zeichnet ihn aus. Historie: SIX, Globaler Einkaufsleiter, UBS, Outsourcing-Experte, und IT-Manager bei Mercedes Benz und Siemens.